Die folgenschweren Eingriffe in die Ökosysteme beeinträchtigen nicht nur die tierische und pflanzliche Artenvielfalt, sondern schaden auch dem Menschen selbst – etwa durch vermehrte Überschwemmungen und den Verlust wertvoller Naherholungsgebiete. Diese zehn Projekte setzen sich dafür ein, die Opfer der Rodungs- und Verbauungswut zu heilen und den einstigen Naturoasen eine neue Chance auf ein artenreiches und lebendiges Morgen zu geben!
1Untere March Auen atmen wieder auf
Die March und deren charakteristische Auwälder und -wiesen sind Europas größte und ökologisch wertvollste Auenlandschaft. Aufgrund von Regulierungs- und Intensivierungsmaßnahmen im vergangenen Jahrhundert wurde dem Fluss jedoch seine Natürlichkeit geraubt. Zahlreiche Überschwemmungen und eine Verarmung der Biodiversität sind die Folgen. Jetzt stellt das 3,5-Millionen-Euro-Projekt „Life-Projekt Untere March-Auen“ die natürliche Flussdynamik wieder her.
Neben Wasserbaumaßnahmen (Regulierungsbauwerke werden geöffnet, Querwerke zurückgebaut) bekommt die March wieder 5,3 km der einst abgetrennten Seitenarme zurück. Im Auvorland werden Äcker in Wiesen umgewandelt und neophytische Arten wie der Eschenahorn entfernt, um Platz für heimische Pflanzen zu schaffen. Für gefährdete Vogelarten wie Eisvögel, Störche, Milane oder Flussseeschwalben sollen geeignete Brutplätze gesichert werden.
2Wiedergeburt naturnaher Flüsse in Wien
Vom steinernen Rinnsal zur vitalen Naturoase. Der vormals triste Wienfluss wurde zur Freude der AnwohnerInnen reanimiert: Die Pflasterung wurde abgetragen, der Fluss mit Schotter und Steinen gefüllt, Tiefstellen für Flusskrebse, Fische und Kleinstlebewesen gegraben sowie Barrieren für eine reibungslose Fischpassierbarkeit entfernt.
So leben jetzt nach der erfolgreichen Renaturierung von 2013 acht Fischarten, darunter sogar Bachforellen, aber auch Koppen und Elritzen, sowie 60 Arten wirbelloser Tiere im Abschnitt zwischen Nikolaisteg und Halterbachmündung.
Auch das Schicksal des Liesingbachs wurde auf 9 km Flusslänge wieder in die Hände der Natur gelegt. 1996 wurden bereits Pflasterungen mittels Bagger abgetragen, sogenannte Kolken (Vertiefungen im Fluss) gegraben sowie Böschungen bepflanzt und Hindernisse für die Fischwanderungen entfernt. Geplant sind weitere 9 km des Liesingbachs naturnah umzugestalten.
3Think Big: Renaturierung Traisen
Mit der Flussbausünde an der Traisen vor 40 Jahren für das Donaukraftwerk Altenwörth tut Mensch heute mit der größten Renaturierungsmaßnahme Österreichs wieder Buße. Der vormals monotone und begradigte Fluss reichte von Auwörth bis nach Zwentendorf und bot nur noch wenigen Tieren und Pflanzen ein Zuhause. Mit dem 30 Millionen Euro Projekt wurde die Traisen mit ihren facettenreichen Auenlandschaften und der Donau wieder verbunden, Barrieren für die 60 Fischarten der Donau aus dem Weg geräumt und eine lebendige Auenlandschaft mit einer Größe von über 150 Hektar mit Leben wachgeküsst.
4"Au, ja" – das LIFE-Projekt „Salzachauen“
Die Salzach-Auen zwischen Anthering und St. Georgen bei Salzburg zählen zu den artenreichsten und ökologisch wertvollsten Landschaften Salzburgs. Doch durch menschliche Eingriffe, wie die Umwandlung natürlicher Auwälder in Monokulturen und das Ausbleiben regelmäßiger Überschwemmungen, gerieten seltene Tierarten in Gefahr. Um ihr Überleben zu sichern und die einzigartige Auenlandschaft zu schützen, wurde von 2015 bis 2020 das LIFE-Projekt Salzachauen ins Leben gerufen, um dieses Naturparadies zu bewahren.
Ein konkreter Schritt war die Rodung eines Fichtenwaldes im September 2017, um Platz für eine weiche Au zu schaffen. Seit Dezember 2017 werden elf Hektar eintöniger Fichtenforste behutsam in artenreiche Auwälder umgewandelt, um unter anderem Tiere wie den Pirol nicht zu stören.
5Waldrenaturierung im Nationalpark Thayatal
Der Nationalpark Thayatal ist mit seinen 13,3 Quadratkilometern zwar der kleinste Nationalpark Österreichs, beherbergt jedoch mit 1.300 Pflanzenarten etwa die Hälfte der österreichischen Flora. Neben der scheuen Wildkatze bietet er auch dem Schwarzstorch, acht Spechtarten und vielen weiteren gefährdeten Tierarten ein wertvolles Refugium. Bis zu 90 % der Fläche sind bewaldet. Zur Jahrtausendwende wurde das reiche Ökosystem genauer untersucht, und die Baumarten auf der österreichischen Seite wurden erhoben. Das Ergebnis: Rund vier Fünftel der Waldflächen wiesen naturnahe Bestände auf, während etwa ein Fünftel als nicht heimisch oder nicht standortgerecht eingestuft wurde – ein Resultat intensiver Forstwirtschaft. Doch ab diesem Zeitpunkt war Schluss mit monotonen Fichtenwäldern!
Der Nationalpark Thayatal hat es sich zum Ziel gesetzt, die menschlichen Eingriffe in die Wälder rückgängig zu machen und die natürliche Kreislaufwirtschaft zwischen Tieren und Pflanzen wiederherzustellen. Neophyten wie Robinien oder Douglasien werden per Hand geringelt, sodass sie langsam absterben, oder mithilfe von Motorsägen gefällt. Neben der Nutzung moderner Geräte wie Harvester, Forsttraktoren und Kranwägen in Fichtendickungen kommen beim Abtransport des standortfremden Holzes auch vereinzelt Pferde zum Einsatz.
6Ottensheim-Wilhering: Europas längste Fischwanderhilfe
Den Fischen unter die Flossen greifen: Das haben sich das EU Life+ Programm und der VERBUND zur Aufgabe gemacht und 2015 mit dem Bau eines 14,2 Kilometer langen Umgehungsarms begonnen. Damit können die schuppigen Bewohner der Donau endlich wieder das Kraftwerk Ottensheim-Wilhering passieren! Doch der Umgehungsarm ist weit mehr als nur ein praktischer Transfer: Durch die naturnahe Gestaltung der Renaturierungsmaßnahme profitieren Tiere und Pflanzen im und um das Gewässer. Kolken, Furten und beschauliche Buchten schaffen ein vielfältiges und lebendiges Flussökosystem, das zu einem artenreichen und dynamischen Lebensraum einlädt.
7Bleistätter Moor: Hier kommt die Flut
Das Bleistätter Moor am Ossiacher See erlebt 90 Jahre nach seiner Trockenlegung und landwirtschaftlichen Nutzung ein beeindruckendes Comeback – und mit ihm kehrt auch das ursprüngliche ökologische Gleichgewicht zurück, inklusive eines saubereren Ossiacher Sees.
Die Sanierung des 60 Hektar großen Moors hat zehn Millionen Euro gekostet und zwei Jahrzehnte in Anspruch genommen. Der Höhepunkt der Renaturierung wurde im vergangenen Jahr erreicht, als die ausgebaggerten Naturflächen geflutet wurden. Nun erhalten Pflanzen und Tiere ihre wertvollen und seltenen Feuchtlebensräume zurück.
Heute erstrahlt das Naturjuwel in neuem Glanz. Großvögel wie der Uhu haben sich bereits angesiedelt, und auch Wasserpflanzen gedeihen verstärkt im Ossiacher See. Das Moor fungiert als natürliches Pufferbecken, indem es Phosphor und Schwefel filtert und so das Algenwachstum im See effektiv eindämmt.
8Naturjuwel Inn darf wieder funkeln
Nachdem das Hochwasser des Inns im Jahr 2005 erhebliche Schäden verursachte, wurde der Handlungsbedarf für den stark verbauten und begradigten Tiroler Fluss offensichtlich. Erst dieses Jahrhunderthochwasser schuf das Bewusstsein, dass ein Fluss ohne Seitenarme und Auen ein erhebliches Risiko darstellt. Das vom Land Tirol und dem WWF initiierte Projekt „Unser Inn“ soll dem Fließgewässer wieder mehr Raum geben – durch ein aufgeweitetes Flussbett, Sandbänke, Auen und Auwälder.
Der Inn, ein 500 Kilometer langer Fluss, der durch die Schweiz, Österreich und Deutschland fließt, ist heute nur auf 1 % seiner Strecke in einem ursprünglichen Zustand. Auf den restlichen 99 % dominieren lebensfeindliche Verbauungen, Begradigungen, Ausleitungen und künstliche Aufstaubecken.
Die Eingriffe des Menschen haben schwerwiegende Auswirkungen: Von den ursprünglich 31 in Tirol vorkommenden Fischarten sind nur noch zwei übrig. Neben Renaturierungsmaßnahmen setzt der WWF deshalb regelmäßig Jungfische aus, um die Populationen zu stärken. Bis 2020 soll sich der Inn von den menschlichen Eingriffen erholt haben und wieder zu einem reichen und lebendigen Naturraum werden.
"Wir können die Natur nicht kontrollieren und Gewässer dämmen, das Wasser verschwindet ja nicht, nur weil man einen Damm baut." – Gabór Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Austria
9Entfesselung der Wulka und Pinka im Burgenland
Auch an der Wulka machten sich 2016 Bagger ans Werk, um den verbauten Fluss zu renaturieren – mit erfreulichen Ergebnissen: Die wilde Wulka dient nun als natürlicher Hochwasserschutz, Fische können wieder den Bereich der Pieler Mühle passieren, und die Bevölkerung profitiert von einem wertvollen Naherholungsgebiet.
Ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Verbindung von Hochwasserschutz, Naturschutz und Erholungswert zeigt die Gemeinde Oberwart mit dem Projekt „Renaturierung der Pinka“. Das 2,4-Millionen-Euro-Projekt schützt nicht nur die Bevölkerung vor Hochwasserfluten, sondern gibt dem einst gekürzten und begradigten Fluss die Freiheit zurück, sich durch die Landschaft zu schlängeln. Zudem ermöglicht es den Fischen, barrierefrei flussaufwärts zu schwimmen, und trägt so zu einem lebendigen Ökosystem bei.
10Wiederaufstehung der Salzlacken bei Apetlon
Ein Rettungsanker für die gefährdeten Salzlacken ist das Renaturierungsprojekt an der Langen Lacke bei Apetlon im Burgenland. Diese wohl berühmteste Lacke des Seewinkels ist ein wichtiger Rastplatz für tausende Wildgänse auf ihrem Vogelzug. Zudem beherbergt sie seltene Vogelarten, die an Salzböden oder salzige Lacken gebunden sind, wie den Säbelschnäbler, den Seeregenpfeifer, den Stelzenläufer und die Weißbartseeschwalbe.
Da die Lacke in den vergangenen Jahren immer häufiger auszutrocknen drohte, wurden gezielte Maßnahmen ergriffen, um den Wasserhaushalt zu stabilisieren. Mithilfe von Wehren und Rückhaltebecken an ausgewählten Stellen in den Kanälen wird der Wasserstand nun nachhaltig reguliert.