Johann Grießner, Bürgermeister von Lamprechtshausen in Salzburg, setzt sich seit Jahren leidenschaftlich für den Erhalt des Weidmoos Moores ein und ist auch ansonsten sehr umtriebig in Sachen Naturschutz. Genau das macht ihn und seine Gemeinde zum perfekten Kandidaten für „Die Brennnessel“. Mit diesem Preis unterstützt die Stiftung Blühendes Österreich Projekte, die sich für die Natur und ihre Artenvielfalt einsetzen. Wir waren vor Ort, um uns selbst ein Bild davon zu machen, wie aktiver Naturschutz Leben schafft.

Treffpunkt Gemeindeamt Lamprechtshausen. Eigentlich haben wir einen Herrn im Sakko erwartet, vielleicht im Lodenjanker, aber der Bürgermeister trägt die Uniform der Salzburger Berg- und Naturwacht. Rote Weste, beiges Hemd. Zur Begrüßung drückt er uns strahlend einen Bildband über österreichische und bayrische Moore in die Hand. Eines ist sofort klar: Dieser Mann lebt für die Natur.

 

Wir machen uns gleich auf den Weg zu den Wiesen und Feldern am Ortsrand, der vom Gemeindeamt nur einen Steinwurf entfernt ist. Hier warten auch schon Arno Weiss und sein Sohn zwischen Blumenwiese und Kräuterbeet. Anstatt die Fläche zu verbauen, stellt sie die Gemeinde den Bürgerinnen und Bürgern von Lamprechtshausen zur freien Verfügung. Wer möchte, kann hier nach Herzenslust in der Erde graben und garteln. Kräuter- und Gemüsebeete für alle, denn ein eigener Garten ist selbst hier am Land nicht selbstverständlich. Arno Weiss hat das Projekt im Vorjahr betreut und gemeinsam mit dem Bürgermeister die ersten sprichwörtlichen Samen gesät, damit auf dieser Blumenwiese demnächst über 80 verschiedene Pflanzen und Kräuter sprießen können.

„WIR WOLLEN ZU EINEM UMDENKEN BEWEGEN UND MIT GUTEM BEISPIEL VORAN GEHEN“, SAGT JOHANN GRIESSNER. „WEG VOM ENGLISCHEN RASEN, HIN ZU BLÜHENDEN WIESEN!“

Vom Einheits-Rasen zur bunten Blumenwiese

Es klingt wie eine Parole, und die ist wohl auch nötig in Zeiten, in denen beinahe alles niedergemäht wird, was sprießt. Die Kinder sollen sehen, wie bunt und vielfältig es in der Natur werden kann, wenn man sie nur lässt. Jetzt im April ist davon leider noch nicht allzu viel zu sehen, aber der ausgebildete Kräuterpädagoge Johann Grießner kommt auch so ins Schwärmen: „Bald ist hier alles voll mit Kornblumen, Klappertopf und Klatschmohn“, sagt er, und entdeckt dann in der Wiese ein Ruchgras, das sich zwischen Wiesenschaumkraut und Sauerampfer versteckt hat. Wir sind beeindruckt.

„Der Einsatz von Herbiziden kommt für uns natürlich gar nicht in Frage“, erzählt der Bürgermeister. Der gelernte Landwirt war früher einmal Leiter einer Lagerhausgenossenschaft und weiß aus Erfahrung, wie viel Handelsdünger gekauft wird. „Das ist gerade im Hausgarten überhaupt nicht nötig und belastet nur die Umwelt“, sagt er, während wir auf der Wiese nebenan zwei Feldhasen entdecken. „Gottseidank werden auch bei uns die biologisch wirtschaftenden Landwirte immer mehr.“

Das neueste Projekt der Gemeinde nennt sich „Naturnahes Grün“. „Für manche ist es wohl noch etwas ungewohnt, aber wir möchten, dass Bankette und Fahrbahnteiler seltener gemäht werden“, erklärt Gemeindevertreter Arno Weiss. Das vermeidet „totgepflegte“ Rasenflächen, fördert die Artenvielfalt und bietet vor allem Schmetterlingen und Bienen eine wichtige Lebensgrundlage.

Weidmoos lädt zum Verweilen ein

Wir folgen Johann Grießner zur inoffiziellen Hauptattraktion von Lamprechtshausen: das Weidmoos. Immerhin befinden wir uns im Salzburger Flachgau, einer Region, die vor dem achten Jahrhundert noch kaum bewohnbar war. Sümpfe und Moore erstreckten sich über weite Teile des Salzburger Alpenvorlandes. Das Weidmoos war eine unzugängliche Landschaft, bis im späten 18. Jahrhundert mit der Kultivierung begonnen wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde es schließlich zur Industrielandschaft, in der bis ins Jahr 2000 Torf im großen Stil abgebaut und zu Blumenerde weiterverarbeitet wurde.

„DER NUTZUNGSDRUCK WAR EXTREM GROSS. ES GAB IDEEN, DIE GEGEND HIER IN EINE MÜLLDEPONIE UMZUWANDELN, EINEN GOLFPLATZ WOLLTE MAN ERRICHTEN, AUCH VON EINEM FLUGPLATZ WAR DIE REDE."

Das Weidmoos in Zahlen und Fakten:

  • 150 Jahre lang wurde im Weidmoos Torf abgebaut.
  • 50 Dämme mit einer Länge von insgesamt 2,5 Kilometern wurden errichtet.
  • 30 Hektar neue Wasser- und Feuchtflächen wurden geschaffen.
  • 20 bis 30 Brutpaare des Weißsternigen Blaukehlchens beherbergt das Weidmoos.
  • 8 Amphibien und 5 Reptilienarten leben im Weidmoos, darunter Ringelnattern und Gelbbauchunken.
  • 300 Pflanzenarten wurden dokumentiert.
  • 12 Meter hoch ist der Weidmoos Natur-Aussichtsturm.

Moor statt Mülldeponie

Kaum zu glauben, dass diese wunderschöne, verwunschene Landschaft vor ein paar Jahren noch eine karge Industrie-Torfwüste war. Noch ungläubiger schauen wir drein, als Johann Grießner uns von den damaligen Plänen erzählt: „Der Nutzungsdruck war extrem groß. Es gab Ideen, die Gegend hier in eine Mülldeponie umzuwandeln, einen Golfplatz wollte man errichten, auch von einem Flugplatz war die Rede.“

Vom gewundenen Lärchenholzsteg schauen wir in das rötlich schimmernde Wasser, in dem der fleischfressende Wasserschlauch treibt. Am Ufer leuchten die weißen, schlanken Birkenstämme und im Hintergrund ist die Weidmooser Lachmöwen-Kolonie zu hören. Das alles hier eine Mülldeponie? Nicht mit Johann Grießner. Er hatte eine ganz andere Vision, die man fast als sein Lebenswerk bezeichnen möchte.

Der Moor-Manager

Schon in den 80er Jahren beschloss die Gemeindevertretung auf Vorschlag des damaligen Vizebürgermeisters Johann Grießner ein erstes räumliches Entwicklungskonzept zur Renaturierung des Weidmooses. Neben vielen weiteren Beteiligten ist es zu einem guten Teil seinem Einsatz zu verdanken, dass das Weidmoos schließlich zwischen 2003 und 2007 ein von der EU gefördertes LIFE-Projekt wurde. Von Anfang an beteiligte sich auch die Bevölkerung der Gemeinden Lamprechtshausen und St. Georgen intensiv am „Habitatmanagement im Vogelschutzgebiet Weidmoos“, wie das Projekt offiziell hieß.

Großflächig wurden Teiche aufgestaut, Dämme gebildet und die Bewirtschaftung von 28 Hektar Streuwiesen und deren regelmäßige Mahd im Herbst organisiert. Als Obmann des Torferneuerungsvereins Weidmoos kümmert sich der Bürgermeister mit Freiwilligen aus der Gemeinde außerdem um das Fräsen der Böden und die regelmäßige Ausbuschung der Moorlandschaft – damit sie nicht zuwächst und unkontrolliert verwaldet. Als Helfer mit dabei sind neben den örtlichen Jägern immer wieder auch einige Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, die in Lamprechtshausen leben.

Image
Moor

Das Weidmoos ist für alle da

So haben heute alle etwas davon. Nicht nur die rund 5.000 Besucher, die jedes Jahr auf dem eigens angelegten Themenweg gemächlich durch das Moor spazieren. Nicht nur die vielen Schulklassen, die hier etwas über die Geschichte des Moors lernen. Oder die Fachleute und Biologen aus ganz Europa, die sich von Johann Grießner durch diese einzigartige Landschaft führen lassen. Das Weidmoos ist heute auch ein wahres Vogelparadies.

Wir steigen jetzt auf die zwölf Meter hohe Aussichtsplattform des Weidmoos-Turmes. Von hier oben bietet sich eine großartige Rundsicht auf dieses Mosaik aus Wasserflächen, Schilfbeständen und Weidengebüschen. Dazwischen lässt sich so manche seltene Vogelart erspähen. Die schon erwähnten Lachmöwen sind nun nicht nur zu hören, von hier aus kann man sie auch sehen. Außerdem finden Graugänse, Uferschnepfen oder das Tüpfelsumpfhuhn perfekte Lebensbedingungen. „Das seltene Weißsternige Blaukehlchen war mit 32 Brutpaaren unser Star und mit ein Grund, warum das Weidmoos 2006 zum Natur- und Europaschutzgebiet erklärt wurde“, erzählt Johann Grießner stolz.

Zukunftspläne, die Geschichte schreiben

Schweren Herzens machen wir uns langsam auf den von Heidekraut, Heidelbeerpölstern und Binsenstöcken gesäumten Rückweg. Immer wieder kreuzt die Geschichte dieses speziellen Ortes in Form von Schienen der früheren Bockerlbahn unseren Weg. Auf ihnen wurde einst der Torf aus dem Moor transportiert. Und auch die alte Torfarbeiter-Schutzhütte hat man nicht abgerissen, sondern lediglich um einen Zubau erweitert. Heute erfährt man hier in der Info-Stelle alles rund um die Tier- und Pflanzenwelt und die bewegte Geschichte des Moores. Und die geht weiter. Johann Grießner wäre nicht, wer er ist, wenn er nicht schon neue Pläne hätte. Demnächst will er die Barrierefreiheit erweitern und ein eigener Audioguide soll Blinde durch das Weidmoos Moor führen.

 

Johann Grießners Leidenschaft für diesen Ort ist jedenfalls ansteckend, und so haben wir das Weidmoos beim Abschied schon ins Herz geschlossen. Einziger Wermutstropfen: der noch nicht blühende Sonnentau. „Den hätte ich Ihnen so gerne gezeigt“, sagt Johann Grießner und wirkt dabei ehrlich bedrückt. Das macht nichts, denn wir kommen gerne wieder!

Wir sind davon überzeugt: Naturschutz is ka gmahde Wies`n! Deswegen haben wir mit „der Brennnessel“ einen neuen Naturschutzpreis ins Leben gerufen, um innovative Naturschutzprojekte in ganz Österreich zu prämieren. Du, deine Schulklasse, Verein oder Gemeinde machen sich stark für den Naturschutz mit nachhaltigen Projekten, die die heimische Artenvielfalt sichern?

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