Einen der auffälligsten auf Holz wachsenden Pilze, den Zunderschwamm, möchten wir dir näher vorstellen. Wusstest du, warum er dem Menschen über einige Jahrtausende hinweg auch als praktischer Überlebenshelfer diente?
Jetzt im Spätherbst, nachdem das Laub von den Bäumen gefallen ist und die Temperaturen sinken, lässt das Pilzwachstum nach. Der ForscherInnenblick richtet sich daher immer mehr auf Pilze, die auf Holz wachsen und der kalten Witterung widerstehen können.
Klassische Pilze wie der Steinpilz, der Birkenpilz oder das Eierschwammerl zählen zur großen Gruppe der Mykorrhizapilze, die in Symbiose mit bestimmten Baumarten leben. Das unterirdische Pilzgeflecht (Myzel) vernetzt sich mit den Feinwurzeln der Bäume. Pilzgeflechte und Feinwurzeln der Bäume stehen in einem intensiven stofflichen Austausch, von dem beide PartnerInnen profitieren.
Auf Holz wachsende Pilze gehören zur Gruppe der Parasiten und Saprobionten. Parasitisch lebende Pilze befallen zumeist geschwächte Bäume, ernähren sich von diesen und können sie zum Absterben bringen. Saprobionten ernähren sich von bereits totem Holz und von Pflanzenresten wie Laub, vertrockneten Gräsern oder Stroh.
Die Saprobionten sind die Recycling-SpezialistInnen im Stoffkreislauf. Sie sorgen gemeinsam mit vielen Kleinstlebewesen dafür, dass Totholz und Pflanzenreste wieder zu fruchtbarem Boden und Humus umgewandelt werden.
Ohne ihre Tätigkeit würde die Natur sprichwörtlich in ihren eigenen Abfällen ersticken.
Sehen wir uns vermodernde Baumstämme beim Waldspaziergang genauer an:
Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass es manche Hölzer gibt, die bei der Vermoderung würfelig-blockig zerfallen und auffällig rotbraun bis braun gefärbt sind, während andere Hölzer deutlich faserig und in gräulich-weißlichen Farbtönen zerfallen. Um diese ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen der Zersetzung durch Pilze zu verstehen, müssen wir wissen, dass Holz aus zwei sehr verschiedenartigen Baustoffen besteht, nämlich dem braunen Lignin und der für die Papierherstellung verwendeten weißlichen Zellulose.
Im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Erde haben sich zwei große Gruppen von holzabbauenden Pilzen gebildet. Braunfäulepilze haben sich auf den Abbau von Zellulose spezialisiert. Nach der Zersetzung der Zellulose bleibt das Lignin übrig und verleiht dem vermodernden Holz das würfelige Aussehen und seine rotbraune Farbe. Weißfäulepilze zersetzen hingegen das Lignin und es verbleibt die weißliche faserige Zellulose.
Interessant ist auch ein Rückblick in die Erdgeschichte. Holzabbauende Pilze sind „erst“ vor etwa 200-300 Millionen Jahren entstanden. Im Zeitalter davor, das Karbon genannt wird, existierten zwar schön urtümliche Wälder, aber noch keine holzabbauenden Pilze.
Die abgestorbenen Hölzer stapelten sich durch den unzureichenden Zerfall meterhoch übereinander und verwandelten sich durch Druck und Temperatur in Kohleflöze. Diese Dynamik ist für den Kohlenstoffkreislauf und die Klimageschichte der Erde von enormer Bedeutung. Je mehr Kohlenstoff im Boden und der Erdkruste gespeichert wurde, desto kälter wurde das Klima. Je mehr Kohlenstoff aus der Erdkruste in die Atmosphäre gelangte, desto wärmer wurde das Weltklima - ein Grundprinzip, das auch heute im Anthropozän seine Gültigkeit hat.
Der Zundschwamm - eine wichtige Ressource
Der Zunderschwamm ist der auffälligste und einer der am häufigsten vorkommenden Baumpilze in Österreich. Er erfreut uns nicht nur durch seine imposante Größe und Formenvielfalt. Bereits der Gletschermann „Ötzi“ nutzte seine besonderen Eigenschaften als praktischer Überlebenshelfer.
Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius) wächst auf Laubhölzern und zählt zu den Weißfäulepilzen. Die Pilze können bis zu 30 Jahre alt werden. Du erkennst ihn an seinem konsolenförmigen, weißen bis grauen Fruchtkörper, der bis zu 50 cm groß werden kann.
Die frischen Zuwachskanten der Pilze sowie junge Pilze heben sich farblich ab und sind ockergelb bis rotbraun gefärbt. An der Unterseite befindet sich eine weißlich bis ockerfärbige Porenschicht. Im Alter dunkeln die Fruchtkörper nach.
Der Name des Zunderschwammes beruht auf seiner Verwendung als Zunder. Schon im Neolithikum (Jungsteinzeit) vor 5.000 Jahren wurde der Pilz zum Feuermachen verwendet, indem die filzig-lockere Mittelschicht zu leicht entzündlichem Zunder verarbeitet wurde. Da dieser holzabbauende Pilz nur sehr langsam verglimmt, wurde er auch verwendet, um Glut aufzubewahren und zu transportieren.
Aus dem Zunderschwamm kann auch veganes Leder hergestellt werden. Diese alte Handwerkskunst gibt es in Rumänien heute noch. Neue Forschungsinitiativen gehen der Frage nach, ob die Lederherstellung aus Zunderschwamm oder anderen Baumpilzen zukünftig auch großtechnologisch genutzt werden kann.
Der Zunderschwamm verfügt über eine Vielzahl medizinisch wirksamer Inhaltsstoffe. Aus Zunderschwamm wurden bis ins 19. Jahrhundert blutstillende und desinfizierende Wundauflagen hergestellt. Auch eine Vielzahl neuerer Forschungsergebnisse bestätigen sein Potenzial als Heil- und Vitalpilz und wir dürfen gespannt in Zukunft blicken, welche Eigenschaften davon genutzt werden können.
Wir finden den Zunderschwamm weitverbreitet in Österreich und er wird daher nicht in der Roten Liste geführt. Da er in seinem Bestand trotzdem rückläufig ist, bitten wir dich, seine Fruchtkörper nicht von den Bäumen zu reißen. Alte Zunderschwämme dienen darüber hinaus als Wohnung zahlreicher Insekten und Kleinstlebewesen, die ihren Lebensraum nicht verlieren wollen.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit von Irmgard Krisai-Greilhuber mit Christian Apschner.