Energiesparmeister
Schmetterlinge zeichnen sich durch ihre sprichwörtliche Flatterhaftigkeit aus. Doch die Anzahl der Flügelschläge pro Minute schwankt von Art zu Art beträchtlich. Das flinke Taubenschwänzchen schwirrt beispielsweise mit bis 60 Flügelschlägen pro Sekunde in schnellem Zick Zack durch die Landschaft. Wie bei anderen Faltern aus der Familie der Schwärmer ähnelt sein Flug dem von Kolibris und bedingt einen besonders hohen Energieverbrauch.
Der langschwänzige und sonnenverliebte Segelfalter ist dagegen ein wahrer Energiesparmeister. Dank seiner aerodynamischen Bauweise nutzt er perfekt die Thermik. Minutenlang vermag er beinahe ohne Flügelschlag über Wiesen und Hänge zu gleiten. Wer ihm bei dieser Vorführung müheloser Eleganz zusieht, kann sich seiner magischen Schönheit kaum entziehen.
Hinzu kommt die für heimische Tagfalter durchaus stattliche Größe von bis zu acht Zentimetern Flügelspannweite. Die schwarzen Längsstreifen auf hellem Grund unterstreichen dabei noch seine langgestreckte Form, die in den längsten Schwanz-Enden der heimischen Schmetterlingswelt ihre zarte Vollendung findet.
Täuschmanöver mit (falschem) Köpfchen
Aber der Segelfalter ist nicht nur ein Meister des Gleitflugs, sondern auch der Täuschung. So sind seine zarten, orange-blauen Augenflecken auf den Hinterflügeln nicht nur hübsch anzusehen – sie führen potentielle Angreifer in die Irre. Letztere vermuten dadurch seinen Kopf - als das bevorzugte Angriffsziel - auf der falschen Seite des Falters. Wenn getäuschte Vögel dann auf seine Scheinaugen picken, verliert der Falter eventuell seine zarten Flügelschwänze, aber eben nicht das Leben. Man muss eben “Köpfchen“ haben. ;-) Und zu fliegen vermag er auch ohne seine Schwänze. Lediglich die Eleganz mag ein wenig darunter leiden.
Aber auch die Raupen haben ihre Tricks auf Lager. Direkt nach dem Schlupf aus den perlartigen Eiern sind sie schwarz und tragen zwei kleine weiße Querstreifen. Auf den grünen Blättern ähneln sie so winzigen Kotspritzern von Vögeln, die auf Fressfeinde wenig appetitlich wirken.
Diese Form der Täuschung nennt man Mimikry. Auch andere harmlose Tiere ahmen im Zeichen der Mimikry giftige oder stechende Tiere in Form und Farbe nach, wie z.B. der Hornissenschwärmer. Solche Tiere werden in Ruhe gelassen, obwohl sie eigentlich wohlschmeckend wären.
Aber zurück zum Segelfalter: Mit der dritten Häutung der Raupe beginnt zugleich die dritte Disziplin, welche diese Art meisterhaft beherrscht.
Raupen und Puppen – Meister der Tarnung
Nun wechseln die Raupen nämlich farblich auf das Blattgrün der Futterpflanze, inklusive einer hellen Äderung, welche Blattlinien gleicht. Insbesondere auf einer ihrer Lieblingsfutterpflanzen, dem eher kleinblättrigen Schlehdorn, ist die gedrungene Raupe kaum auszunehmen.
Zuerst verschmilzt sie optisch mit dem Blatt, später ersetzt sie es perfekt. Und während sich im September die letzten Raupen der zweiten Generation zwischen dem langsam vergilbenden Blattwerk sonnen, bekommen sie zusätzlich noch rotbraune Pünktchen, wie man sie als erstes Zeichen der Herbstverfärbung auch auf den umliegenden Blättern entdecken kann. Sind die herbstlichen Raupen ausgewachsen, verfärben sie sich vor der Verpuppung noch schnell gelblich und machen so tatsächlich alle Schritte der sie umgebenden Herbstverfärbung mit.
Listig ist auch die langsame, seltsam wippende Fortbewegungsart der Raupen, welche vielleicht im Wind wackelnde Blätter imitieren soll. Gelingt es jemandem, die Raupe trotz all dieser ausgeklügelten Techniken des Täuschens und Tarnens im Blattwerk zu entdecken, so ist sie mit ihrer Kunst noch nicht am Ende. Denn wird sie gestört, greift sie zur Verteidigung dann noch zur „Stinkbombe“.
Wie alle Raupen aus der Familie der Ritterfalter besitzt sie eine Nackengabel, ein sogenanntes Osmaterium. Dieses wird sodann ausgefahren und ein abstoßender Geruch verströmt. Er vermag insbesondere Ameisen abzuschrecken.
Schließlich spinnen sich die fertigen Raupen einen Seidenfaden um die Körpermitte und überwintern als sogenannte Gürtelpuppe. Auch zur Sicherung ihres Bestands lohnt es sich, Wiesen im Herbst nicht vollständig zu mähen, um etwaige Puppen nicht zu zerstören.
Wer meint, dass ein Falter, dem die Evolution so viele Überlebenstricks mitgegeben hat, auch besonders häufig wäre, der irrt leider. Denn auch der Segelfalter hat viele Feinde, allen anderen weit voran den Menschen und seine einschneidenden Veränderungen des Lebensraums. Prinzipiell bevorzugt diese wärmeliebende Art Weingegenden mit Trockenrasen, sowie felsige Hänge von Flusstälern.
Somit ist die Wachau eigentlich ein idealer Lebensraum für Segelfalter. Trotzdem gibt es auch hier Jahre, in denen man diese eleganten Schönheiten nur selten zu Gesicht bekommt. Auch bei uns scheinen ihm also die Verbuschung von Hängen und der Pestizideinsatz im Obst- und Weinbau zuzusetzen.
Gartentipps für Segelfalter-Retter
Seine Eier legt der Segelfalter gerne auf Schlehe, Kirschpflaume, Marille, Ringlotte, Zwetschke, Felsenbirne, Felsenkirsche, Weißdorn oder auch Mandel. Die Falter bevorzugen dabei kleine knorrige Pflanzen auf Südhängen oder niedrige Austriebe in Wiesen.
Wenn du ihn fördern möchtest, dann sind möglichst sonnig gepflanzte Schlehen oder die oben genannten Obstbäume der beste Tipp. Selbstverständlich ungespritzt. Der Falter liebt als Nektarquelle sowohl helle, als auch violette Blüten. Dazu gehören neben den Blüten einiger Obstgehölze auch Wiesensalbei (Salvia pratensis), Kratzdisteln (Cirsium), Natternkopf (Echium vulgare), Flockenblume (Centaurea) oder auch die Gewöhnliche Nachtviole (Hesperis matronalis). In Gärten lockt ihn auch Lavendel und der umstrittene Sommerflieder (Buddleja davidii) an.
Gartenglück vom Feinsten
Zum Abschluss noch eine persönliche Geschichte: Am 22. Juli dieses Jahres lag ich entspannt auf unserer Hollywoodschaukel. Sanft gewiegt ließ ich den Blick durch den sonnendurchflutenden Garten schweifen.
Gefühlte zwanzig verschiedene Schmetterlingsarten umschwirrten mich. Darunter nicht weniger als acht Segelfalter. Nach geglücktem “Hilltopping“, bei dem sich die Partner auf Hügelkuppen treffen, schraubte sich ein Pärchen so hoch in den Himmel, dass es kaum noch auszunehmen war. Schon befruchtete Weibchen tanzten indes über die obersten Blattspitzen unserer Marillen-, Zwetschken- und Mandelbäume und legten fleißig Eier ab.
Schwalben und eine Gruppe Großlibellen durchzischten das tiefe Blau des Himmels. Ein Wespenbussard überquerte den Garten mit lautem Ruf und plötzlich wurde mir dankbar und staunend bewusst, wie sehr sich mein Kindertraum, einmal umgeben von der bunten Vielfalt des Lebens zu leben, erfüllt hat. Es war einer der schönsten Momente dieses Sommers für mich.
In diesem Sinne wünsche ich auch dir wunderbar vielfältige Begegnungen in deinem Garten oder auf deinen Wanderwegen. Deine Marion
Über die Autorin: Marion Jaros arbeitet als Biotechnologin bei der Wiener Umweltanwaltschaft.