In der Tierwelt sind die meisten Eier schlicht eiförmig und farblich eher unauffällig. Nicht so die Schmetterlingseier. Ihre enorme Vielfalt lässt uns staunen. Warum die Evolution gerade hier so kreativ war? Versuch es mit mir zu ergründen!

Eintönige Eiförmigkeit?

Wenn wir an „Tier-Eier“ denken, fallen uns wahrscheinlich zuerst Vogeleier ein. Andere denken vielleicht an Reptilieneier von Schildkröten, Krokodilen oder Schlangen, manche auch an Schneckeneier, die wir selbst im Gemüsebeet entdeckt haben.

Von der Form unterscheiden sich unsere Ei-Bilder im Kopf dabei wahrscheinlich wenig. Denn unzählige sind schlicht eiförmig oder kugelig mit glatter Oberfläche. Bei Vögeln gibt es vom winzigen Hummelkolibri- bis zum riesigen Straußenei kaum Unterschiede in der Form.

Tier-Eier, die vergraben oder wie bei Amphibien im Wasser abgelegt werden, können nicht wegrollen. Sie sind meist kugelrund. Eier von Vögeln, insbesondere von Bodenbrütern sind eiförmig, damit sie nur um sich selbst rollen. In den Boden gelegte Eier sind meist weiß, oberirdisch gelagerte zur Tarnung häufig bräunlich oder grün gesprenkelt.  

Der langen Rede kurzer Sinn: Eier sind rein äußerlich betrachtet nicht rasend spannend. Oder doch?

Tja, es gibt Ausnahmen. Und Schmetterlingseier gehören bestimmt dazu. Einige wirken tatsächlich wie zwei Millimeter große Hühnereier, wie zum Beispiel die des Wiener Nachtpfauenauges. Für Schmetterlingseier übrigens eine stattliche Größe, denn bei einigen Arten beträgt der Durchmesser kaum einen halben Millimeter.

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Raupen des Wiener Nachtpfauenauges beim Schlüpfen aus den Eiern
Eier des Osterluzeifalters

Dann gibt es eine Reihe von Falterarten, welche wie viele Reptilien kugelrunde, schneeweiße Eier produzieren. Dazu gehören auch heimische Ritterfalter wie Schwalbenschwanz, Segel- und Osterluzeifalter. Die Eier letzterer Art gleichen bei entsprechender Vergrößerung übrigens schimmernden Perlen.

Wer die schon genannten Faltereier kennt, hat trotzdem noch keine Vorstellung von ihrer prinzipiellen Vielgestaltigkeit. Doch zum Glück gibt es einige wenige Makrofotografen, die sich gezielt auf die Suche nach diesen winzigen Kunstwerken begeben. Einer davon ist Alexander Ohr aus dem nördlichen Bayern. Schon ganz jung hat ihn die Schmetterlings-Leidenschaft gepackt und seine Eltern haben es nicht abgetan, sondern unterstützen ihn. Ohne ihre gemeinsamen Familieneinsätze wäre dieser Artikel sicher nur halb so spannend. Deshalb hier gleich vorweg ein großes Dankeschön für ihre wunderschönen Fotos!

Denn es bedarf mühsamer, tagelanger Suche, um diese winzigen Pünktchen in unzugänglichen Astgabeln oder auf Blattunterseiten in Baumkronen oder auf niedrigen Wiesenkräutlein zu entdecken. Nur selten hat man das Glück, einen Falter bei der Ablage zu beobachten. Hat man schließlich ein Ei(gelege) entdeckt, braucht es nochmals viel Geduld, um es achtsam und ohne Entnahme in den Fokus der besten Makroobjektive zu rücken. Wer wie Familie Ohr diese Mühen auf sich nimmt, eröffnet uns aber mit einem Mal ein kleines Universum formvollendeter Schönheit. Mich jedenfalls bringt die Vielfalt der Farb- und Formgebung mit ihren teilweise hochkomplexen Strukturen zum Staunen.

Und so habe ich mich beim Betrachten schließlich gefragt, warum die Evolution gerade bei den Schmetterlingseiern so ungewöhnlich kreativ war. Eine schnelle Recherche im Internet brachte zu meinem Frust keinerlei Ergebnis. Also begann ich kurzerhand, diverse Schmetterlingsexperten zu kontaktieren. Zum besseren Verständnis ihrer Überlegungen sollten wir aber erst einmal tiefer in die Welt der Schmetterlingseier eintauchen.

Paarung ohne Befruchtung

Bei manchen Weibchen, wie zum Beispiel von Nachtpfauenaugen oder Nagelfleck, ist der dicke Hinterleib bereits beim Schlüpfen prall gefüllt mit befruchtungsfähigen Eiern. Bei anderen Arten wiederum ist eine Nahrungsaufnahme unerlässlich für die Eireifung. Wenn man nun zufällig in der Natur eine Falterpaarung entdeckt, mag man annehmen, dass die Eier dabei befruchtet werden. Doch das ist falsch. Vielmehr wird das männliche Spermienpaket, die Spermatophore, vom Weibchen in eine Spermavorratstasche aufgenommen, die sogenannte Spermatheka. Manche Arten speichern es dort wochenlang, bevor die ersten Eier gelegt werden. Erst beim Legeprozess selbst wird das Ei mit dem Sperma in Kontakt gebracht und diffundiert über eine nabelförmige Ausbuchtung, die Micropyle, ins Innere des Eis. Dann erst ist es befruchtet.

Alle Eier haben eine Schale aus Chitin, Chorion genannt, sowie Poren für die Sauerstoffzufuhr, die Aeropylen. Die Schale wird bei manchen Arten im Laufe der Raupenentwicklung durchsichtig, wie es auch bei vielen Puppen vor dem Schlüpfen der Fall ist. Da man die Raupe immer mehr durchscheinen sieht, verfärbt sich das Ei schrittweise. Wenn das Ei nicht überwintert, schlüpft das Räupchen zumeist nach ein bis drei Wochen, abhängig von Art und Wetterbedingungen. Manche fressen die Eischale als erste Energiequelle auf. Dabei wird vielleicht auch das Mikrobiom der Mutter übernommen.

Eiabwürfe im Flug

Je nach Art werden vom einzelnen Weibchen 20 bis über 20.000 Eier gelegt, damit sich am Ende ein weiteres Schmetterlingspärchen erfolgreich vermehrt. Welchen Grund haben diese extremen Unterschiede? Laut Dr. Peter Huemer könnten sie auch mit der artspezifischen Sorgfalt zusammenhängen, mit welcher die Eier auf den möglichst optimalen Platz gelegt werden. Denn die Überlebensfähigkeit der Raupen nimmt durch diese Sorgfalt zu und es reichen für den Fortbestand der Art dann auch weniger Eier aus.

Die Form der Eiablage ist je nach Art tatsächlich sehr unterschiedlich. Manche Falter legen pro entdeckter Futterpflanze nur jeweils ein Ei ab, andere verteilen die Eier grüppchenweise, wieder andere legen sie alle gemeinsam als Eihaufen oder flachen Eispiegel ab.

Die auf Blätter und Zweige gelegten Eier müssen auf jeden Fall Wind und Wetter trotzen, ohne abgespült zu werden. Die vom Weibchen dafür produzierten Klebstoffe sind teilweise äußerst effektiv. Die schon leeren Eischalen der Nachtpfauenaugen haften in meiner Zucht auch noch nach Jahren fest an den Zweigen. Der dies vollbringende Klebstoff ist vielleicht auch einmal eine chemische Untersuchung wert. Einige Arten bekleben die Eier zum Schutz vor Austrocknung und Nässe auch noch mit den eigenen Körperhaaren, wie man in der Fotogalerie sehen kann. Bei manchen neotropischen Arten (z.B. der Gattung Hylesia) sind diese Afterhaare sogar giftig und somit ein äußerst wirksamer Schutz vor Fressfeinden.

Fast immer werden die Eier auf eine passende Futterpflanze der Raupen platziert. So müssen sich die Raupenwinzlinge nicht auf die mühsame und wenig erfolgversprechende Suche nach der passenden Pflanze begeben, sondern können gleich zu fressen beginnen. Einige Arten, wie die hübschen „Schachbrett-Damen“ werfen ihre Eier aber auch einfach im Flug ab.  Letztere können sich diese Sorglosigkeit auch deshalb leisten, weil die Räupchen Gräser fressen. Wo immer die Eier in der Wiese landen mögen: die Chance, einen passenden Grashalm zu finden, ist auch für einen frisch geschlüpften Raupenwinzling zumindest gegeben. Die Art der Eiablage bestimmt am Ende auch, ob die Raupen von Beginn an vereinzelt leben oder verschieden lange Lebensphasen lieber Geselligkeit bevorzugen.

Insgesamt ahnt man an den durchschnittlich gelegten Eimengen aber auch, welch wichtige Nahrungsquelle Raupen für viele andere Tiere sind.

Feindliche „Eier ins Ei“-Leger

Man glaubt es kaum, aber auch winzige Schmetterlingseier haben Feinde. Und dabei meine ich nicht nur diverse Pflanzenfresser, welche die Eier zufällig mitverspeisen, sondern winzige Eiparasiten. Sie können die Schmetterlingseier riechen und stechen sie an, um buchstäblich Eier ins Ei legen. Dazu gehören z.B. einige Erzwespen. Die Allerkleinsten sind dabei nur ein Fünftel Millimeter lang. Manche sind in punkto Wirts-Eier breit aufgestellt, andere sind wählerisch und auf bestimmte (Ei)Arten spezialisiert.

Nun denn. Nachdem wir jetzt mehr über diese kleinen Kunstwerke wissen, können wir uns nochmals der Frage zuwenden, warum sie so vielgestaltig und aufwändig strukturiert sind. Die wichtigste Antwort zuerst: Wir wissen es nicht, denn es gibt dazu bisher kaum Studien.

Evolutionsbiologen zuhören

Aber unsere mit der Schmetterlingswelt befassten Evolutionsbiologen Univ.-Prof. Harald Krenn und Univ.-Prof. Konrad Fiedler haben es trotzdem gewagt, ein paar mögliche Erklärungen anzudenken. Zum Abschluss seien einige ihrer Überlegungen hier zusammengefasst.

  • Während Vögel ihre Eier wärmen und beschützen und Reptilien sie in schützende Erdhöhlen legen, sind Schmetterlingseier unbewacht, ungeschützt und dennoch empfindlich. Sie können austrocknen oder bei großer Nässe verpilzen. Unter Wasser gesetzt erstickt das Räupchen im Ei. Hier können komplexe Oberflächen-Strukturen einerseits das Abperlen von Wasser erleichtern und andererseits geringe Mengen Feuchtigkeit speichern.
     
  • Eine abgeflachte Basis ermöglicht einzeln abgelegten Eiern mehr Bodenhaftung.
     
  • Eier, die gemeinsam als Haufen gelegt werden, haften zudem wohl besser aneinander, wenn sie nicht kugelrund, sondern beispielsweise gerippt sind.
     
  • Auch zur größeren Vielfalt an Farben lässt sich etwas sagen. Denn da gezielt angreifende Feinde wie Erzwespen nicht nach dem Aussehen gehen, sondern „einen Riecher“ für die Eier haben, ist optische Tarnung eher selten ein Argument. Knallig gelb auf grünem Untergrund zu sein, wie zum Beispiel die Eispiegel des Großen Kohlweißlings, lockt also keine spezifischen Feinde an.

Insgesamt gibt es hier jedenfalls noch viel Stoff für Untersuchungen, um weitere Rätsel zu lösen. Und wer weiß, vielleicht entdeckt man dabei durchaus auch Zusammenhänge, die uns selbst zu neuen technischen Entwicklungen anregen. Es wäre nicht das erste Mal.

Das Schlusswort meines Artikels möchte ich jedoch Dr. Josef Pennerstorfer geben. Er meinte lapidar,

"Nicht jede Struktur und Farbgebung in der Natur muss einem Zweck dienen."

Schließlich werden wir auch den genauen Sinn von jedem der zehntausenden Flügelmuster unserer bunten Falterwelt niemals ergründen können. Auch wenn manche sich eindeutig tarnen, andere uns mit rotschwarzem Farbenkleid warnen und wieder andere uns mit Augen erschrecken: die schiere Unzahl an Farben, Formen und Mustern bleibt immer auch ein wenig Laune der Natur. Und so werden wir wohl auch die Geheimnisse rund um die Vielfalt der Schmetterlingseier niemals vollständig ergründen. Doch wer weiß, vielleicht hat für uns Naturverliebte genau das den größten Reiz. 

Und wenn du beim Gestalten Deines Gartens auch Lebensräume für Eier, Raupen und Puppen schaffen möchtest: Hier findest du die besten Futterpflanzen, auf die Falter ihre kleinen Eikunstwerke legen können.

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