Somit auch ein nicht nur optisch schöner Aufhänger, sich mit dem Thema einwandernder Pflanzen und Tiere zu beschäftigen.
Neben der Globalisierung begünstigt auch die Klimakrise die Einwanderung, Einschleppung und Verbreitung fremder Arten, sogenannter Neobiota, in Österreich. Auch ein besonders imposanter, goldgelber Riesenfalter – der Japanische Eichenseidenspinner – profitiert von der raschen Erhöhung der heimischen Durchschnittstemperaturen und wandert vom Süden Österreichs stetig Richtung Norden.
Kürzlich wurde er auch schon in der Region Baden nachgewiesen. Somit „steht“ er bereits vor den Toren Wiens und wird bei so manchem Bewohner der Randbezirke unserer schönen Stadt wohl bald für Furore sorgen. Der eine oder andere Bürger Südösterreichs wird diesem herrlichen Nachtfalter vielleicht schon begegnet sein und sich fasziniert gefragt haben: Aus welchem Schmetterlingshaus ist dieser Riesenfalter wohl entflogen? Denn seine exotische Herkunft erkennt man auf den ersten Blick.
Entflogen ist er in Wirklichkeit schon vor über hundert Jahren. Das Geheimnis um diesen schönen Fremdling zu lüften, soll Aufgabe dieses Artikels sein. Der Name „Japanischer Eichenseidenspinner (Antheraea yamamai)“ lässt seine eigentliche Heimat ja schon erkennen.
Japanischer Eichenseidenspinner: Wie wurde der Japaner zum Österreicher?
Die Geschichte seiner Einwanderung klingt wie aus einem Roman. In Japan wurde dieser Falter einst in großem Umfang gezüchtet, denn aus seinen zitronengelben Kokons kann man Seide gewinnen. Im 19. Jahrhundert war diese Seidenproduktion für Japan ein gutes Geschäft, so gut sogar, dass die Ausfuhr der Falter, Eier, Raupen und Kokons strengstens verboten war. Es stand darauf sogar die Todesstrafe. Schließlich sollte niemand Japans wirtschaftlichen Erfolg durch eine Konkurrenzzucht untergraben.
1860 gelang es einem französischen Konsul trotzdem, einige seiner Eier heimlich nach Frankreich zu entsenden. Dort wurde aber nur ein Weibchen erfolgreich herangezüchtet und die weitere Vermehrung misslang. Die Art konnte dadurch aber in Europa erstmals auch wissenschaftlich beschrieben werden. Drei Jahre später schmuggelte der niederländische Arzt Pompe van Meedervoort mehrere Eier, gut verborgen in einem Rohrstock, aus Japan nach Belgien und diesmal gelang auch die Weiterzucht. Und so versuchten sich bald mehrere europäische Länder darin, eine Seidenzucht mit dem Falter zu etablieren. Darunter auch Frankreich, Spanien, Italien und Slowenien.
Aber bald zeigte sich: Der Schmuggel hatte sich nicht gelohnt. Denn die in Europa mit dem Falter gewonnene Seide war minderwertig. Und so wurde das Vorhaben wiedereingestellt. Zumindest aus Slowenien soll belegt sein, dass die nicht mehr benötigten Falter einfach fliegen gelassen wurden.
Die Raupe des Falters ernährt sich jedoch von einheimischen Pflanzen, allen voran von Eiche, aber zum Beispiel auch Rotbuche, Hainbuche, Edelkastanie oder Rosen. Zudem ist das Klima in Österreich dem in Japan vergleichbar. Und so verbreitete sich der Falter schließlich auch bei uns.
Für immer harmlos, oder doch nicht?
Der Japanische Eichenseidenspinner ist mit bis zu 14 Zentimetern Flügelspannweite viel größer und mit seinem leuchtend gelben Flügelkleid mit den vier schönen Augenflecken viel auffälliger als diese Fremdlinge. Aber er gehört Gott sei Dank zu jenen Arten, die bisher in Österreich keine Schäden verursacht haben. Dabei ist es sicher von Vorteil, dass er nur eine Generation pro Jahr ausbildet. So neigt er nicht allzu leicht zu einer Massenvermehrung, welche zum Kahlfraß von Eichen- oder Buchenwäldern führen könnte.
Auch Parasiten und Vögel, welche die Raupe fressen, sind bekannt. Dennoch würde ich den Falter niemals in einem neuen Habitat aussetzen, denn eine gewisse Unberechenbarkeit bleibt immer bestehen, zumal unsere Ökosysteme schon durch die Vernichtung artenreicher Lebensräume durch den Menschen, sowie durch invasive Neophyten und die Klimakrise immer stärker unter Druck geraten und mancherorts auch Eichen und Buchen schon unter Trockenstress zu leiden beginnen.
Es ist also auch nach 100 Jahren nicht zu 100 Prozent gewiss, ob der Eichenseidenspinner geschwächten Wäldern nicht doch eines Tages als Fraß-Schädling zusetzen könnte. Im Rahmen der vor uns liegenden Klimaveränderungen können zudem auch heimische Arten plötzlich zu bisher unbekannter Massenvermehrung neigen. Man denke an den Eichen-Prozessionsspinner mit seinen Gifthaaren oder an den Borkenkäfer und sein Vernichtungswerk in den Fichtenmonokulturen des Waldviertels.
Insgesamt verändern sich die Lebensbedingungen heimischer und fremder Arten durch die Veränderung des Klimas. Einige Arten werden bei uns unweigerlich aussterben und andere werden ebenso unweigerlich einwandern. Manchmal zum Nutzen und manchmal leider zum großen Schaden heimischer Vielfalt.
Der Eichenseidenspinner ist ökologisch bisher neutral zu bewerten, aber so mancher Schmetterlingsfreund freut sich wohl über diese attraktive neue Art in Österreich.
Ein Wiener und ein Japaner im Vergleich
Wissenschaftlich betrachtet, gehört der „Eichenseidenspinner“ nicht zu den Seidenspinnern, wie etwa der Maulbeerspinner, der äußerst hochwertige Seidenkokons produziert. Er zählt vielmehr zur Familie der Pfauenspinner. Und auch die Raupen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen des Wiener Nachtpfauenauges, dem größten heimischen Pfauenspinner.
Die ersten Räupchen wandern nach dem Schlupf einige Tage auf der Futterpflanze weiter und fressen zuerst wenig. Ihre Entwicklung dauert mindestens zwei bis drei Monate und ist erst im Laufe des Frühsommers abgeschlossen. Sie dauert somit auch länger als jene vom Wiener Nachtpfauenauge. Die dicken Raupen werden ordentlich schwer. Sie heften sich wie jene des Wiener Nachtpfauenauges mit ihren Beinchen, vergleichbar mit Klettverschlüssen, äußerst fest an die Zweige.
Die Raupen sind eher gedrungen und tragen ab einer gewissen Größe auch einen weißen, das Licht reflektierenden Fleck links und rechts an den Körperseiten. Besonders imposant, ja fast gruselig groß, sind die Mundwerkzeuge nach der letzten Häutung, wie du auf den Fotos sehen kannst.
Auf dem Foto erkennst du auch die kleinen punktförmigen Augen der Raupen, mit denen Raupen nur schlecht sehen können.
Die zitronengelben Kokons wären mit der leuchtenden Farbe im Eichenlaub eigentlich gut sichtbar. Die Raupe verspinnt den Kokon aber so gut mit Blättern, dass sie ebenso gut getarnt sind wie die grünen Raupen selbst im Blattwerk. Insbesondere im gewellten Eichenlaub ist ihre Tarnung nahezu perfekt.
Die Falter schlüpfen von Juli bis in den September hinein, ganz anders als beim Wiener Nachtpfauenauge, wo fast alle Falter nach der Überwinterung innerhalb eines eher kurzen Zeitraums, im Wiener Klima zumeist in der ersten Maihälfte, schlüpfen.
Für das Verlassen des Kokons wird dieser mit einer Flüssigkeit aufgeweicht, welcher der Falter noch im Kokon aus einer Drüse unterhalb der verkümmerten Mundwerkzeuge absondert. Dadurch muss der Falter sich beim Klettern aus dem engen Kokon nicht allzu sehr plagen.
Überraschend ist die große Variabilität des Farbenkleids der Falter. Die Weibchen sind leuchtend zitronengelb. Die Männchen variieren von hellem graubraun bis zu samtigem dunkelbraun. Die Fotos anbei sollen dies dokumentieren. Sie nehmen wie das Wiener Nachtpfauenauge keine Nahrung auf und leben nur kurz. Sie möchten sich einzig paaren und dann ihre Eier legen.
Auf die Hand nehmen lässt sich diese Art übrigens absolut gar nicht. Der Falter lässt sich nämlich bei der kleinsten Berührung sofort zitternd auf den Boden fallen.
Berechtigte Angst vor fremden Tieren und Pflanzen
Die Einwanderung fremder Arten wird in einer global so stark vernetzen Welt von Naturschützer*innen, wie auch von Land- und Forstwirt*innen, völlig zurecht mit Sorge beobachtet. Denn einige nicht heimische Pflanzen verhalten sich invasiv und verdrängen auf großen Flächen die heimische Artenvielfalt.
Am augenfälligsten wird das bei Götterbäumen, Kanadischer und Riesen-Goldrute, dem Japanischen Riesenknöterich oder dem Siegeszug des Indischen Springkrauts. Und manchmal richten selbst winzigste Tierchen großen Schaden an, vor allem wenn sie bei uns keine Feinde haben oder neue Krankheiten verbreiten. Man denke
- an die Reblaus und ihren Vernichtungsfeldzug beim österreichischen Wein Ende des 19. Jahrhunderts,
- an den Maiswurzelbohrer, einen Käfer, der unsere Maisernten gefährdet
- an die Kirschessigfliege, die Marmorierte Baumwanze oder die Grüne Reiswanze, vor deren weiterer Ausbreitung sich unsere Obst- und Gemüsebauern fürchten
- an Signal- und Marmorkrebs, welche unseren heimischen Steinkrebs an den Rand des Aussterbens brachten,
- oder um bei den Schmetterlingen zu bleiben, an die Kastanienminiermotte und den Buchsbaumzünsler, welche unsere Parkanlagen zumindest optisch beeinträchtigen.
Klima- und Artenkrise führen uns ins Ungewisse
Die Kombination aus Klimakrise, Artensterben und Globalisierung wird das heimische Artenspektrum mit Sicherheit in den nächsten Jahrzehnten deutlich verändern. Nur wirksamer Natur-, sowie auch Klimaschutz können verhindern, dass komplexe und fein austarierte Ökosysteme, die uns Naturliebenden so am Herzen liegen, zusammenbrechen; voller Ungewissheit, was danach kommen wird.
Gerade in Zeiten so großer Belastungsproben für unsere Natur, wie auch unsere Land- und Forstwirtschaft, sollten wir auch das Risiko von Schäden durch unser persönliches Handeln so gering wie möglich halten und keine fremden Arten transportieren, im Internet bestellen oder gar aussetzen.
Wenn es um das verbotene Aussetzen von exotischen Tieren wie Goldfischen oder Schmuckschildkröten geht, ist das Thema schon bei vielen angekommen. Bei der Pflanzenvielfalt im eigenen Garten denken wir jedoch seltener darüber nach, ob es klug ist, massenhaft Zierblumen, Sträucher und Bäume aus aller Herren Länder in unsere Gärten zu pflanzen. Die bewusste Wahl heimischer Pflanzen würde nicht nur viele wertvolle und bedrohte Tierarten in unseren Gärten fördern, sondern auch unsere letzten, intakten Naturräume vor dem potenziellen Angriff neuer invasiver Arten und Krankheiten besser schützen.
"Ein Grund mehr, beim nächsten Einkauf im Gartencenter auf heimische Vielfalt zu setzen."
Über die Autorin: Marion Jaros arbeitet als Biotechnologin bei der Wiener Umweltanwaltschaft.