Zeit in der Natur zu verbringen und nach Pilzen zu suchen bringt uns in Kontakt mit unserer ureigensten Vergangenheit als Sammler und Jägerinnen. Langsam durch den Wald zu wandern, mit allen Sinnen die Signale der Natur zu lesen und dann wie erhofft, manchmal aber auch ganz überraschend auf eine schöne Kollektion von Pilzen zu treffen, zählt zu jenen erfreulichen Erfolgserlebnissen, die im Alltag des modernen Menschen sehr selten geworden sind.
In unserer heutigen Lebenswelt ist das Pilze-Suchen für nicht wenige Menschen daher eine beliebte Freizeitbeschäftigung und ein Ausgleich zu den digitalen Lebenswelten geworden.
Speisepilzsammler:innen werden mit etwas Glück mit einer köstlichen Mahlzeit aus gebackenen Steinpilzen belohnt, während sich Hobby-Mykolog:innen über die Artenvielfalt der Pilze und die Entdeckung seltener Arten freuen dürfen.
Erfolgreich nach Pilzen zu suchen ist wie vieles andere ein Lernprozess indem Fachwissen, Erfahrung und Intuition einander ergänzen. Es ist eine Kunst der genauen Beobachtung und des Lesens der Signale der Natur. Während die im Boden lebenden Pilzmyzelien das ganze Jahr über vorhanden sind, tauchen die Fruchtkörper der Pilze meist nur für ein paar Tage im Jahr sichtbar an der Oberfläche auf. Dazu müssen die spezifischen Wachstumsbedingungen der einzelnen Pilzarten wie die richtige Begleitvegetation, Feuchtigkeit und Temperatur passen. Und selbst dann bleiben Pilze unberechenbar und auch die erfahrensten Pilzsammler:innen erleben immer wieder unerwartete Überraschungen.
Vorweg ist festzuhalten, dass nur Pilze gesammelt und verzehrt werden dürfen, die mit hundertprozentiger Sicherheit als essbar identifiziert wurden.
In folgendem Link findest du die wichtigsten Regeln zur Sammlung von Speisepilzen.
Die wichtigste Voraussetzung für das Pilzwachstum ist das Vorhandensein von ausreichend Feuchtigkeit im Waldboden. Oft stellt sich die Frage, wie lange es nach einem auf eine sommerliche Trockenperiode folgenden ausgiebigen Regen dauert, bis das Pilzwachstum einsetzt. Unsere Beobachtungen zeigen jeweils einen relativ konstanten Zeitraum von acht bis zehn Tagen, bis die ersten großen Pilze zu finden sind.
Die Monate April und Mai sind Morchelzeit. Wenn Mitte April die ersten Apfelbäume zu blühen beginnen, bestehen in feuchten Wäldern auf kalkhaltigem Boden mit Eschenbeständen Fundchancen für Speisemorcheln (Morchella esculenta). Für Spitzmorcheln (Morchella elata) lohnt es sich im Mai einen Ausflug ins Mittelgebirge zu machen und mit Kalkgestein geschotterte Forstwege abzuwandern, wobei mit etwas Glück auf Rindenabfällen von Forstarbeiten ganze Familien von Spitzmorcheln gefunden werden können. Etwa zur selben Zeit wachsen mit großer Regelmäßigkeit in Laubwäldern und Gebüschen der Niederungen und der Alpenränder auf Kalkböden die oft in großer Anzahl auftretenden delikaten Maipilze (Calocybe gambosa).
Nach einem ausgiebigen Mairegen zieht es passionierte Pilzsammler:innen ab Mitte Mai und im Juni in wärmegetönte Laubwälder mit Eichenbeständen, denn hier ist der erste große Wachstumsschub an Sommer-Steinpilzen (Boletus reticulatus) zu erwarten, während bei Föhren die sehr festfleischigen Föhren-Steinpilze (Boletus pinophilus) vorkommen.
Etwa ab Mitte Juni erscheinen mit großer Regelmäßigkeit in Nadel- und Nadelmischwäldern auf saurem Untergrund in Höhenlagen von 500 bis 1000 Meter Seehöhe die ersten Eierschwammerl (Cantharellus cibarius). Mit zunehmender Tageserwärmung verschiebt sich das Wachstum der Eierschwammerl weiter nach oben. Vor allem an sonnigen Südhängen von Fichtenwäldern des Mittelgebirges bis in eine Seehöhe von 1500 Meter treten Eierschwammerl im Juli und August oft massenhaft auf, sodass niemand Angst haben muss leer auszugehen. Interessant ist die Beobachtung, dass sich das Vorkommen der Eierschwammerl mit zunehmender Klimaerwärmung in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich nach oben verschoben hat. Während in tieferen Höhenlagen Eierschwammerl immer seltener zu finden sind, treten sie in Höhenlagen oberhalb von 1200 Meter Seehöhe immer häufiger auf.
Eine ebenfalls fast schon regelmäßig auftretende Folge der Klimaveränderung mit heißen trockenen Sommern ist das „Pilz-Sommerloch“, eine der Trockenheit geschuldete oft über mehrere Wochen dauernde Phase mit extremer Pilzarmut. In diesem Zeitraum lohnt es sich am ehesten Wälder in Gebieten aufzusuchen, in denen ergiebige Gewitterniederschläge niedergegangen sind, wobei mit Fundchancen für die ersten Fichten-Steinpilze (Boletus edulis), Frauen-Täublinge (Russula cyanoxantha), Speise-Täublinge (Russula vesca) und Rotkappen (Leccinum rufescens) gerechnet werden kann.
Birken Rotkappe © Jörg Hempel, Leccinum versipelle LC0366, CC BY-SA 3.0 DE
Jörg Hempel, Leccinum versipelle LC0366, CC BY-SA 3.0 DE
Birken Rotkappe © Jörg Hempel, Leccinum versipelle LC0366, CC BY-SA 3.0 DE
Jörg Hempel, Leccinum versipelle LC0366, CC BY-SA 3.0 DE
Die eigentliche Hauptsaison des Pilzwachstums beginnt meist Ende August / Anfang September und dauert dann bis weit in den Oktober hinein. In diesem Zeitraum besteht die größte Artenvielfalt und Pilz-Sammler:innen können sich an einer Vielzahl von Speisepilzen wie Herbsttrompete (Craterellus cornuopioides), Trompeten-Pfifferling (Craterellus tubaeformis), Schopf-Tintling (Coprinus comatus), Krause Gluck (Sparassis crispa) und Riesen-Schirmling (Macrolepiota procera) erfreuen. Pilze können dann praktisch in allen Wäldern gefunden werden.
Mit den ersten Nachtfrösten im November lässt das Pilzwachstum merklich nach. Dennoch ist die Zeit des Pilze-Sammelns nicht zu Ende, denn es beginnt die Saison der auf Holz wachsenden Speisepilze, wobei der Austernseitling (Pleurotus ostreatus) und der Samtfußrübling (Flammulina velutipes) oft sogar noch im Jänner gefunden werden können.
In welchen Wäldern bestehen die besten Fundchancen für Pilze?
Hier lässt sich leider keine generelle Antwort geben. Im Prinzip bietet jeder Wald Fundchancen, sofern man ihn zum richtigen Zeitpunkt aufsucht. Oft macht man die ersten Pilzfunde zufällig.
Um die Gesetzmäßigkeiten und Launen der Pilze einschätzen zu lernen, empfehlen wir dir einen oder mehrere Lieblingswälder auszuwählen und diese über mehrere Jahre regelmäßig hinweg aufzusuchen und zu beobachten. So kannst du dir langsam das Erfahrungswissen aufbauen, welches die Grundlage ist, erfolgreich nach Pilzen zu suchen.
Naturnahe Mischwälder sind von der Artenvielfalt am interessantesten, während Monokulturen nach Kahlschlägen oft sehr pilzarm sind oder nur einzelne wenige Pilzarten massenhaft vorkommen. Wälder mit starker Bodenvegetation und Krautschicht sind ein Zeichen für eine starke Nährstoffbelastung, die sich ebenfalls ungünstig auf das Pilzwachstum auswirkt, außerdem lassen sich die Pilze nur schwer auffinden. Wälder mit moosbewachsenem Boden sind hingegen als günstig für das Pilzwachstum zu bewerten.
Zum Lernprozess der erfolgreichen Pilzsuche zählt auch die Kenntnis der wichtigsten Baumarten und Zeigerpflanzen. Viele Mykorrhizapilze wachsen nur bei ganz bestimmten Baumarten während Zeigerpflanzen wichtige Hinweise auf die Bodenbeschaffenheit geben. Es ist ein Lernprozess der einiges an Geduld und Ausdauer benötigt und mehrere Jahre in Anspruch nimmt.
Die Beobachtung in der Natur und das genaue Studium von guten Pilzbüchern sowie die Inanspruchnahme der Pilzberatung bieten die Möglichkeit neue Speisepilze kennenzulernen, sodass früher oder später zumindest in der Hauptsaison des Pilzwachstums ausreichend Speisepilze gefunden werden können.
Es ist nun die Zeit gekommen, sein Artenspektrum zu erweitern und sich auch für seltenere Pilzarten zu interessieren. Nicht wenige Hobby-Mykolog:innen beginnen sich in spezielle Pilzgattungen oder Lebensräume einzuarbeiten wie beispielsweise Pilze auf Magerwiesen und Trockenrasen. Mit etwas Glück ist es gar nicht so unwahrscheinlich, irgendwann mal auch eine neue Pilzart für Österreich zu entdecken, denn an ungewöhnlichen Orten zu ungewöhnlichen Zeiten finden sich manchmal die seltensten Pilze, die bisher unentdeckt blieben.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit von Irmgard Krisai-Greilhuber mit Christian Apschner.