Lernen im Freien, anpacken im Obstgarten für mehr Resilienz: Das Stiftsgymnasium Seitenstetten im niederösterreichischen Mostviertel setzt auf den grünen Daumen und zeigt, wie Lernen im Grünen geht und warum Freiluftklassen genauso wichtig sind, wie die Digitalisierung an Schulen.
Im Rahmen eines Naturbildungsprojekts hat das Stiftsgymnasium ein Grünes Klassenzimmer errichtet, das sich über naturliebe Nachahmer von anderen Schulen freut.
Die SchülerInnen wurden von Beginn an in das Projekt eingebunden. Im Rahmen der Aktivitäten soll auch die für Biodiversität und Artenvielfalt wichtige Streuobstwiese erhalten, gepflegt und genutzt werden.
„Durch das Grüne Klassenzimmer soll die Naturverbundenheit der SchülerInnen gestärkt, aber auch alte Bereiche des Stiftes belebt werden. Es soll nicht nur für den Biologie-Unterricht, sondern für Lerngruppen aller Fächer zugänglich sein und eine motivierende Lernatmosphäre schaffen. Besonders freut mich, dass unsere Schüler:innen gemeinsam mit Projektleiter Mathias Weis die Idee nicht nur geboren, sondern auch umgesetzt haben“,
erklärt Schuldirektor Markus Berger bei der Eröffnungsfeier des Grünen Klassenzimmers.
Finanziert wurde das Grüne Klassenzimmer vom Stiftsgymnasium Seitenstetten, von der REWE-Stiftung Blühendes Österreich im Namen der Brennnessel, von Erasmus+ und weiteren regionalen Sponsoren.
Mutter Natur inspiriert, beruhigt und flüstert ein
Eine alte Streuobstwiese, ein mit Efeu verwachsener Brunnen, Laub- und Nadelbäume und mittendrin ein Amphitheater. Wir befinden uns nicht in der römischen Antike, sondern im Schulgarten des Stiftsgymnasiums Seitenstetten im niederösterreichischen Mostviertel. Auf dem circa zwei Hektar großen Areal wurde im Rahmen projektorientierten Unterrichts ein Grünes Klassenzimmer errichtet.
Neben der Gestaltung von drei Freiluftklassen wurden eine Hecke gepflanzt, ein altes Bienenhaus restauriert, Blumenwiesen angelegt und Bäume gesetzt. Die SchülerInnen bleiben auch weiterhin aktive MitgestalterInnen bei der Pflege, Nutzung und Weiterentwicklung, wie SchülerInnenvertreterin Valentina Kloibhofer berichtet:
„Nach viel harter Arbeit und einigen komplizierten Schuljahren ist das Grüne Klassenzimmer für die Schülerschaft eine große Bereicherung. Wir freuen uns, dass es so schön geworden ist und hoffen auf viele Unterrichtsstunden bei schönstem Wetter im Garten.“
Mathias Weis, Biologielehrer, Initiator und Projektleiter des Grünen Klassenzimmers ergänzt:
„Es war mein langgehegtes Ziel, einen Lernraum wie diesen zu schaffen, wo wir die Naturverbundenheit von Jugendlichen stärken können.“
Neben dem Biologieunterricht wird das Grüne Klassenzimmer für den Unterricht aller Fächer genutzt. Außerdem bietet der Lernraum im Freien zahlreiche Möglichkeiten für Umweltschutzprojekte und Naturbegegnungen im Schulalltag.
Für die Vielfalt – gegen eine reine Digitalisierung
Dass digitale Kompetenz an Schulen wichtig ist, hat die Coronakrise drastisch aufgezeigt und den digitalen Unterricht massiv beschleunigt. Warum aber auch Unterricht in der Natur wichtig ist, erklärt Margit Helene Meister:
„Die Natur ist für Kinder ihr angestammter Entwicklungsraum. Sie erleben die Eingebundenheit in die Natur und gleichzeitig Freiheit. Was wir heute schon über Freiluftklassenzimmer sagen können: Sie ermöglichen dislozierten „Regel“-Unterricht genauso wie Lernen an realen Objekten. Sie helfen dabei, Talente und Potenziale von Kindern und Jugendlichen besser zu erkennen und rücken gleichzeitig Teilleistungsschwächen in den Hintergrund. Sie fördern Sozialkompetenzen, führen zu mehr Resilienz und weniger Stressphänomenen – das Grüne Klassenzimmer ist also am Puls der Zeit.“
Dass das Lernen in und mit der Natur nicht nur für eine positive und gesunde kindliche Entwicklung, sondern auch für das Verständnis und den Umgang mit der Klimakrise unerlässlich ist, zeigt Klaus Schrefler vom Institut für Biologie der Universität Graz auf:
„Wie wichtig und andererseits mangelhaft das Verständnis für Natur und Umwelt sind, zeigen uns zahlreiche große Krisen, denen wir aktuell gegenüberstehen. Wertschätzung und Respekt den natürlichen Ressourcen gegenüber werden zu einem guten Teil über unsere Zukunft entscheiden. Naturerfahrungen sind dazu unabdinglich, da die vielfältigen ökologischen Zusammenhänge der Natur nur in der Natur begriffen werden können. Damit können wir gar nicht früh genug beginnen. Ein Grünes Klassenzimmer ist ein wichtiger Schritt dazu.“
SchülerInnen pflegen Mostviertler Idyll
Blühende Birnbaumalleen, ein Schlaraffenland aus Obstgärten, das sich über eine liebliche Hügellandschaft zieht – das Mostviertel ist Paradebeispiel einer Kulturlandschaft. Ohne die Pflege und Zutun des Menschen würden sie vergehen. Deshalb sollen die alten Streuobstwiesenflächen des Klostergartens im Rahmen des Unterrichts erhalten werden und so die Biodiversität von heimischen Tieren und Pflanzen fördern.
„(...)Vom Baumschnitt, über die Ernte bis zum Obstsaftpressen“,
freut sich Mathias Weis über die Möglichkeit, seinen Schülerinnen und Schülern den Kreislauf der Natur näherbringen zu können.
Mit Naturschutzpreis „Die Brennnessel“ durch Blühendes Österreich ausgezeichnet
Das Projekt „Grünes Klassenzimmer“ des Stiftsgymnasiums Seitenstetten gewann 2019 den größten heimischen Naturschutzpreis „Die Brennnessel“ durch Blühendes Österreich – REWE International gemeinnützige Privatstiftung.
„Die Idee und das Engagement der Schule haben uns sofort überzeugt. Das Stiftsgymnasium Seitenstetten nimmt eine Vorreiterrolle für Lernen im Grünen ein und ist Wegbereiter für andere Projekte dieser Art. Natur- und Umweltbildung ist in Seitenstetten kein leeres Versprechen, sondern gelebte Realität“,
lobt Ronald Würflinger, Geschäftsführer von Blühendes Österreich, das Kollegium. Die Schule erhielt über „Die Brennnessel“ 5.000 Euro, die weiteren 15.000 Euro trägt die Schule selbst mithilfe von Unterstützung von Erasmus+ und dem Stift Seitenstetten als Schulerhalter. Zusätzlich erhielt die Schule materielle und finanzielle Unterstützung von regionalen Sponsoren wie von der Bognerhof Gärtnerei, dem Bauunternehmen Klaus Stockinger und den Friedl Steinwerken.
Mehr Informationen findest du hier.