Regenwürmer verbessern die Bodenqualität, schützen vor Hochwasser, tragen zur Artenvielfalt bei und helfen so uns allen.
Ein gesunder Boden bedeutet viel: eine Verringerung der Konsequenzen des Klimawandels, Wasserqualität und Artenvielfalt sind von ihm abhängig. Auch ist er die Produktionsgrundlage für unsere Landwirtschaft. Über 90 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängen unmittelbar vom Boden ab.
Seit 1900 sind 75 Prozent der weltweiten Vielfalt unserer Kulturpflanzen zurückgegangen,
berichtet der Verein Arche Noah. Prinzipiell sei es aber wichtig, die Resilienz der landwirtschaftlichen Systeme zu bewahren, so ihr Standpunkt. Denn man könne nicht wissen, welche genetischen Eigenschaften und Prägungen in der Zukunft wichtig sein werden. Um das zu schaffen, muss auch die Vielfalt und Intaktheit im Zusammenspiel der Wesen bewahrt werden, die sich sonst so im Boden finden. Etwa fünf Prozent der organischen Masse des Bodens sind Bodenorganismen – von Tieren zu Pflanzen, Mikroorganismen und Pilzen. Sie erhalten die wichtigen Funktionen eines gesunden Bodens, bauen totes, organisches Material ab, stellen Pflanzen Nährstoffe zur Verfügung oder Verbessern die Wasserführung und Belüftung.
Pflanzen lieben Regenwurmhumus
Einer der wichtigsten Bodenorganismen ist der Regenwurm und bereits Charles Darwin erkannte seine Bedeutung. Weltweit gibt es mehrere tausend Arten, in Österreich sind es etwa 65 und man nimmt an, dass sie schon seit etwa 200 Millionen Jahren die Erde besiedeln. Als größter Teil der Megafauna - also Bodenorganismen wie Schnecken, Wirbeltiere oder manchen Insekten, die größer als zwei Zentimeter sind - lebt er vollständig im Boden. Dabei schätzt man, dass in einem Hektar gesundem Boden rund eine bis drei Millionen Regenwürmer leben. Manche von ihnen graben bis über 2,5 Meter tiefe und bis zu fünf Zentimeter dicke Röhren und verbessern so die Belüftung und Wasserführung des Bodens. Böden mit vielen Regenwürmern nehmen mehr Wasser auf – das kann bei Hochwasser entscheidend sein. WissenschaftlerInnen zeigten, dass ein Boden mit vielen Regenwürmern mehr als 100 Liter Wasser pro Quadratmeter und Stunde aufnehmen kann, während bei einem verdichteten, verschlämmten Boden das Wasser schon nach wenigen Litern an der Oberfläche abläuft und Humus mitreißt.
Außerdem durchmischen sie den Boden: Da sie nur einen geringen Teil der Streu für Energie nützen können, müssen sie täglich etwa die Hälfte ihres Eigengewichts als Nahrung aufnehmen. In seinem Darm kann er dann organische und mineralische Bodenbestandteile vermischen, verstoffwechseln und als Regenwurmhumus wieder oberflächennah und als Nährstoffquelle für Pflanzen ablegen. Unverdauliche Bestandteile werden durch Darmsekrete verknüpft und bilden Verbindungen, die Bodenstruktur fördern und Erosion vermindern. WissenschaftlerInnen haben dem Erdbereich, der direkt vom Regenwurm beeinflusst wird, sogar einen eigenen Namen gegeben: Die Drilosphäre (drilos ist griechisch für Regenwurm) zählt die Wurmröhre, eine Umgebung von etwa einem Zentimeter, der Humus, und die Bereiche, in die der Wurm sein Sekret abgegeben hat.
Alfred Grand ist Biobauer und Co-Leiter der Vermigrand Naturprodukte Gmbh, die mit Hilfe von Regenwürmern Biodünger, Bioerde oder Bodenhilfsstoffe produzieren. Geht es nach ihm, sollte der Begriff Artenvielfalt nicht nur auf Pflanzen beschränkt sein: „Ich zähle da auch die Möglichkeiten, die wir im Ackerbau haben: Welche Artenvielfalt gibt es auf dem Feld und welche Möglichkeiten gibt es, sie zu diversifizieren.“ Eine wichtige Rolle spielen auch hier die Bodenorganismen, insbesondere der Regenwurm. „Regenwurmhumus ist ein Biodünger, den man selber produzieren kann aus Küchen- und Gartenabfällen. Und er erhält das wertvolle Bodenleben, das später für einen fruchtbaren Boden sorgt.“
10 Milliarden Bakterien in einem Gramm
In einem Gramm Ackerboden können sich etwa 10 Milliarden Bakterienzellen und etwa 1 Milliarde Archäen tummeln (Mikroorganismen, die Bakterien ähneln). Dazu kommen noch Pilze, die in ihrer Biomasse auch stark vertreten sind. Sie sorgen für ein Gleichgewicht im gesamten System, auch weil sie wiederum Nährstoffe für größere Organismen zur Verfügung stellen, welche dann etwa durch den Regenwurm besser verteilt werden. Das Sekret, das der Regenwurm abgibt, ernährt aber auch einige Bakterienarten. Man kann sich deshalb leicht vorstellen, wie schwierig es ist, diese Komplexität und das Zusammenspiel wissenschaftlich komplett nachzuvollziehen oder gar im Labor nachzubauen.
„Der jahrzehntelange Einsatz von Kunstdünger sorgte für überdüngte, ausgelaugte und an Bodenleben verarmte Böden“,
schreibt Grand auf seiner Homepage. Greift man auf natürliche Prozesse, wie die Humusproduktion durch Regenwürmer, zurück, kann das Ökosystem Boden funktionsfähig Erde produzieren, die wiederum Lebensbedingungen für alle weiteren Organismen bietet und auch die Basis für gesunde Nahrungsmittel ist.
Die Bildung dieses nahrhaften Bodens ist aber nicht nur auf den Ackerbau beschränkt: „Ich habe vor ein paar Jahren ein System entwickelt, welches dem Urban Gardener ermöglicht, direkt im Hochbeet zu kompostieren“, sagt Grand im Interview mit BIORAMA. Die sogenannte Humusbox produziert mit Hilfe von Kompostwürmern Biodünger aus Küchenabfällen. Gleichzeitig können sich eingetopfte Pflanzen den produzierten Dünger einverleiben. Und der Regenwurm? Der bohrt immer noch - wenn es gut geht, noch weitere 200 Millionen Jahre. (Autorin: Katharina Kropshofer)