Die Wachau wird gemeinhin mit Wein, Marillen, UNESCO-Welterbe, der blauen Donau und Sonntagsausflügen in Verbindung gebracht. Doch das ist längst nicht alles. Ein besonderer Schatz führt gewissermaßen ein Schattendasein, als Mauerblümchen: die vielen Trockensteinmauern zwischen den Weinterrassen. Eine Vielzahl rarer Geschöpfe besiedeln diesen unscheinbaren Lebensraum. Der Verein LANIUS kümmert sich um die Erhaltung der Steinkonstruktionen - und setzt einstürzende Altbauten wieder instand. Im Rahmen eines Trockensteinmauer-Kurses zeigen erfahrene Trockenstein-Maurer, wie das geht…
Das idyllische Schwallenbach am Fuße des Jauerlings zeigt Anzeichen des einsetzenden Frühlings, als sich des morgens eine kleine Gruppe neben der Bundesstraße versammelt.
Heute ist der Bau von Mauern ganz ohne Mörtel angesagt.
Die beiden Trockensteinmauer-Experten und Trainer Johann Datzberger und Alois Pomaßl sowie der Welterbe-Naturschutzbeauftragte Hannes Seehofer begrüßen die KursteilnehmerInnen. In Fahrgemeinschaften geht es dann durch die verwinkelten Gassen von Schwallenbach hinauf zu einer steilen, terrassierten Wiese, die von Steinmäuerchen durchzogen ist.
Dabei handelt es sich um einen orchideenreichen Halbtrockenrasen im Besitz des Naturschutzvereins LANIUS, der von Blühendes Österreich gefördert wird. Einige der Mäuerchen sind jedoch bereits eingestürzt. Und denen soll heute wieder zu einem neuen, steinernen Leben verholfen werden.
Uralter Siedlungsraum Wachau
Zweifelsohne zählt die Wachau zu den schönsten - und berühmtesten - Landschaften der Alpenrepublik. Die Existenz der Wachau ist dem Umstand zu verdanken, dass aus den Alpen herausreichende Eiszeitgletscher die Donau nach Norden umlenkten und dazu zwangen, sich durch den uralten Gebirgsstock der böhmischen Masse zu graben. So wurde der Dunkelsteinerwald vom restlichen Waldviertel getrennt. Das so entstandene Engtal mit seinen steilen Einhängen weist ein mildes Klima auf und ist daher seit der Steinzeit besiedelt. Die weltberühmte Statuette "Venus von Willendorf“ ist ganze 29.000 Jahre alt.
Landschaftliche Perle
Sichtbarstes Zeugnis der jahrtausendelangen menschlichen Betriebsamkeit sind die unzähligen Trockensteinmauerterrassen. Nur so war der Weinbau an den steilen Hängen möglich. Die Mäuerchen sind mitunter hunderte Jahre alt. Knorrige Naturwälder und bizarre Felsformationen auf den ganz steilen Hängen verstärken den landschaftlichen Liebreiz.
Dass die Wachau heute als UNESCO-Welterbe ausgezeichnet ist, geht auf einen Konflikt um den Bau eines Donaukraftwerks bei Rührsdorf zurück. Das Kraftwerk blieb der Donau erspart - die heute neben der Wachau nur mehr östlich von Wien nicht gestaut ist. Und die einmalige Kulturlandschaft steht nun unter dem Schutz der ganzen Menschheit…
550 verschiedene Arten
Die Trockensteinmauern bieten mit ihren Spalten, Hohlräumen sowie Sonnen- und Schattenplätzen wertvolle Lebens- und Rückzugsräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Im Fachsprech nennt man das: „Ergänzungsbiotop“. An den Mauern leben doppelt so viele Arten wie in den Weingärten selbst. Ganze 550 Arten leben und hausen hier, wie Untersuchungen im Raum Krems ergeben haben.
Dazu zählen:
- Flechten und Moose,
- Mauerpflanzen (wie Steinkraut, Felsennelke, Hauswurz oder Farne),
- Schnecken,
- Spinnen,
- Schmetterlings(raupen),
- Wildbienen,
- Käfer,
- Kröten,
- Schlangen,
- Blindschleichen,
- Eidechsen,
- Igel oder verschiedene (höhlenbrütende) Vögel.
Der Anteil seltener Arten ist hoch.
Pflegeeinsatz gegen den Verfall
Aber auch die stabilsten Mauern erreichen dank Einwirkung von Wasser und Schwerkraft eines Tages das Ende ihrer Lebenszeit - und müssen repariert werden. LANIUS kümmert sich um die Erhaltung von Trockenrasenflächen - und der Mauern dazwischen.
Dabei dürfen wir heute behilflich sein. Im Rahmen eines Trockensteinmauer-Kurses, den die Wein- und Obstbau Fachschule Krems organisiert.
Trockensteinmauern bestehen lediglich aus aufeinander geschichteten Steinen, die durch Reibung und Schwerkraft zusammen gehalten werden. Um stabiles, langlebiges Mauerwerk zu errichten, braucht es daher eine besondere Konstruktionsweise.
Überlebenskünstler Trockensteinmauer
Grundsätzlich überdauern Trockensteinmauern im Gelände besser als Betonmauern und können sogar Jahrhunderte unbeschadet überstehen. Das liegt an ihrer Elastizität. Frost, Wasser, Erschütterungen und sonstiger Druck können ihr daher weniger anhaben. Jeder Stein ist unabhängig und trotzdem im Mauerverband eingebunden. Durch ihre Fugen und Hohlräume sind sie wasserdurchlässig und daher weniger einsturzgefährdet.
Wasserdruck ist die Hauptursache für Schäden an Terrassenmauern.
Weinbauer und Mauerbau-Trainer Alois Pomaßl befragt die KursteilnehmerInnen: „Warum seids ihr hier?“ Die meisten wollen die Kunst des mörtelbefreiten Mauerbaus zwecks Anwendungen im Eigengarten erlernen. Manche nehmen auch aus ökologischem Interesse teil, wegen ihrer Vorliebe für Trockenrasen und Streuobstwiesen.
Bauen ohne Zusatzstoffe
Sodann erklärt Alois die Grundregeln: „Es braucht passendes Material. Also Steine, nicht zu groß und nicht zu klein. Wichtig ist, dass man ein ordentliches Fundament errichtet und dass man die Steine richtig legt, sodass jeder Stein genug Reibungsfläche mit den Nachbarsteinen hat, dass alles schön ausgekeilt ist und dass alles auch ohne ‚Zusatzstoffe‘ hält.“
Dann geht es an die Arbeit: Fundament ausheben. Steine auswählen, zurecht klopfen und auf die Mauer wuchten. Mit kleinen Steinen auskeilen. Klopfen und Hämmern erfüllt die Wachauer Vorfrühlingsluft.
Trockensteinmauern bauen: 10 Gebote für ein solides Mauerwerk
- Grundvoraussetzung ist ein stabiles Fundament aus großen Steinen, das mindestens 30-40 cm im Boden versenkt sein sollte.
- Grundregel: Es braucht möglichst viel Berührungsflächen zwischen den Steinen und möglichst wenig Hohlräume!
- Steine nach innen (hinten zum Hang) neigen! Sie dürfen maximal waagrecht liegen, niemals aber nach außen geneigt sein.
- Die großen Fundamentsteine sollen auf festem, kompaktem Untergrund vollständig aufliegen. Und sie geben auch die Mauerneigung bereits vor.
- Zwei Läufersteine (Steine liegen längs zum Wandverlauf) sollten sich mit einem Binderstein (liegt quer zum Hangverlauf und ragt nach hinten) abwechseln. Wichtig sind ausreichend lange Binder.
- Keine durchlaufenden Stoßfugen und keine Kreuzfugen! Die senkrechten Fugen sollten sich nur über nur eine Steinschicht erstrecken.
- Festsitzende Steine! Kein Stein darf locker sitzen und wackeln.
- Auskeilung mit kleinen Steinen, um „Wackelsteine“ zu verhindern.
- Möglichst regelmäßige Steine.
- Jeder Stein berührt alle Nachbarsteine.
Tierliebe Mauern
Naturgarten-Coach Johann Datzberger gibt Tipps für eine besiedlungsfreundliche Mauergestaltung: „Für Eidechsen sollte man im Fundamentbereich die Steine möglichst geschlossen legen, damit die ‚Räuber‘ nicht zum Eiergelege kommen. Für Vögel muss die Mauer mindestens 2-3 Meter hoch sein und nicht für Katzen erreichbar sein. Für Igel kann man einen breiteren Spalt lassen und eine Platte drüberlegen, dann entsteht eine kleine Höhle. Und: immer alles ost- oder südseitig.“
Orchideenwiesen im Mai schonen!
Hannes Seehofer ist hauptamtlicher Hüter der Wachauer Naturschätze im Auftrag des Vereins Welterbegemeinden Wachau: „Die Mauern sind für die Wachau ganz was typisches und prägen das Landschaftsbild. Aus Naturschutzsicht steht die Wachau für die freie Donau, die Trockenrasen auf steileren Flächen oberhalb der Weingärten, die Orchideen-Terrassen wie hier. Und der Wald ist auch großteils erfreulicherweise noch Mischwald, auch wenn bissl was mit Fichten oder Douglasien aufgeforstet wurde.“
Die Orchideenwiesen sollte man auf keinen Fall im Mai begehen und oder mähen. Und ausreissen oder ausgraben darf man sie schon gar nicht, weil das einerseits verboten ist und andererseits Orchideen Mykorrhiza-Pilze brauchen. Und diese Pilze hat die Orchidee im Garten meistens nicht. -> Wie du Orchideen schützen kannst, erfährst du hier.
Also: erfreut euch am Anblick der raren Edelblumen - und lasst sie in Ruhe wachsen.
Autor: Matthias Schickhofer