Am Bio-Hof Mayr-Lamm reift im Sommer köstliches Fruchtgemüse. Hier werden Nachhaltigkeit, alte Sorten und direkte Vermarktung großgeschrieben. Wie man Tomaten in all ihrer Vielfalt anbaut, wie sie schmecken und was den Erfolg biologischer Landwirtschaft ausmacht, kannst du hier nachlesen:
„FAIR LEBEN“ steht auf dem Schild an der Straßenkreuzung. Es zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin, zum Bio-Hof Mayr-Lamm. Auch, dass es beim heutigen Seminar des Vereins Arche Noah in Allhaming vielleicht um etwas mehr gehen wird als um ein paar seltene Gemüsesorten.
Vor Ort werde ich herzlich empfangen und verfalle auch gleich dem Charme des hübschen Hauses mit seinem liebevollen Garten. Im kühlen Seminarraum sitzen wir dann zu neunt an einem Tisch. Neben konventionell und biologisch wirtschaftenden BauerInnen sind auch HobbygärtnerInnen gekommen. Alle wollen wir mehr über die Vielfalt von Fruchtgemüse erfahren und Tipps für Anbau, Ernte und Sortenerhaltung bekommen.
Bio-Paprika und Chilis – scharfes Gemüse im kühlen Bauernhaus
Wir werden nicht enttäuscht! Jan, der Vortragende, blickt auf jahrelange Erfahrung bei der Arche Noah und auf seinen Gärtnerhof „Ochsenherz“ zurück und versorgt uns mit Fachwissen. Heute liegt der Schwerpunkt auf Paprika- und Tomatensorten, die gerade Hochsaison haben. Ein paar Schoten gewaltiger Kuhbohnen, eine exotische Bohnenart aus Afrika, möchte er uns trotzdem nicht vorenthalten. Auch Kürbisse, hellgelbe Zitronengurken und prächtige Melanzani rollen über den Tisch. Die meisten „heimischen” Fruchtgemüse sind Hülsenfrüchtler, Nachtschatten- oder Kürbisgewächse, ruft uns Jan in Erinnerung.
Paprika, Pfefferoni und Chilis! Im Vergleich mit Paradeisern sind Paprika auch leichter lagerfähig und wachsen im Freiland oft besser als im Gewächshaus. Gute Argumente, um auch im Hausgarten auf alte Sorten zurückzugreifen! Eine Diskussion über Verkreuzungen, Sortentrennung und Hybridformen führt uns zur Saatgutvermehrung. Die ist Jan, genauso wie der Arche Noah und ihren Partnerbetrieben, ein ganz besonderes Anliegen.
Sauberes Saatgut aus dem eigenen Beet
Mindestbestand, räumliche Trennung von Sorten, Auslesekriterien - wer seine Gemüsesorten selbst vermehren will, hat einiges zu beachten! Außerdem muss man Geduld haben und die Früchte an den Pflanzen wirklich ausreifen lassen. „Saatgutreife und Genussreife sind nicht dasselbe.“ Aufschluss darüber, ob die Samen reif genug sind, gibt aber ohnehin die sogenannte Nassreinigung: Jan macht es vor: Schwemmt man Samen mitsamt etwas Fruchtfleisch in Wasser auf, sinken die reifen Samen bald zu Boden, während die ungeeigneten oben schwimmen.
Tomatensorten zur Verkostung – köstliche Raritäten
Schon sind wir bei den Paradeisern, Paradiesäpfeln oder Liebesäpfeln, den eigentlichen Stars des Tages. Über 600 Tomatensorten hat die Arche Noah in ihrer Samenbank! Wir staunen, dass dieses so viel verwendete Gemüse in Mitteleuropa eigentlich erst seit dem 20. Jahrhundert im größeren Stil angebaut wird. Viel Wärme und Nährstoffe brauchen die Pflänzchen. Feuchtigkeit macht hingegen oft Probleme. Ganz zu schweigen von Schädlingen und Krankheiten. Dem Tabakmosaikvirus, der Blütenendfäule oder dem Grünkragen sind zum Glück jene Paradeiser entkommen, die wir verkosten dürfen!
Insgesamt stehen 24 Tomatensorten bereit und wir naschen uns durch die knallbunte Vielfalt: Ananas-Tomate, Weißer Pfirsich, Berner Rose, Indische Violette, Green Zebra, Dattelwein und viele mehr. Ihre Namen und Farben sind genauso unterschiedlich wie der Geschmack. Zur sensorischen Beschreibung füllen wir Tabellen aus. Persönlich hat es mir die unglaublich aromatische Sorte Evergreen angetan!
Zu Gast am Hof der Tomaten-Königin
Am Nachmittag übernimmt Margit vom Fairleben-Hof die Bühne und bestreitet ein beeindruckendes Heimspiel. Wer bislang nicht vom biologischen Landbau oder alten Tomatensorten überzeugt war, ist innerhalb von Minuten bekehrt! Seit 10 Jahren betreibt sie mit ihrem Mann den Anbau von Tomaten und anderem Gemüse als Vollerwerb. „Ursprünglich wollten wir nur das elterliche Gewächshaus nutzen und einmal schauen …“. Die Nachfrage nach Bio-Gemüse im Einzugsgebiet von Linz, Wels und Steyr hat sie selbst überrascht, gibt Margit zu.
Bald kam der kleine Betrieb mit seinen Ständen auf den regionalen Wochenmärkten nicht mehr mit der Produktion nach. Weitere Gewächshäuser wurden errichtet und einige Teilzeitarbeiter angestellt. Doch anstatt in die Wachstumsfalle zu tappen, entschied sich das Paar Mayr-Lamm für die Konsolidierung ihres kleinen Erfolgs. Man gab Wissen weiter, teilte die Marktstände mit anderen Bio-Bauern und Bio-Bäuerinnen und motivierte die KundInnen, ihr eigenes Gemüse zu ziehen. „Unsere Freizeit war uns auch wichtig“, sagt Margit. Ich muss schmunzeln. Schwer vorstellbar, dass sich diese Frau einen Lenz macht. Prompt erzählt sie von der Vermarktung der Jungpflanzen, der wöchentlichen Bio-Buschenschank und den Kochkursen, zu denen sie einlädt.
Ernteberge im Gewächshaus – wo die schönsten Paradeiser reifen
In den Gewächshäusern ist es luftiger als befürchtet und die Tomatenpflanzen stehen trotz der Hitze gesund und stramm. Dazwischen gedeihen Auberginen, Paprika und Malabar-Spinat. Die Nachteile des Bio-Gemüseanbaus? „Der Ernteberg!“, antwortet Margit. Während moderne Sorten über lange Monate gleichmäßig Früchte produzieren, konzentriert sich bei alten Tomatensorten die Ernte auf einige Wochen. „Ich bestimme, wann meine Kunden einkochen müssen“, ruft die Landwirtin triumphierend.
Auch der Kollege Jan ist beeindruckt. Man kennt sich, sitzt gemeinsam in Arbeitsgruppen der Arche Noah, beispielsweise zur Selektion der besten Tomatensorten für den Bio-Anbau im Freiland. „Primabella“, sagt Margit stolz und führt die Gruppe noch auf eine Parzelle, die unter der Sonne brütet. Hühner gackern, Insekten summen und auf dem Feld nebenan wird gerade das Getreide eingefahren.
Nachhaltigkeit & Kooperation
Im hochsommerlichen Idyll ist es spät geworden. Dennoch könnte ich die Gespräche über Tomatensorten, Direktverkauf und Saisonalität noch lange weiterführen. Heute habe ich nicht nur viel über Fruchtgemüse erfahren, sondern auch Menschen kennengelernt, die ihre Leidenschaft in eine gute Sache investieren. Viele Bauern, Bäuerinnen und GärtnerInnen tragen heute zum Erhalt der Vielfalt bei, schützen die Natur und versorgen ihre Kunden mit gesunden Produkten. Sie sind keine verschrobenen Aussteiger, sondern erfolgreiche Bahnbrecher einer nachhaltigen, kooperativen und regional orientierten Landwirtschaft.
Margit schließt mit einem Satz, der noch lange nachhallen wird: „Wir leben in einer neuen Zeit!“
(Bericht & Bilder: Stefan Agnezy)
Wenn du auf den Geschmack gekommen bist und dich für alte Tomatensorten und biologisch produziertes Obst & Gemüse interessierst, besuche selbst eine Veranstaltung!
Der Kalender der Arche Noah ist randvoll mit interessanten Terminen.
Außerdem: Hast Du einen Gemüsegarten, lass dir das Jungpflanzen-Fest des Bio-Hofs FAIRLEBEN nicht entgehen! Es findet jedes Jahr am letzten April-Wochenende statt.