Er hat ein rundes Köpfchen, dunkle Knopfaugen und scheint immer zu Späßen aufgelegt. Aber Achtung: Hinter der putzigen Fassade des Eurasischen Fischotters (Lutra lutra) verstecken sich auch spitze Zähne, scharfe Krallen und ein ausgeprägter Appetit.
Man sollte sich also nicht täuschen lassen, wenn er im Naturpark Südsteiermark wieder einmal seine Eskimorollen im Fluss dreht, munter schlammige Uferböschungen hinabrutscht und dabei vor sich hin pfeift.
Der Fischotter ist Einzelgänger, ein höchst anpassungsfähiger kleiner Geselle – und hat Ausstattung und Fähigkeiten, die so manchen Extremsportler und Angler vor Neid erblassen lassen.
Der Fischotter ist zwar eine richtige Wasserratte, aber auch als Wassermarder bekannt. Denn er gehört wie Iltis, Dachs und Wiesel zur Familie der Marder – nur dass seine Verwandtschaft eindeutig das Leben an Land bevorzugt. Der Fischotter liebt also das Wasser – und Fisch. Egal ob Fluss- oder Aulandschaft, See, Sumpf oder Moor: Hauptsache Süßwasser und fette Beute.
So fühlt er sich zum Beispiel auch im rund 20 km² großen Natura 2000 Europaschutzgebiet im Naturpark Südsteiermark pudelwohl: In und um die Hauptflüsse Laßnitz, Sulm, Saggau und Pößnitzbach findet der Fischotter optimale Bedingungen und ein reichhaltiges Nahrungsangebot. Darunter auch so manchen Fischteich, den der Otter zum Leidwesen der Teichbesitzer für ein "all you can eat" Buffett zu halten scheint.
Der Fischotter hat die Haare schön
Für das Leben und Jagen in seinem Lieblingselement hat sich der Fischotter die passende Hightech-Ausrüstung zugelegt: Nasenlöcher und Ohren sind verschließbar, die Pfoten mit Schwimmhäuten ausgestattet. Seinen stromlinienförmigen Körper kleidet er mitsamt dem muskulösen Schwanz in eines der dichtesten Felle der Tierwelt: Auf bis zu 50.000 Haare bringt er es pro Quadratzentimeter Haut. Und die sind auch noch reißverschlussähnlich miteinander verzahnt! Damit schafft es selbst der kleinste Wassertropfen nicht an die Haut des Fischotters. Praktischerweise verfangen sich beim Schwimmen außerdem Luftbläschen in dem dichten Fell, die ihn zusätzlich wärmen.
Hochspezialisierter Jäger in Dunkelheit und Kälte
So ist er auch in eisigen Winternächten auf Beutefang unterwegs – Fischotter sind nachtaktiv und halten keinen Winterschlaf. Und wer so quirlig ist wie er, braucht ordentlich Kalorien: Etwa 10 % seines Körpergewichts (zwischen 7-10 Kilo, inklusive kleiner Fettpölsterchen) muss er täglich fressen. Da geht es kältestarren Fischen, je nach Saison aber auch Wasservögeln, Fröschen, Krebsen, Schlagen und sogar Nagetieren an den Kragen.
Um nicht zu viel an wertvoller Energie zu vergeuden, hat der Otter effiziente Jagdtechniken entwickelt: Oft krallt er sich geschwächte oder kranke Fische vom Gewässergrund und spielt damit im ökologischen Gleichgewicht eine entscheidende Rolle. Bei seinen Beutezügen unter Wasser nimmt er es mit dem Luftholen nicht so genau. Bis zu 10 Minuten dauern seine Tauchgänge, was wohl jeden Apnoe-Taucher vor Neid erblassen lässt.
Dazu sieht der Fischotter sehr gut, in trübem Wasser hilft ihm außerdem sein Tastsinn in Form hochempfindsamer, langer Tasthaare an der Schnauze und an den Ellbogen seiner Vorderbeine.
Nicht Fisch, nicht Fleisch?
Apropos Jagd: Im Mittelalter war der Fischotter selbst begehrte Beute. Man zählte ihn kurzerhand nicht zu den Säugetieren sondern zu den „fischähnlichen“ Wesen – damit ging er als Fastenspeise durch: „Fischotter an Oberssauce“ wurde dann aufgetischt, oder „Pastete vom Fischotter“. Damit nicht genug, wurde der Fischotter ab dem 16. Jahrhundert mitunter als bessere Angel eingesetzt. Bei der Otterfischerei machte man sich das Geschick des Jägers zunutze und richtete ihn ab: Dressierte Fischotter apportierten – im Idealfall – brav ihre Beute.
Gekommen, um zu bleiben?
Das haben sich wohl nicht nur die steirischen Fischotter im Naturpark Südsteiermark gedacht, sondern seine Artgenossen in ganz Österreich (mit Ausnahme von Vorarlberg und Tirol). Die Jagd nach Fleisch und Fell, aber auch Lebensraumverlust durch Flussregulierungen, Gewässerverbauungen oder die Trockenlegung von Feuchtgebieten führten dazu, dass die Fischotterbestände in den vergangenen beiden Jahrhunderten stark zurück gingen.
Durch intensive Schutzbemühungen seit den 1980er Jahren haben sie sich aber wieder deutlich erholt. Am Naturpark Südsteiermark scheint der Fischotter jedenfalls die hohe Wasserqualität und die wiederhergestellte Ursprünglichkeit der Bäche zu schätzen. Weil Absperrungen aus den Flüssen entfernt wurden, haben auch die Fischpopulationen wieder zugenommen - für den haarigen Vielfraß natürlich ein weiteres wichtiges Kriterium.
Fischotterliebe hat immer Saison
Dass sich die Bestände so gut erholt haben, ist umso erfreulicher, weil die Fischotterweibchen (Fähen) meist nur 1-2 mal in ihrem Leben Nachwuchs bekommen. Grund dafür ist der hohe Aufwand, den die Mutterliebe bedeutet: In den ersten 14 Monaten lernen die kleinen Fischotter vom Schwimmen bis zum Fischfang alles Überlebenswichtige von ihrer Mutter. Dafür haben die Tiere keine fix festgelegte Paarungszeit, Junge können das gesamte Jahr über zur Welt kommen. Eine Besonderheit, die einmal mehr die Anpassungsfähigkeit der Fischotter beweist.