Warum gibt es bis heute keine Straße, die das Karwendel durchquert? Warum waren die Lalidererwände einst Hotspot der Kletter-Elite, wer hat in einem Sommer 88 Gipfel bestiegen und warum sind die Bäume am Großem Ahornboden praktisch gleich alt?

Die Vergangenheit erzählt erstaunliche Geschichten über das Karwendel und beantworte so manche Frage zum größten Naturpark Österreichs.

Das Karwendel gehört zu den Nördlichen Kalkalpen, 80 % liegen in Tirol, rund 20 % gehören bereits zu Bayern. Vier massive Hauptketten ziehen von Ost nach West:

  • die Nördliche Karwendelkette
  • die Hinterautal-Vomper-Kette (Karwendelhauptkette)
  • die Gleirsch-Halltal-Kette
  • die Inntalkette (Nordkette)

In Summe 45 km von Ost nach West, vom oberen Achental mit dem Achensee bis zum Seefelder Sattel, und rund 30 km von Nord nach Süd, also vom Isarwinkel mit dem Sylvensteinspeicher bis nach Innsbruck.  

Silberwurz auf der Nordkette, dem Bollwerk im Norden Innsbrucks.

Ein unüberwindbares Bollwerk - zum Glück

Tatsächlich waren diese vier mächtigen Bergketten, die das Karwendelmassive bilden, lange Zeit absolut unüberwindbar, ja, wirkten sogar bedrohlich.

Innsbruck wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts auf allen Ansichtskarten immer mit Blick nach Süden dargestellt.

Schließlich wollte sich die Alpenstadt weltoffen präsentieren. Die mächtige Nordkette stand dafür mehr als im Weg.

Jedenfalls, wer von Süd nach Nord oder umgekehrt wollte, musste entweder im Osten über den Achenpass oder im Westen über Scharnitz und Seefeld marschieren, und daran hat sich nichts geändert, außer dass wir meist nicht mehr zu Fuß unterwegs sind. 

Bis heute quert keine Straße den wilden Gebirgsstock, kein Dorf findet man im Karwendel – das heißt, mit einer Ausnahme: Hinterriß. 41 Bewohner und Bewohnerinnen (Stand 2015) zählt das Dorf und ist die einzige Dauersiedlung. Die vier Gebirgsketten in gleicher Ausrichtung haben bis heute Bollwerkcharakter - zum großen Glück für die Natur. 

Von hohen Bergen und tiefen Schluchten 

125 Gipfel des Karwendels sind höher als 2.000 m, die Birkkarspitze mit 2.749 m ist die höchste Erhebung. Wettersteinkalk und Dolomit prägen die Bergketten. Sie wurden aus mächtigen Kalkbänken aufgebaut, die durch die geologische Auffaltung nach Süden geneigt sind. An einigen Standorten, vor allem an der mittleren Karwendelkette, haben die Bruchkanten der Auffaltung bis zu 1.000 m hohe, senkrechte Wände geschaffen. Dazwischen haben die Gletscher der vergangenen Eiszeiten weite Kare gefräst.

Bis heute ist das Karwendel ständig in Bewegung, die Bäche transportieren unglaublich viel Gesteinsmaterial und lagern dieses in den Tälern ab. Gleirschbach und Karwendelbach haben tiefe Schluchten gebildet und sind zwei der Zuflüsse der Isar, die bekanntlich im Hinterautal entspringt. 

Dennoch war das Karwendel schon immer interessant für die Menschen in seiner Umgebung. Einerseits bot es lukrative Bodenschätze wie Ölschiefer und Salz, Holz wurde in halsbrecherischen Manövern durch die Schluchten getriftet, Kaiser Maximilian I. ging im Karwendel auf die Jagd und die Almwirtschaft lässt sich bis in die Bronzezeit zurückverfolgen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Karwendel dann auch touristisch interessant. Wege und Hütten wurden gebaut, die heute noch das Grundgerüst des Wander- und Bergtourismus darstellen. 

Hermann-von-Barth-Denkmal am Kleinen Ahornboden

Der Erschließer des Karwendels

Spricht man über die Alpingeschichte des Karwendels, kommt man an einem Mann nicht vorbei:

Hermann-von-Barth gilt als der „Erschließer des Karwendels“.

Der Rechts- und Naturwissenschaftler war von den Bergen des Karwendels derart angetan, dass er im Sommer 1870 einfach mal so 88 Gipfel, 12 davon erstmals, wie etwa die Birkkarspitze, bestieg und das ganz alleine. Für die damalige Zeit höchst ungewöhnlich. Seine Erfahrungen schrieb er in seinen Büchern nieder – das Karwendel hat seinen Platz im Werk „Aus den Nördlichen Kalkalpen“.

Tatsächlich war Hermann-von-Barth maßgeblich für die touristische Erschließung des Karwendels verantwortlich. Ein Denkmal am Kleinen Ahornboden würdigt noch heute sein Tun. 

 

Kletter-Helden ihrer Zeit

Die große Begeisterung für das Karwendel ließ nicht lange auf sich warten und Alpinisten aus aller Welt wurden auf die steilen Kalkwände aufmerksam. Besonders angetan hatten es der damaligen Kletterszene die Lalidererwände, die 800 m senkrecht aufragen.

Wer hier einstieg, sich den Herausforderungen dieser mächtigen Wand mit den zum Teil brüchigen Abschnitten stellte, schrieb Geschichte. Die Namen klingen heute noch nach: Herzog, Dibona, Auckenthaler, Schmid, Rebitsch, Mariacher, Brandstätter… Sie waren die Helden ihrer Zeit. 

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Die Falkenhütte vor den Lalidererwänden

Heute ist es ruhig geworden an den Lalidererwänden. Zu brüchig, zu alpin für moderne Ansprüche. Auf den Hütten – wie etwa der Falkenhütte am Fuße der Lalidererwände - treffen sich heute hauptsächlich Wanderer und Mountainbiker auf ihren oft mehrtägigen Durchquerungen des Karwendels. Mit über 50 bewirtschafteten Hütten und Almen bietet das Karwendel in der Tat zahlreiche Möglichkeiten, sich in dieser grandiosen Naturlandschaft zu bewegen.

Vom Naturschutzgebiet zum Naturpark 

Tatsächlich erkannte man schon Anfang des 20. Jahrhunderts, welch großer Naturschatz durch die vier Gebirgsketten des Karwendels geschützt und bewahrt wurden. Um diesen Wert aber auch dauerhaft zu erhalten – und wie in der Gründungsurkunde überraschend vorausschauend zu lesen ist – „Zum Schutz vor touristischer Ausbeutung“, wurde bereites 1928 das „Naturschutzgebiet Karwendel“ verordnet, als das erste Schutzgebiet in Tirol überhaupt. 

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Vielfalt im Naturpark Karwendel

Heute umfasst der Naturpark Karwendel 727 km2, nimmt man den Bayerischen Teil noch hinzu, dann sind es sogar 920 km2. Unter dem Dach des Naturparks stehen heute 3 Naturschutz-, 2 Ruhe- und 6 Landschaftsschutzgebiete. Seit 1995 gehört das Karwendel zudem dem europäischen Schutzgebiets-Netzwerk Natura 2000 an. Kein Wunder, erlauben doch die klimatischen und topografischen Verhältnisse des Karwendels, das Gedeihen eines sehr großen Anteils an natürlichen Lebensräumen, wie richtige Urwälder und frei fließende Wildflüsse. Steinadler, Gämse, Steinbock, Weißrückenspecht und seltene Pflanzenarten, unter ihnen der Frauenschuh, fühlen sich hier wohl. 

Auch auf uns Menschen übt das Karwendel eine große Anziehungskraft aus und neben den Schwerpunkten „Naturschutz“, „Umweltbildung und „Wissen und Forschung“ steht der Naturpark auch für den Bereich „Erholung und Tourismus“. 

Hermann Sonntag, langjähriger Geschäftsführer des Naturparks Karwendel: 

„Obwohl das Karwendel so nahe am Siedlungsraum liegt, ist man schnell weit weg vom urbanen Leben und taucht in eine grandiose Natur ein.“

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Urbaner Raum versus Bergnatur

Ahornbäume als Vermittler zwischen den Welten

Herzstück des Naturparks stellt der „Große Ahornboden“ in der Eng dar. Die landschaftliche Schönheit, die von den bis zu 400 Jahre alten Ahornbäumen vor der prächtigen Bergkulisse ausgeht, begründet sich in einer interessanten Geschichte: Schriftstücke belegen, dass die Alm schon vor 1.000 Jahren genutzt wurde – und das durchgehend. Das heißt, bis auf eine Ausnahme: In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges blieb die Alm einige Jahre unbewirtschaftet. 

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Alte Ahornbäume prägen das Bild am Großen Ahornboden.

Auf dem vom Wasser angeschwemmten sandigen und kargen Boden sprießten Bergahornbäumchen – nur Bergahornbäumchen, denn für Fichten oder Tannen war der Boden nicht geeignet. Da auch keine Kühe vor Ort waren, konnten sich die Keimlinge tatsächlich entwickeln und als die Alm wieder genutzt wurde, waren die Bäume schon zu groß, um abgefressen zu werden.

Das ist der Grund, warum heute am „Großen Ahornboden“ diese vielen, knorrigen Bäume praktisch gleichen Alters stehen, die dem Talboden sein bezauberndes Aussehen verleihen und wie Vermittler zwischen unserer stressigen Alltagswelt und dem ewigen Kreislauf der Natur stehen.

Selbst aktiv werden!

Die Eng ist ein gutes Beispiel, wie die Almwirtschaft, aber auch die Jagd- und Forstwirtschaft, das Karwendel geprägt haben und dies bis heute tun. Wenn du Lust hast, tiefere Einblicke ins Karwendel zu bekommen, dann melde dich für eine der spannenden Nature-Watch-Führungen des Naturparks an. 

Nature Watch Feilkopf - jeden Mittwoch, noch bis 23. Oktober 2019 

Nature Watch Gleirschklamm - jeden Mittwoch, noch bis 23. Oktober 2019

Nature Watch Kawendelschlucht - jeden Montag, noch bis 21. Oktober 2019

Nature Watch Moosenalm - jeden Donnerstag vom 03. Oktober bis 24. Oktober 2019

Oder nimm an einer Umweltbaustellen oder einem Bergwaldprojekt teil, wo du selber Hand anlegen kannst, um die artenreichen Almen zu erhalten. 

Team Karwendel - Umweltbaustelle Lalidersalm - leider schon ausgebucht

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