Die Kleintier-Inventur zeigt: Eine artenreiche Vielfalt ist möglich auf einer nachhaltig bewirtschafteten Fläche.
Nach Konrad Lorenz’ Motto „Man schützt nur, was man kennt” wurden 11 landwirtschaftlich genutzte FLORA Flächen (Wiesen, Weiden, Obstplantagen) in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark zum zweiten Mal wortwörtlich unter die Lupe genommen.
Neben der Sensation „Kleiner Pirat” (u.a.) von 2018 kamen 2020 die Raritäten Rotbraune Sackspinne Clubiona saxatilis in Oberösterreich und die extrem seltene Pappel-Weichwanze Brachyarthrum limitatum in der Steiermark ans Licht. Diese Wanzen-Art war in Österreich 100 Jahre verschollen und nur aus historischen Einzelfunden in Niederösterreich und Vorarlberg bekannt.
Naturschutzfachlich interessant sind auch die Nachweise mehrerer hochgradig gefährdeter Arten wie
- Trespenspornzikade
- Trug-Schilfspornzikade
- Schwarzhaar-Troll, eine seltene Wanzen-Art
und 35 Spinnen-Arten, die als gefährdet auf der Roten Liste stehen.
„So erfreulich derartige Nachweise sind, zeigen sie doch den enormen Forschungsbedarf, der nach wie vor besteht. Deshalb sind Monitoring-Projekte wie von Blühendes Österreich ein wichtiges Werkzeug, um die momentan ablaufenden dramatischen Umweltveränderungen zu dokumentieren und in weiterer Folge konstruktiv reagieren zu können“,
so Stephan Weigl, Leiter des Biologiezentrums Linz.
Es krabbelt, zirpt und hüpft: 12.432 Individuen und 355 Arten in vier Tiergruppen nachgewiesen
Die Zahl der beim Monitoring nachgewiesenen Arten auf den elf Untersuchungsflächen der FLORA-Betriebe ist beeindruckend. In Summe wurden im Zuge der Studie 355 Tierarten registriert und 12.432 Individuen erfasst.
- 122 Wanzen-Arten (mit 2.411 Individuen)
- 109 Zikaden-Arten (mit 7.391 Individuen)
- 91 Spinnen-Arten (mit 980 Individuen)
- 33 Heuschrecken-Arten (mit 1.650 Individuen)
Im Gegensatz dazu nehmen Monokulturen den Tieren ihren Lebensraum und weisen eine sehr geringe Artenvielfalt auf.
Vorher - Nachher: Mit gezielten Handgriffen zu mehr Artenvielfalt
Die Wiederholungsstudie, die zum ersten Mal 2018 durchgeführt wurde, zeigt im Vergleich, dass auf gesunden, nachhaltig bewirtschafteten Flächen seltene Arten leben, wie etwa der Schwarzhaar-Troll (eine Wanzen-Art), die Kurzflügelige Schwertschrecke oder die Königskerzen-Blattzikade.
Durch eine neu angelegte Blumenwiese auf ehemaligem Ackerboden wimmelte es in kurzer Zeit an lebendiger Vielfalt. Die Naturschutz-Bemühungen zahlten sich aus und Kleintiere finden einen neuen Lebensraum vor.
„Bei der Vegetation ist es über alle Flächen hinweg zu einer Artenzunahme von zwei Arten pro Fläche gekommen. Die naturschutzfachliche Wertigkeit hat sich bei zwei Flächen von „mäßig“ auf „hoch“ geändert. Dies ist vorwiegend aufgrund der Veränderung des Biotoptyps infolge der geänderten Bewirtschaftung“,
freuen sich die Biologen Klaus Schrefler und Harald Komposch, die gemeinsam mit den engagierten Bäuerinnen und Bauern die standortgerechte Bewirtschaftung festlegen.
Dem dramatischen Insektensterben die Stirn bieten
Marille, Kürbis oder Apfel: Unsere Vielfalt an Lebensmitteln sind von den bestäubenden Insekten abhängig. Geht es Bienen, Schmetterlingen & Co. gut, freut sich Mensch über eine Fülle an Obst und Gemüse.
Auch unscheinbarere Winzlinge sind essenziell: Spinnen, Wanzen, Zikaden und Heuschrecken dienen als Bioindikatoren. Sie zeigen, wie gesund und vital Lebensräume sind. Sie fressen Organismen und stellen ihrerseits die Nahrungsketten für weitere Arten sicher. Eine Vielfalt an Zikaden, Wanzen, Heuschrecken und Spinnen ist die Basis dafür, dass der Kreislauf eines Ökosystems funktioniert.
„Ein Monitoring dieser Art gibt es in Österreich nur sehr selten. Umso wichtiger sind die Ergebnisse nicht nur für die Biodiversitätsforschung, sondern auch für den Insektenschutz und den Erhalt der heimischen Artenvielfalt“,
stellt Dagmar Schratter, Vorstand von Blühendes Österreich und ehemalige Direktorin des Tiergarten Schönbrunn, fest.
Über das Projekt
Zum zweiten Mal hat Blühendes Österreich in Zusammenarbeit mit dem Ökoteam, der ARGE Schrefler-Komposch aus Graz und den motivierten BewirtschafterInnen der Flächen das botanische und zoologische Biodiversitätsmonitoring durchgeführt. Alle zwei Jahre sollen die blühenden, zirbenden, krabbelnden und hüpfenden Bestände erhoben werden.
Die gesammelten Daten bieten anschließend eine solide Basis für weitere Bewirtschaftungsempfehlungen – damit die tierische und pflanzliche Vielfalt wieder aufatmen kann. Mehr Informationen gibt es hier.
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