Artenvielfalt
Tagpfauenauge und Zitronenfalter, Taubenschwänzchen und Wiener Nachtpfauenauge: Nur eine kleine Anzahl von Schmetterlingen ist in der Regel der breiten Bevölkerung in Österreich bekannt. Tatsächlich wurden aber in unserem Land bisher 4.071 verschiedene Falterarten registriert. Diese Vielfalt ist selbst im europäischen Maßstab mit etwa 10.000 Arten beachtlich und Österreich übertrifft damit alle nord- und mitteleuropäischen Länder, einschließlich fast aller benachbarten Staaten, darunter selbst das viel größere Deutschland mit 3.602 Arten oder die Schweiz mit 3.668 Arten.
Österreich gehört gemeinsam mit Frankreich, Spanien, Italien und Russland zu den Top-Fünf und somit zu den artenreichsten Ländern Europas!
Bedingt durch die unterschiedliche Flächengröße und Lebensraumvielfalt sind die Artenzahlen der einzelnen Bundesländer deutlich verschieden. Am diversesten ist das flächengrößte Bundesland Niederösterreich mit 3.511 nachgewiesenen Arten, gefolgt von der Steiermark mit 2.917 sowie Tirol, Kärnten und Oberösterreich mit jeweils rund 2.800 Arten. Selbst aus Wien wurden schon mehr als 2.500 unterschiedliche Schmetterlinge gemeldet. Alljährlich werden auch heute noch Neufunde für Österreich oder zumindest für einzelne Bundesländer gemacht, so zuletzt mit dem Zürgelbaumfalter sogar der erste sichere Nachweise eines attraktiven Tagfalters aus dem Bundesgebiet.
Vorarlberg | 2.389 |
Nordtirol | 2.623 |
Tirol | 2.830 |
Kärnten | 2.805 |
Steiermark | 2.919 |
Salzburg | 2.223 |
Oberösterreich | 2.792 |
Niederösterreich | 3.511 |
Wien | 2.554 |
Burgenland | 2.414 |
Österreich gesamt | 4.071 |
Die Schmetterlingsvielfalt Österreichs verteilt sich auf 78 ganz unterschiedliche Familien. Viele der bekanntesten Arten gehören zu den Tagfaltern, die mit den Familien der Dickkopffalter, Ritterfalter, Weißlinge, Edelfalter, Würfelfalter und Bläulinge in insgesamt 208 Arten bekannt sind.
Diese augenscheinliche Vielfalt relativiert sich allerdings im Vergleich mit der enormen Fülle der wissenschaftlich inkorrekt als Nachtfalter bezeichneten Gruppen. Mehr als 95 Prozent der einheimischen Schmetterlinge gehören hierher, insgesamt etwa 3.800 Arten. Die artenreichsten Familien sind die Eulenfalterartigen im klassischen Sinne mit 630 Arten sowie die Spanner mit 473 Arten. Bekannte, wenn auch viel artenärmere Nachtfalterfamilien sind darüber hinaus beispielsweise die Schwärmer mit lediglich 21 Arten oder die Augenspinner mit acht Arten. Die große Mehrzahl von etwa 60 Prozent der einheimischen Schmetterlingsfauna zählt zu den sogenannten Kleinschmetterlingen.
Ein besonderer Schatz sind die 35 endemischen oder subendemischen Arten oder Unterarten, das sind Schmetterlinge, die weltweit nur in Österreich vorkommen bzw. hier einen entscheidenden Schwerpunkt ihrer Verbreitung haben.
Genetische Vielfalt
Seit gut 250 Jahren werden Schmetterlinge beschrieben und wissenschaftlich benannt, vor allem basierend auf der Morphologie.
Die genetische Vielfalt blieb trotz ihrer Bedeutung als Grundlage der Artenvielfalt jedoch weitgehend unbekannt. Erst in den letzten Jahren haben sich genetische Methoden als wichtiger Standard zur Erfassung von Biodiversität etabliert.
In umfangreichen Voruntersuchungen erwiesen sich insbesondere kurze genetische Sequenzen einer standardisierten Region des mitochondrialen COI-Genes (Cytochrom C-Oxidase), dem sogenannten DNA Barcode, als hervorragend geeignet für die Unterscheidung mehrzelliger Organismen. Die Abfolge der Basenpaare wird dabei ähnlich wie bei einem Strichcode auf Produktverpackungen als Kennzeichen für eine Art verwendet und weist typischerweise gegenüber allen anderen Arten Unterschiede auf. Gleichzeitig werden Aussagen zur genetischen Vielfalt innerhalb einer Art möglich. Aktuell gibt es bereits für etwa 84.000 Schmetterlingsarten genetische Strichcodes.
Auch österreichische Institutionen beteiligen sich an der globalen Initiative. Eine von den Tiroler Landesmuseen getragene Kampagne „Lepidoptera of the Alps“ sowie die 2014 gestartete DNA-Barcoding-Initiative ABOL (Austrian Barcode of Life) liefern erstmals Megadaten zur genetischen Vielfalt der Schmetterlinge. Inzwischen existieren bereits für mehr als 2.000 Falterarten Österreichs erste DNA Barcodes.
Wie nötig diese Grundlagenerhebungen sind, belegt eine neue Studie der Tagfalter Spaniens mit einem möglichen Anteil von fast 30 Prozent an versteckter Artenvielfalt. Auch in Österreich existieren bisher übersehene Arten, die erst mittels genetischer Methoden entdeckt wurden, darunter der erst 2015 aus Osttirol beschriebene Kleinschmetterling Callisto basistrigella.
Von großer Bedeutung für den Artenschutz ist aber vor allem der Nachweis unterschiedlicher genetischer Linien bei vielen Arten. Ein eindrückliches Beispiel bietet der Hopfenwurzelbohrer mit vier Haplotypengruppen in Österreich, aber nur einer in den benachbarten Ländern.
Selbst ein „nur“ lokales Verschwinden einer Art kann somit bereits gleichbedeutend mit dem globalen Verlust eines einzigartigen Genotyps sein.
Dieser Beitrag stammt aus der Publikation "Ausgeflattert I - der stille Tod der österreichischen Schmetterlinge". Die Broschüre ist kostenlos als pdf verfügbar.
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