Eine Gruppe an Freiwilligen trifft sich bereits seit 10 Jahren für denselben Zweck. Sie wollen dem Eisvogel die Brut erleichtern.
Kaum zu übersehen ist sie, die Zikkurat-Welle. Während der Anreise erblickt man sie einen Moment lang aus der Vogelperspektive und sieht, wie sie sich in der weitläufigen Flusslandschaft ausbreitet. Wie eine gräserne Schnecke ragt sie hier in Selkach an der Drau aus dem Wasser. Die Personen, die sich heute hier versammelt haben, sind etwas schwieriger zu entdecken. Kein Wunder, denn schon seit acht Uhr früh schwingen sie, eng an lehmige Wände an der Uferböschung gedrückt, ihre Schaufeln.
Jedes Jahr versammeln sich hier rund 10 bis 15 Freiwillige, eine gemischte Gruppe aus Biologen, Naturschutz-Interessierten und Zivilbevölkerung. „Heuer ist ein besonderes Jahr“, sagt Organisator Werner Petutschnig von BirdLife Kärnten, „wir feiern das 10-jährige Jubiläum der Aktion.“ Ziel ist es, dem Eisvogel zu helfen. Zwei Wände sollen komplett senkrecht werden. Denn jedes Jahr sammelt sich wieder Schutt und Material an, das es Raubtieren wie Fuchs oder Marder leichter macht, an die Reviere des Eisvogels zu kommen. „Subjektiv ist sein Bestand konstant“, sagt Ralf, ein weiterer Helfer. Doch wie wäre es, wenn diese Maßnahmen nicht getroffen werden würden?
Blauer Publikumsmagnet
Der blau-schimmernde Publikumsmagnet benötigt zum Brüten eine komplett vertikale Wand, in die er etwa ein-Meter-lange Brutröhren gräbt. Tatsächlich: Einer der Freiwilligen zeigt auf eine Röhre, die noch vom letzten Jahr übrig geblieben ist und wie ein rundes, beinahe eiförmiges Loch am oberen Ende der Wand zu sehen ist. „Und da hörst du ihn auch schon“ sagt er und verweist auf seinen Ruf: Durchdringend, hoch und pfeifend klingt es von meiner rechten Seite. Man muss jedoch schon etwas Eisvogel-Erfahrung haben, um den Rackenvogel oberhalb der Wasseroberfläche auch zu erblicken. Zu schnell und nah fliegt er über die Drau, zu ähnlich ist seine Farbe dem Wasser.
Es ist nicht unbedingt eine dankbare Arbeit, die die Freiwilligen zu leisten haben. Der Ablauf? Schaufeln, schaufeln, schaufeln. Zuerst wird die oberste Schicht der Wand mit dem Spatel abgetragen, um sie flach zu machen. Nur ein paar Abstufungen bleiben, damit der Vogel Halt findet und seine Röhre graben kann. Die Vogelexperten weisen noch auf weitere Details hin: Zwei längliche Vertiefungen, die in die Höhle führen und wie Zugschienen aussehen, zeigen an, wie sich der Eisvogel in und aus der Höhle bewegt. Manchmal finde man im inneren auch Kot mit Fischgräten. „Alles was sie nicht verdauen, speien sie wieder aus“, erklären die TeilnehmerInnen.
Dann geht es darum, die aufgestaute Erde wegzubringen. Es soll eine Art Künete am Fuße der Wand gegraben werden, damit das Regenwasser gut abfließen kann. Die Diskussion, wie tief dieser Graben sein soll, reißt den ganzen Vormittag nicht ab. Sich dabei ein wenig zu necken, gehört wohl auch dazu, die Laune ist aber stets ausgezeichnet.
Fehlende Hornhaut
Schnell bemerke ich, dass die fehlende Hornhaut auf meinen Händen eindeutig ein Nachteil ist. Ganz will ich mich aber doch nicht als Stadtmensch outen und packe fleißig mit an. Nur eine Sekunde stelle ich die Schaufel ab, um Fotos zu machen. Bei meiner Rückkehr ist diese bereits weg. Wie jedes Jahr sind genug Freiwillige gekommen. „Meist ist das Problem eher, dass wir zu wenige Schaufeln haben“, sagt Ralf.
Da fliegen wieder drei Exemplare über das Wasser, diesmal erblicke ich sie zumindest aus dem Augenwinkel. „Es geht um die Bestimmung ihres Brutreviers und um die Brautwerbung“, erklärt BirdLife Mitglied Ralf. Bis zu drei Bruten hat der Vogel pro Jahr, oft um den Bestand wieder zu regenerieren, der im Winter reduziert wurde. Gestartet wird im März, im August ist es dann zu Ende. Rund sieben Junge gebe es pro Brut, manchmal komme es sogar zu sogenannten Schachtelbruten, erklärt ein weiterer Teilnehmer. Das heißt, dass das Weibchen schon Eier legt, obwohl es sich noch um Jungtiere aus einer früheren Brut kümmert.
Naturschutz als Dauerthema
So erstaunlich die Brutpflege des Eisvogels, seine schmalen Röhren und sein Jagdverhalten auch sind, das erstaunlichste ist dennoch die heutige Gruppe. Der jüngste Schaufler ist kaum im Volksschulalter, die ältesten haben die 70-Jahre Grenze schon überschritten. Beinahe um einen Stereotyp zu erfüllen, kreist die Unterhaltung den ganzen Vormittag um Naturschutzthemen von der Ausgliederung von Natura2000 Gebieten hin zu den Fischern, die oft unerlaubt in geschützten Gebieten campen. Die Schnittstelle zwischen Natur und Mensch beschäftigt hier alle. Warum sonst würden sie diesen Samstagvormittag opfern, um – naja – zu schuften. Selbst Teilnehmende, die in den letzten Jahren dabei waren jedoch heute – gesundheitlich oder anderwärtig - verhindert sind, kommen vorbei um Kuchen zu bringen oder zumindest um den Schauflern gut zuzusprechen.
Nach etwa drei Stunden werden die Geräte endlich gewaschen und gegen Petutschnigs Auto gelehnt. Nicht fehlen darf die gemeinsame Jause, um den Tag abzurunden. Kurz kommt man auf die lokale Kulinarik zu sprechen, doch lange dauert es nicht und man hört schon wieder jene Stimmen, die ansprechen, was man für die Natur verbessern könnte. (Autorin: Katharina Kropshofer)