1Flechten: die Sonnen-Pioniere
Flechten sind eine Wohngemeinschaft aus zwei verschiedenen Lebewesen: Dem Pilz gehört die Wohnung, die Alge zahlt die Untermiete in Form von Zucker. Denn nur die Alge beherrscht die Photosynthese: Mithilfe des Sonnenlichtes produziert sie Zucker. Und an dem nascht der Pilz mit. Im Gegenzug erlaubt er der Alge, in seinem Pilzgeflecht zu wohnen. So schützt er sie vor dem Austrocknen.
Der Vorteil: Gemeinsam sind sie stark. Die kuriose Zweier-WG kann – auch dank Sonnenlicht-Unterstützung – Lebensräume besiedeln, in denen jeder der beiden Pioniere alleine nicht lange überleben würde: unwirtliche Hochgebirge, Wüsten, oder arktische Regionen.
2Schneeglöckchen & Alpenschrecke: die Sonnenanbeter
Schneeglöckchen: der Frühstarter
Das Schneeglöckchen pokert hoch: Schon ab Ende Februar treibt es aus – so bald, dass es sich oft noch mit Schnee und Kälte herumschlagen muss. Der Vorteil des Frühstarts: Solche Frühblüher können ungehemmt im Sonnenlicht baden. Denn dermaßen bald im Jahr sind die Pflanzen-Nachbarn noch blattlos – und werfen daher auch keinen störenden Schatten. Damit das Schneeglöckchen so zeitig loslegen kann, hat das es im Vorjahr schon Reserven in einer unterirdischen Zwiebel angelegt. Der Energieschub aus der Zwiebel verschafft ihr den entscheidenden Startvorteil.
Alpenschrecke: die Fußgängerin
Schöner wohnen in sonniger Südlage: Das schätzen auch viele Tiere. Etwa Neuntöter, Ameisen, Apollofalter, Alpenbock-Käfer oder Steinbock. Die Alpenschrecke ebenso: Sie nimmt gerne Sonnenbäder. Am liebsten auf steinigen Lücken in Bergwiesen. Diese „Stein-Inseln“ heizen sich bei Sonnenschein schnell auf. Ein bisschen Zusatzwärme nimmt man als kältegeplagte Bergbewohnerin gerne an.
Schöner wohnen in sonniger Südlage: Das schätzen auch viele Tiere.
Die Vorliebe dieser Heuschrecke für unbewachsene Wiesenlücken könnte aber auch an etwas anderem liegen: Zu viel Vegetation stört schlicht beim Gehen. Schließlich hat sich die Alpenschrecke radikal an ihren Gebirgslebensraum angepasst: Ihre Flügel sind zu Stummeln verkümmert. Fliegen kann sie damit nicht mehr. Egal, denn bei der üblichen Brise am Berg würde sie sowieso vom Winde verweht. Und bevor die Alpenschrecke irgendwo landet, wo sie gar nicht hin will, geht sie lieber gleich zu Fuß.
Aktiv werden:
Bei dieser Veranstaltung des Biosphärenparks Nockberge kannst du die Sonne und ihre Auswirkungen hautnah erleben:
Sonnenaufgangswanderung am Falkert
Termine: Jeden Mittwoch von 10. Juli bis 11. September 2019
Beginn: zw. 04:00 und 05:00 Uhr (je nach Termin)
Treffpunkt: Falkertsee, Reichenau
Mit dem Biosphärenpark-Ranger wanderst du vom Falkertsee hinauf auf den Falkertgipfel. Dort erlebst du, wie die ersten Sonnenstrahlen die Bergwelt rot färben. Nach dem Abstieg durchs Sonntagstal wartet ein Original-Sennersfrühstück beim Falkertsee.
3Schwein, Gämse, Edelweiß: die Sonnenbrandvermeider
Auch Tiere können Sonnenbrand bekommen. Da gilt es, Gegenmaßnahmen zu ergreifen: Schweine etwa suhlen sich im Schlamm. Das Ergebnis: eine dicke Dreck-Panier am Körper. Die sieht zwar vielleicht nicht ganz so appetitlich aus wie die Sonnencreme bei uns Menschen, wirkt aber ähnlich.
Unzählige andere Tiere, z. B. die Gämse, lassen sich ein Fell wachsen. Das wärmt nicht nur, sondern dient nebenbei auch als Sonnenschutz.
Nur Tiere? Nein! Es gibt auch Pflanzen, die auf Pelz stehen. Das Edelweiß zum Beispiel. Die Blumen-Ikone der Alpen – die eigentlich aus den Steppen Asiens stammt – trägt einen weißen Haarpelz. Der schützt vor Verdunstung ebenso wie vor der hohen UV-Dosis im Gebirge.
4Waldmeister & Alpensalamander: die Sonnenflüchter
Waldmeister: der Schattenparker
Manche Lebewesen gehen der Sonne schlicht aus dem Weg. Der Waldmeister etwa. Er steht stellvertretend für die Schattenpflanzen: Zwar ist auch für sie das Sonnenlicht überlebenswichtig, zu viel davon tut ihnen aber nicht gut. Darum wächst der Waldmeister im schattigen Unterwuchs von Laub- und Mischwäldern.
Die intensiven Waldmeister-Duftstoffe (Cumarine) nutzt man übrigens, um z. B. Waldmeisterbowle herzustellen. Das Praktische an ihr: Bei übermäßigem Konsum lässt sich der Brummschädel bequem auf den Waldmeister schieben. Denn nicht nur Alkohol, auch zu viel Cumarine erzeugen Kopfschmerzen.
Alpensalamander: der Schlechtwetterspezialist
Das tierische Pendant zum Waldmeister ist der tiefschwarze Alpensalamander. Er scheut direkte Sonnenbestrahlung wie der Teufel das Weihwasser. Denn Lurche (= Amphibien) wie er brauchen immer feuchte Haut. Sonne dagegen trocknet sie aus. Deshalb watschelt der Alpensalamander meist nur bei Regen oder kurz danach herum. Oder während der Nacht und der Dämmerung, wenn die Luftfeuchtigkeit höher ist. Untertags verkriecht er sich dagegen im Schatten.
Dafür hat er sich eine andere pfiffige Anpassung einfallen lassen: Im Unterschied zum Feuersalamander, der seine Eier in Bächen ablegt, kann es sich der Alpensalamander nicht leisten, seinen Nachwuchs irgendwo „auf gut Glück“ „auszusetzen“. Dazu ist der Bergsommer schlicht zu kurz. Die vollständige Entwicklung vom Ei zum Jungtier ginge sich nicht aus. Also bringt der Alpensalamander als einzige Amphibie Österreichs seine Jungen lebend zur Welt. Und die werden ordentlich ausgebacken: Zwei bis vier Jahre kann ein Alpensalamander trächtig sein. Damit ist er das Wirbeltier mit der längsten Tragzeit. Der Winzling stellt damit Mensch, Wal, Elefant und Nashorn in den Schatten.
5Smaragdeidechse: die Gepanzerte
Nicht nur Amphibien wie der Alpensalamander sind „wechselwarm“, auch Reptilien. Das heißt, ihre Körpertemperatur hängt wesentlich von der Umgebungstemperatur ab: Je wärmer, desto aktiver ist das Tier. Nur haben sich die Reptilien besser mit der Sonne arrangiert: Ihre Haut ist mit Schuppen bedeckt, die vor Austrocknung schützen. Daher bevorzugen Reptilien warme, sonnige Lebensräume.
"One size fits all": Das gilt für Reptilien definitiv nicht.
Die schillernd grüne Smaragdeidechse etwa sonnt sich gerne auf Trockensteinmauern in der Wachau. Erst wenn es wirklich ganz heiß wird, verzeiht sich Österreichs größte Eidechse in ein schattiges Versteck. Der Preis des Schuppenpanzers: Die starre Haut wächst nicht mit. Also muss sich die Smaragdeidechse regelmäßig häuten, um in die nächstgrößere Konfektionsgröße zu wechseln. Wir lernen: „One size fits all“ gilt für Reptilien definitiv nicht.
6Amsel: die Musikalische
Vogelgesang ist der Soundtrack des Frühlings. Von April bis Juni trällern Rotkehlchen, Buchfink & Co, was das Zeug hält. Kein Wunder. Schließlich ist Balz- und Brutzeit. Da müssen die Vogelmännchen ihr Revier abstecken und Damen anlocken. Was die hormonell Herausgeforderten zu auffälligem Gehabe, Tanz und Gesang motiviert. All das soll übrigens auch schon bei Menschen beobachtet worden sein.
Auf die Vogelhormone hat jedenfalls auch das Sonnenlicht seinen Einfluss: Rund um Sonnenauf- und -untergang ist das Vogelkonzert am lautesten. Und jede Vogelart beginnt erst bei einer bestimmten Helligkeitsstufe zu singen: Frühstarter am Morgen ist beispielsweise die Amsel. Dumm nur, dass genau sie oft auch am Abend am längsten singt. Ein „Nine to five“-Job ist für die Amsel also höchstens ein froher Wunsch.
7Rauchschwalbe: die Navi-Nutzerin
Die Sonne ist auch ein wichtiger Taktgeber in der Natur. Einerseits kurzfristig: Fast alle Tiere passen etwa ihren Schlafrhythmus an Tag und Nacht an. Andererseits langfristig: Sonnenlicht ist z. B. der Auslöser für den Vogelzug. Werden die Tage im Herbst kürzer, verlassen die Zugvögel Österreich und fliegen in ihren Zweitwohnsitz im sonnigen Süden, oft mehrere tausend Kilometer weit. Dort verbringen Rauchschwalbe, Kuckuck und Weißstorch dann den Winter. Im Frühjahr kehren sie nach Mitteleuropa zurück.
Wann es jeweils Zeit ist aufzubrechen, können die Tiere an der Sonne ablesen. Sie taugt aber auch als Navigationsgerät: Auf ihrer Reise orientieren sich die Zugvögel am Sonnenlicht. Aber auch an auffälligen Geländeformen, dem Erdmagnetfeld und den Sternen. Vielleicht spielen sogar die Vogelgene eine Rolle beim Zurechtfinden.
8Riesen-Bärenklau: der Heimtückische
Der Großteil der ÖsterreicherInnen ist sich einig: Den wollen wir hier nicht haben! Auch wenn er schon vor etlichen Jahren zugewandert ist. Den Riesen-Bärenklau nämlich. Was nach Fremdenfeindlichkeit klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Kommt die mehrere Meter hohe „Herkulesstaude“ (v. a. ihr Pflanzensaft) mit unserer Haut in Kontakt, dann verstärkt sich an diesen Hautstellen anschließend die Wirkung des Sonnenlichtes. Das kann schwere Verbrennungen verursachen.
Der Riesen-Bärenklau spielt in der Champions League der Brandblasen.
Diesen „phototoxischen Effekt“ hat zwar auch das heimische Johanniskraut drauf. Aber eher auf Bezirksliga-Niveau. Der Riesen-Bärenklau spielt dagegen in der Champions League der Brandblasen. Deshalb wird er in manchen Gebieten mit hohem Aufwand bekämpft – von Menschen, dick eingepackt in Schutzanzügen.
9Mensch: der Runzelige (früher oder später)
Sonnenlicht hat viele positive Auswirkungen auf den Menschen. U. a. hebt es die Stimmung, stärkt die Knochen, regt das Immunsystem an. Die Sonne besitzt aber auch Schattenseiten: Sonnenbrand etwa (kurzfristig zu viel Sonne), oder Hautkrebs (langfristige Überdosis). Oder sie lässt unsere Haut einfach schneller altern. Was dazu führt, dass wir irgendwann unweigerlich aussehen wie die Zwetschkenkrampusse. Zumindest jene von uns, die sich viel in der Sonne aufhalten. Aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit. Oder?