Ein Beitrag für die Artenvielfalt: Ein Nützlingshotel für deine Schule:
Naturschutz macht Schule
„Wissen, das man einfach nur auswendig lernt, vergisst man schnell. Zusammenhänge verstehen, darum geht es. Das bleibt!“ erklärt Lehrer Strobl in der Direktion der Polytechnischen Schule Zwettl, Niederösterreich. Die herzliche Schulleiterin Eva Maria Rester und der engagierte Lehrer Christian Strobl gestalten die Zukunft und schaffen Naturbewusstsein mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen sucht. Wir sind vor Ort, um nach dem aktuellen Stand ihrer Nachhaltigkeitsprojekte zu fragen.
Natur verstehen lernen: Beispiel Nützlingshotel
Die Polytechnische Schule in Zwettl ist eine eingetragene ÖKOLOG Schule, ein österreichisches Netzwerk für Schule und Umwelt. Die Schule hat bereits vier Nützlingshotels gemeinsam mit Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Fachgruppen gebaut. Drei davon stehen vor ihrer eigenen Schule, eines steht umringt von einer Gruppe alter Obstbäume ganz in der Nähe vom Stift Zwettl. Rainer Grundacker, Leiter der Fachgruppe Holz, hat dort vor zwei Jahren mit Schülerinnen und Schülern des damaligen Lehrgangs das Fundament gesetzt und das Insektenhotel geplant und gebaut. „Die Schüler sind stolz, wenn sie sehen, dass sie etwas erschaffen haben. Sie setzen direkt um, was sie lernen“, erklärt Schulleiterin Rester.
Mit solchen praktischen Beispielen können Zusammenhänge in der Natur wesentlich einprägsamer vermittelt werden. Die Schülerinnen und Schüler lernen ganz konkret, was eine Biene zum Nisten benötigt, welche Nahrung sie zum Überleben braucht und warum wir sie für den Erhalt der natürlichen Artenvielfalt unbedingt schützen müssen. Erst wenn die Schülerinnen und Schüler diese Zusammenhänge verstehen, wird klar: eine Blumenwiese ist nicht nur eine Blumenwiese, sondern Lebensraum. Wissen schafft somit Bewusstsein.
Naturschutz schafft Leben
Die Polytechnische Schule in Zwettl bereitet nicht nur junge Menschen auf das Berufsleben vor. In dieser Schule werden auch Zusammenhänge vermittelt...
Ein Privatunternehmen bat die Polytechnische Schule vor zwei Jahren um Hilfe, denn rund 30 alte Obstbäume sollten einer neuen Umfahrung weichen. Die Bäume wurden in einer kostenaufwendigen Aktion von dem Unternehmen ausgegraben und umgesetzt. Mittlerweile steht in der Mitte der idyllischen Baumgruppe ein neues Nützlingshotel – das stolze Werk der Polytechnischen Schule Zwettl, die dafür von der Idee bis zur Umsetzung verantwortlich war. Projekte wie diese erzeugen Bewusstsein bei Menschen – von jung bis alt. Doch vor allen Dingen schaffen sie die Grundlage für neues Leben.
Wir waren vor Ort. An der „Rezeption“ des Nützlingshotels stehen Obstbäume in ihrer vollen Blüte. Vor dem Insektenunterschlupf inmitten einer blühenden Wiese zwitschert und summt es. Die emsigen Bienen sind g’schafftig – so wie es sein soll. Und es scheint als wären sie gekommen, um zu bleiben.
Größter österreichischer Naturschutzpreis: Die Brennnessel
Blühendes Österreich sucht nach nachhaltigen Naturschutzprojekten.
Zum Naturschutzpreis: https://www.bluehendesoesterreich.at/naturschutzpreis-die-brennnessel/
Samen säen für die Zukunft
Zu den Nützlingshotels vor der Schule pflanzten SchülerInnen und Lehrer einen Nützlingsstreifen und befreien die Flächen rundherum regelmäßig vom wuchernden Unkraut. Der Nützlingsstreifen ist wie die Straße zum Hotel. Dort wo die Insekten nisten, sollen sie auch ihre Nahrung finden. Mit jedem Schuljahr lässt sich das Lehrerkollegium Neues einfallen. Sie wollen den jungen Menschen nachhaltig vermitteln, dass in der Natur alles zusammenhängt und das ihr Einsatz für die Natur etwas bewegen kann. „Und wenn nur einer von den 12 bis 15 Schülern pro Lehrgang sagt ‚Super, so ein Nützlingshotel könnte ich für uns daheim auch nachbauen’ dann waren wir erfolgreich“, ist Schulleiterin Rester überzeugt. Ähnlich denkt auch Lehrer Strobl. „Na klar, braucht man einen langen Atem. Aber unser Ziel ist Evolution, keine Revolution.“
Im letzten Jahr der Polytechnischen Schule in Zwettl will man den jungen Menschen auch ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit mitgeben. Lehrer und Lehrerinnen werden dadurch zu geistigen Gärtnern, die durch Bildung Samen für eine nachhaltige Zukunft säen.
Lehrer und Lehrerinnen, Kindergärtner und -gärtnerinnen leisten einen wichtigen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Naturbewusstsein in unserer Gesellschaft. Blühendes Österreich würdigt diese Bemühungen und sucht in Schulen und Kindergärten nach innovativen Naturschutzprojekten. Die Brennnessel Gewinner werden mit bis zu 5.000 Euro bei der Umsetzung ihrer nachhaltigen Schul- oder Kindergartenprojekte unterstützt. Weitere Informationen zum Naturschutzpreis "Die Brennnessel"erfährst du hier!
Selbsterntefeld in Ober-Grafendorf
Andreas Lechner setzt (auf) nachhaltiges Bio Gemüse, das man frisch vom Feld ernten kann.
Bio Gemüse selber ernten: https://www.bluehendesoesterreich.at/biologisches-gemuese-ober-grafendorf
Eine Gemeinde setzt auf Nachhaltigkeit
„Als Bürgermeister gibt es die Pflicht und die Kür“, erklärt uns Rainer Handlfinger, der charismatische Bürgermeister von Ober-Grafendorf. Er will mit seiner Gemeinde ebenfalls bei "der Brennnessel" - Österreichs größtem Naturschutzpreis - einreichen. Die Infrastruktur muss in Ordnung sein, der Rollsplitt weggeräumt, Blumen an öffentlichen Plätzen gesetzt und ähnliche Aufgaben - die gehören gemacht, das ist die Pflicht. „Wie man sein Amt darüber hinaus nutzt, mit welchen Maßnahmen man als Bürgermeister in Erinnerung bleiben will, das ist die Kür.“ Und Rainer Handlfinger, der will „nachhaltig“ in Erinnerung bleiben und beweist dabei vor allem Mut.
Geschützte Bienenwiesen und Bio Gemüse vom Feld
Die rund 4.600 Seelen-Gemeinde ist Tummelplatz für Nachhaltigkeitsprojekte: Geschütze Wiesen für Bienen, ein Bio Gemüse Selbsterntefeld, geförderte Photovoltaik Anlagen, die Renaturierung der Pielach und eine sogenannte Ökostraße, die für mehr Artenvielfalt in Siedlungsräumen wertvolle Bestäuber anlocken soll. Im e5 Programm für energieeffiziente Gemeinden erhält Ober-Grafendorf daher stolze 3 von 5 möglichen Sternen, einen European Energy Award, den Austrian Energy Globe - Kategorie Wasser 2016 und den Climate Star 2016 obendrein.
Blühendes Österreich sucht mit seinem neuen Naturschutzpreis - "Die Brennnessel" - bei Gemeinden, NGOs, Planungsbüros oder Vereine nachhaltige Naturschutzideen.
Bewusstsein für Naturschutz schaffen
Kann man mit dem Thema Nachhaltigkeit auch bei den Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde punkten? Eine Antwort auf diese Frage kommt zögerlich. Handlfinger bekommt nicht für jedes seiner Projekte, die Energie sparen, Bienen schützen und Regenwasser wieder verwerten sollen Beifallsstürme. Es ist nicht einfach, den Menschen verständlich zu machen, um was es geht. Aber man gibt sich Mühe. Bei der Pflicht und bei der Kür.
Nachhaltigkeit auf Kommunalebene. Könnte ein innovatives Projekt in der niederösterreichischen Marktgemeinde Ober-Grafendorf in Zeiten des Klimawandels Chancen für mehr Nachhaltigkeit bieten?
Eine spezielle Mischung aus recycelten Sedimenten soll Regenwasser speichern und Grünflächen im öffentlichen Raum mit Feuchtigkeit versorgen. Dies lockt wichtige Bestäuber von Schmetterlingen bis Wildbienen an und sorgt in Siedlungsräumen für noch mehr Artenvielfalt. Regenwasser wird nachhaltig genützt und könnte – etwas weiter gedacht – für Abkühlung sorgen, wenn Großstädter im Hochsommer die Hitze plagt. Ober-Grafendorf will mit diesem Projekte Nachhaltigkeit mitgestalten und beim Naturschutzpreis „Die Brennnessel“ mitmachen.
Es regnet wie aus Schaffeln
Bürgermeister Rainer Handlfinger und Gemeindemitarbeiter Gerhard Gruber zeigen es vor. Kübelweise Wasser – insgesamt 55 Liter – schütten sie innerhalb weniger Sekunden auf nicht einmal einen Quadratmeter der blühenden Ökostrasse. Dies entspricht der Menge Wasser, die bei sehr starkem Regen auf den Boden prasselt. Das Wasser versickert in der Sekunde. So weit, so gut – doch was bedeutet das im Klartext? Unterschiedliche Sedimente – von Granit bis Kiesel – nehmen das Regenwasser auf und speichern es in ihren Hohlräumen. Dabei liegt das Geheimnis in der guten Mischung. Wie groß sind die Steine und in welcher Zusammensetzung nehmen sie am meisten Wasser auf? Zu große Hohlräume würde das Wasser direkt versickern lassen. Zu kleine Hohlräume könnten kaum Wasser aufnehmen und das Wasser würde in der Ökostraße stehen.
Wie funktioniert nachhaltiges Regenwasser Management für Artenvielfalt in Siedlungsräumen? Die Ökostraße könnte die Lösung sein:
- Hohlräume zwischen den Sedimenten speichern Regenwasser
- Feuchtigkeit verdunstet und versorgt Pflanzen mit Wasser
- Kein Gießen, keine Kanalanbindung
- Blühstreifen lockt Schmetterlinge, Bienen und Co. an
- Abkühlung des Mikroklimas
- Verringerung der Bodenversiegelung (Reduzierung des asphaltierten Strassenquerschnitts)
Regenwasser kann unmittelbar weiterverwendet werden. Das gespeicherte Wasser verdunstet und erhält dadurch die darauf wachsenden Pflanzen. Grüne Flächen und blühende Pflanzen locken wichtige Bestäuber wie Schmetterlinge, Hummeln und Bienen an.
An heißen Sommertagen erreicht die Ökostraße somit eine Kühlleistung einer 100-jährigen Buche.
Im kleinen Rahmen betrachtet, spart sich die Gemeinde nicht nur Kosten für eine Kanalanbindung. Sedimentäres Material wird recycelt, Regenwasser genutzt und noch mehr Raum für blühende Artenvielfalt geschaffen. In größeren Dimensionen gedacht, kann dies in Zeiten des Klimawandels und ständig steigender Temperaturen kühle Abhilfe bedeuten. Das könnte gerade für Großstädte, in denen im Hochsommer die Hitze über dem Asphalt zu flirren beginnt, eine Lösung sein.
Nachhaltigkeit in der Testphase
Noch befindet sich die Ökostraße in Zusammenarbeit mit DrainGarden® und der BOKU Wien in der Testphase. Der Blühstreifen wird aktuell mit unterschiedlichen Zusammensetzungen und Bepflanzungen getestet, um „Öko“ vielleicht schon bald im großen Rahmen auf die Straße zu bringen.
Eine Landwirtin schafft Artenvielfalt
„Auf einmal hat es draußen gedonnert! Ich dachte ein Auto wäre in mein Haus gekracht.“ Irina Orlicek, Hausherrin des Mühlbergerhofes im oberösterreichischen Grein, eilt hinaus. Da draußen liegt sie. Ihre rund 950 Jahre alte Eiche, gebrochen im Kreislauf der Natur. Beim Anblick kamen ihr die Tränen, berichtet die sympathische Hofbesitzerin. Ihre besondere Verbindung zur Natur und diesem Ort ist bereits nach wenigen Minuten spürbar. Mit der naturnahen Bewirtschaftung ihrer 20 Hektar Grund will sie in enger Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund der Regionalgruppe Marchland in erster Linie nachhaltig Artenvielfalt sichern und scheut sich nicht, ihr Leben dafür auf den Kopf zu stellen. Der Mühlbergerhof, bei dem Natur und Nachhaltigkeit an erster Stelle stehen, ist für "Die Brennnessel" ein absolutes Leuchtturmprojekt.
Schottische Hochlandrinder für mehr Artenvielfalt in Grein
Die Naturliebhaberin, eine Vision und das liebe Vieh. Eine Geschichte, die unter die Haut geht.
Eine kleine Gruppe schottischer Hochlandrinder steht auf der Weide. Dazu kommen auch noch einige Hühner und ein angriffslustiger Hahn. Mit 16 Jahren besuchte Irina Orlicek zum ersten Mal diesen malerischen Ort. Es war der Wunsch der Großmutter, die ihren idyllischen Mühlbergerhof ein letztes Mal sehen wollte. „Ich wollte nie wieder weg“, erinnert sich Irina Orlicek. Die Reise mit der betagten Großmutter und der naturverliebten Enkelin, hier schließt sich der Kreis. Die Natur nahm ihren Lauf. Mit 30 Jahren ließ die Wienerin die Stadt hinter sich und wollte sich fortan nur mehr der Natur widmen. Ihr Ziel: Ursprüngliche Natur, saftige Wiesen und die sichtbare Artenvielfalt, so hatte sie ihre Kindheit in Erinnerung. In dieser ursprünglichen Pracht sollte auch der alte Mühlbergerhof neu erblühen.
„Hier darf alles leben“
Seitdem hat sie zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um am Mühlbergerhof paradiesische Verhältnisse zu schaffen. Ihre robusten schottischen Hochlandrinder eignen sich für eine ganzjährige Freilandhaltung und eine extensive Beweidung - ganz so wie es die Bäuerin im Sinn hatte. Auf ihrer Streuobstwiese stehen blühende Zwetschken und Kriecherlbäume - 25 von den rund 50 Arten, die es im oberösterreichischen Genpool gibt. Dank der naturnahen Bewirtschaftung holt sich die Natur ihren Lebensraum zurück und das kann Irina Orlicek hautnah miterleben. Sie fotografiert und katalogisiert ihre Beobachtungen von Insekten und Pflanzen. Über 1.300 Insekten hat sie bereits gesichtet, darunter gelten über 70 Arten als selten oder gefährdet.
„Hier darf alles leben. Ich greife so wenig wie möglich in den Lauf der Natur ein.“ Sogar die einst erhabene Eiche darf auf dem Mühlbergerhof bleiben, um hier ihre letzte Ruhe zu finden. Sie liegt in der Nähe des Hauses geschützt von einem kleinen Zaun. Mittlerweile bietet sie Nistplätze für zahlreiche Käfer und somit Raum für neues Leben. Das ist er also - der sich schließender Kreis der natürlichen Zusammenhänge. - Ganz so wie ihn Lehrer Strobl bereits zu Beginn unserer Reise beschrieben hatte.
Text: Mury Vo-Papis
Foto: Alex Papis