Die Ellmauers zählen zu einer nahezu ausgestorbenen Sorte Mensch. Schneller Profit und Expansion sind Konzepte, die anscheinend irgendwo vor den Hausbergen Pyhrgas, Bosruck und Warscheneck Halt gemacht haben. Denn auf ihrem liebevoll geführten Berghof, dem Arche Hof Thurnergut im oberösterreichischen Spital am Pyhrn, rangieren Erfolg, Leistung und Tempo recht weit unten auf der Prioritätenliste. Für die Pflege des umliegenden Bergwaldes helfen den Ellmauers jedes Jahr zahlreiche Freiwillige im Rahmen der Bergwaldprojekte des Alpenvereins. Die Stiftung Blühendes Österreich unterstützt diese Freiwilligenprojekte zum Schutz unserer Bergwälder.
„Es war schon immer unsere Vision, mit fast ausgestorbenen Nutztierrassen zu arbeiten“, berichtet Hofherrin Johanna Ellmauer, die trotz knochenharter Arbeit stets ein Lächeln im Gesicht trägt. Die Uhr schlägt Punkt Sieben. Sieben Tage in der Woche krempeln Johanna und Siegfried Ellmauer stets zur gleichen Zeit die Ärmel hoch. Denn dann warten die
- Tuxer Rinder
- Pinzgauer Rinder,
- Alpinen Steinschafe,
- Pinzgauer Ziegen,
- Graugänse*
- und Turopolje Weideschweine*
bereits sehnsüchtig auf ihr Futter. Diese Tiere zählen zu den fast letzten ihrer Art. Sie gelten als gefährdet oder sogar hoch gefährdet, das heißt, maximal 500 Muttertiere ihrer Rasse sind noch übrig.
* Graugänse und Turopolje Weideschweine findet man am Thurnergut nur im Sommer. Die anderen Tiere leben dort ganzjährig.
„Johanna und Siegfried verrichten ihre Arbeit im Stall wie ein Schweizer Uhrwerk. Die Hände des Einen spielen dem Anderen perfekt zu. Ganz ohne Zuruf und angefeuert vom Chor aus Muhen und Blöken glücklicher Tiere.“
Bergbauer Ellmauer klopft auf Holz
„Hier fängt alles an! Hier lagern wir unser Holz, mit dem wir das ganze Jahr über unseren gesamten Hof wärmen. Auf jeder einzelnen Scheite klebt sehr viel Schweiß“. 40 Raummeter Holz, das entspricht umgerechnet einer Fläche von drei Einfamilienhäusern, sind notwendig, um den gesamten Thurnergut ein ganzes Jahr lang warm zu halten. Wir stehen vor einem kleinen Verbau, in dem Holz mit akribischer Sorgfalt gestapelt wurde. „Hier beginnt die Reise unserer Freiwilligen, die uns jedes Jahr helfen“, erzählt DI Siegfried Ellmauer, seines Zeichens Alm-Inspektor. Er studierte auf der BOKU Wien Forst- und Landwirtschaft und tritt somit in die Fußstapfen seines Urgroßvaters, der als Holzknecht die meisten Sommer seines Lebens in der Stille des Waldes verbrachte.
Bergbauern sind aus einem anderen Holz geschnitzt
Das macht wohl auch den Erfolg der Bergwaldprojekte des Alpenvereins aus, die bereits Wochen vor Ende der Anmeldefrist komplett ausgebucht sind. BeamtInnen, ProgrammiererInnen, PensionistInnen, Studierende – alle machen mit und erleben Natur pur und das harte Leben eines Bergbauern. Holz schneiden und dieses im flachen Gelände bearbeiten - “das kann fast jeder”, meint Siegfried Ellmauer. Bergbauern sind Härteres gewohnt und deswegen aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. „50 Prozent unserer Kraft verbrauchen wir beim Aufarbeiten eines Baumstammes. Die anderen 50 Prozent brauchen wir, um im steilen Gelände einen festen Stand zu behalten.“
“Je mehr Menschen sich von der Natur entfremden und die meiste Zeit ihres Lebens in geschlossenen Räumen abgeschottet von frischer Luft und grünen Wiesen verbringen, umso mehr sehnen sie sich danach, in der Natur wieder etwas Sinnvolles zu machen. Am besten mit ihren eigenen Händen.“
Wir sehnen uns nach dem Erlebnis Natur
„Und wenn man genau beobachtet, sieht man...“ So leitet Siegfried Ellmauer jedes Mal eine seiner spannenden Geschichten ein, während er uns danach durch seinen Bergwald führt. Jede Story beendet er mit einer Frage, die an uns gerichtet ist. Sehen können wir dabei mit unserem ungeschulten Auge auf den ersten Blick rein gar nichts. Jede Wissensfrage über Wald und Wiese beantworten wir daher mit einem freundlichen Lächeln und einem peinlichen Schweigen. Somit sind wir – ungewollt – sehr repräsentativ für jene Freiwilligen, die bei den Bergwaldprojekten des österreichischen Alpenvereins zum Erhalt und zur Aufforstung heimischer Bergwälder mit vollem Einsatz mithelfen. Die Stiftung Blühendes Österreich unterstützt diese Alpenvereins Projekte zum Schutz unserer Bergwälder.
Idealismus ist niemals hiebreif
Wir stapfen durch firnigen Schnee im teils abschüssigen Gelände und bleiben jedes Mal stehen, wenn Siegfried den Finger in die Höhe streckt und einer seiner gefürchteten „Wenn man genau beobachtet“-Fragen stellt. Er erzählt von Pionierbäumen - der Lärche und dem Kiefer, der Birke und der Vogelbeere - die als besonders genügsame Bäume als erstes einen Bergwald besiedeln, bis sie später von anderen Bäumen verdrängt werden. Er zeigt uns sogenannte Zukunftsbäume, die wegen Stamm und Lage als ausgesprochen vielversprechend gelten. Diese überlässt er seinen Enkelkindern, denn erst dann werden sie wohl mit eta 120 Jahren hiebreif sein.
„Wir Förster und Holzbauern denken in Generationen. Einige Bäume pflegen wir heute für unsere Enkelkinder von morgen. Nachhaltigkeit ist für uns kein Modewort. Es bestimmt unser Leben.“
Siegfried zeigt uns die sogenannten Angsttriebe einer fast toten Esche, die in einem letzten, kraftvollen Aufbäumen um ihr Überleben kämpft. Alleine in den letzten zwei Jahren habe er rund 50 tote Eschen, „Leichen“ wie er sie nennt, aus seinem Wald gezogen. „Mir hat das Herz geblutet“, erzählt er in einem gesetzten Ton, während er einen völlig ausgetrockneten Eschenast zwischen Daumen und Zeigefinger zerbricht. Denn ein vor sieben Jahren eingeschleppter Pilz aus Ostasien ist mittlerweile zu einer großen Bedrohung für unsere heimischen Eschen geworden.
Über Protzer, Weise und andere Bäume
Bauer Siegfried zeigt uns sogenannte Protzer, die den anderen Bäumen kaum einen Platz zum Überleben lassen. Er bleibt in respektvoller Geste vor einem „Methusalem“ Baum stehen, der sicherlich rund 200 Lebensringe zählt. Um eine Altersschätzung abgeben zu können, umarmt Siegfried den Baum und errechnet anhand seiner Armlänge sein ungefähres Alter. Diese Bäume sollen niemals gefällt werden. Auch wenn ihr starkes Holz viel hergeben würde. Nicht alles lebt nur, damit der Mensch seinen Nutzen daraus ziehen kann. Nach dieser Maxime leben Johanna und Siegfried Ellmauer bereits ihr ganzes Leben lang. Und genau daran sollen uns „die Alten“ mit ihren starken Wurzeln und tiefen Furchen erinnern.
Während wir durch die Hänge des Bergwaldes streifen, in dem die ersten Schneerosen aus dem Boden sprießen und Fichtenkreuzschnäbel neben Rehen ihr Zuhause gefunden haben, lauschen wir gebannt Siegfrieds Waldgeschichten. Stolz und aufrecht. Ruhig und zufrieden. So steht er da. Zwischen seinen Pionier- und Zukunftsbäumen, die in seinem Wald wohl gerne ihre Wurzeln schlagen.
Autorin: Mury Vo-Papis
Fotos: Alex Papis