Mit insgesamt etwa 1.200 Arten, davon 29 in Österreich, sind Blutströpfchen eine vielfältige Familie. Sie lassen sich in zwei sehr unterschiedliche Gruppen einteilen, global sind es sogar fünf Unterfamilien.
Die Rotwidderchen oder Blutströpfchen im engeren Sinne sind auffallend schwarz-rot oder orange gefärbt, oft mit der namengebenden blutstropfenförmigen Zeichnung und besitzen keulenförmig verdickte Fühlerenden. Die einheimischen Grünwidderchen hingegen sind metallisch grün-blau gefärbt mit teils gefiederten Fühlern. Ein gemeinsames Merkmal für alle Arten sind die in Ruhestellung widderartig nach vorne abstehenden Fühler.
Tagaktiv und doch keine Tagfalter
Viele aufmerksame Nutzer der Schmetterlingsapp von Blühendes Österreich haben Widderchen schon tagsüber beobachtet und abgelichtet, sind aber an der Bestimmung gescheitert, denn die Familie fehlt bisher in der App, es sind nämlich keine Tagfalter.
Im Sommer sind sie zwar gemeinsam mit der Mehrheit der Tagfalter eine typische Gruppe vor allem magerer Blumenwiesen und die Falter saugen ebenso gerne im prallen Sonnenschein an unterschiedlichen Pflanzen wie Skabiosen, Flockenblumen etc.
Tatsächlich sind Widderchen bis auf vereinzelte Sichtungen von Gründwidderchen ausschließlich tagaktiv. Sie gehören aber trotzdem nicht zu den Tagfaltern und unterscheiden sich von diesen durch die niemals knopfförmig verdickten Fühlerenden sowie die in Ruhestellung nicht nach oben geklappten, sondern über den Hinterleib nach hinten gelegten Flügel. Also, keine Tagfalter, sondern eigentlich tagaktive Nachtfalter, wenn man diesen Begriff verwenden möchte.
Ein auffälliger Unterschied zu den Tagfaltern ist auch das Verhalten der Widderchen. Die Falter sitzen meistens träge auf den Blüten und lassen sich vergleichsweise leicht fotografieren. Warum sollten sie auch permanent „auf der Flucht“ sein? Die Signalfarbe der Falter ist eine deutliche Warnung an potentielle Fressfeinde:
Vorsicht, ich bin giftig!
Achtung Blausäure!
Giftige oder zumindest ungenießbare Schmetterlinge finden sich in einigen Familien, unter anderem bei vielen Bärenspinnern. Eine weit verbreitete Strategie ist bei den meisten Arten die Aufnahme von Pflanzengiften über die Raupennahrung und die Ablagerung oder Neutralisierung dieser Stoffe im Körper. Vor allem sekundäre Pflanzenstoffe mit blausäurehaltige Zuckerverbindungen, die sogenannten cyanogenen Glykoside, spielen hier eine wichtige Rolle und machen die Tiere weitgehend ungenießbar.
Auch die Blutströpfchen nutzen solche cyanogene Stoffe zur Feindabwehr. Im Gegensatz zu anderen Schmetterlingsgruppen schaffen sie es aber, diese Verbindungen selber aus Aminosäuren zu synthetisieren und in Folge zu spalten. Das Ergebnis: Freisetzung der tödlichen Blausäure! Um umgekehrt einer suizidalen Vergiftung zu entgehen, hilft gleichzeitig ein Blausäure abbauendes Enzym. Die Gefährlichkeit des Giftes hat u.a. die aus dem berühmten Adelsgeschlecht stammende Miriam Rothschild im Selbstversuch getestet und nur knapp überlebt ...
Nicht nur die Falter der Zygaenidae sind giftig, sondern alle Entwicklungsstadien. Selbst die Eier atmen bereits Blausäuredämpfe aus! Auch die Raupen zeigen, analog zu den Faltern, ihre Ungenießbarkeit deutlich durch eine oft gelb-schwarze oder leuchtend grüne Warnfarbe. Bei Gefahr werden sogar über spezielle Organe cyanidhaltige Tropfen abgesondert. Kein Vogel wird sich an so einer Beute lange freuen.
Geradezu naheliegend findet dieses Erfolgsrezept auch Trittbrettfahrer, die Widderchen gekonnt nachahmen und somit ähnlich gut vor Fressfeinden geschützt sind. Diese als Bates´sche Mimikry bezeichnete Strategie nutzt das in Österreich weit verbreitete Scheinwidderchen, eine in keiner Weise verwandte Art der Eulenfalterartigen Schmetterlinge.
Weshalb die Falter hochgradig gefährdet sind
Trotz ihrer genialen Strategie der Feindabwehr zählen Widderchen zu den hochgradig gefährdeten Schmetterlingen. Waren Blutströpfchen noch vor wenigen Jahrzehnten eine beinahe alltägliche Erscheinung, sind sie zuletzt massiv im Rückgang und an vielen einstigen Fundplätzen verschwunden.
Die Ursachen finden sich vor allem in der hoch spezialisierten Lebensweise der meisten Arten mit enger Bindung an Trockenrasen und Magerwiesen. Die Mehrzahl der Raupen lebt nämlich an Schmetterlingsblütlern und somit von typischen Pflanzen einst weit verbreiteter artenreicher Blumenwiesen und Weideflächen. Düngung und intensivierte Landnutzung haben gerade bei diesem Lebensraumtyp zu einem enormen Rückgang geführt und gleichzeitig einem Schwund der Widderchen bis hin zu regionalem Aussterben vieler Arten.
So fehlen zunehmend Futterpflanzen für die Raupen, Saugpflanzen für die Falter, oder es werden z.B. durch die großflächige Mahd im großen Stile an Halmen angebrachte Kokons mit ihren Puppen vernichtet. Vertreter der Widderchen scheinen nach Untersuchungen der Tiroler Landesmuseen aber auch extrem empfindlich auf Umweltgifte wie Spritzmittel im Obstbau zu reagieren und verschwinden sogar in scheinbar intakten Lebensräumen.
Durch diese Sensibilität eignen sich Rot- und Grünwidderchen daher ganz hervorragend für die Zustandsbewertung von Lebensräumen – geht es dem Widderchen gut, ist die umliegende Natur gesund!