Citizen Scientists sind engagierte, naturinteressierte Personen, die Wissenschaftler bei der Arbeit unterstützten. Sie beobachten, wann der erste Apfelbaum blüht, wo Pilze wachsen oder gesunde Bäche fließen und leisten so ihren Beitrag für ein artenreiches Österreich. Daniela Illich stellt zehn Citizen Science-Projekte vor, mit denen wir uns für den Erhalt gefährdeter Arten und Lebensräume einsetzen können.
1Schmetterlinge im Fokus
Schmetterlinge sind stark gefährdet. Die grazilen Tiere sind aber als Blütenbestäuber und Indikator für ein intaktes Ökosystem sehr wichtig. Geht es den Bestäubern nicht gut, geht es folglich der Umwelt und den Menschen nicht gut. Die Initiative Blühendes Österreich heftet sich daher an die Flügel der Falter. Mit einer App können registrierte Nutzer österreichweit gesichtete Tagfalter fotografieren, bestimmen und dazu auch die Community befragen. Zusätzlich erhebt die Schmetterlingsvolkszählung die Bestandsentwicklung. In Tirol gibt es im Rahmen des Viel-Falter-Projekts der Universität Innsbruck außerdem die Möglichkeit, Informationen über Schmetterlinge zu sammeln. Aktuell werden bestehende Daten ausgewertet, ab 2017 wird wieder intensiv um Freiwillige geworben.
Hier die App downloaden: www.schmetterlingsapp.at
2Der Teebeutel als Klimazeiger
Das Tea Bag Index-Projekt sammelt weltweit Informationen über Zersetzungsprozesse im Boden. Bei der Zersetzung wird Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen. Je schneller der Prozess vonstattengeht, desto mehr wird von diesem Treibhausgas frei und desto schneller erwärmt sich unser Klima. Um die Vorgänge noch besser zu verstehen, kooperiert die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) gemeinsam mit der Universität von Utrecht für das Teebeutel-Experiment. Wer mitmachen will, vergräbt drei Beutel grünen oder Rooibos-Tee der Firma Lipton (die Sorte ist wichtig für die internationale Vergleichbarkeit) acht Zentimeter unter der Oberfläche im Wald, auf der Wiese oder am Feld. Drei Monate später gräbt man die Beutel wieder aus, trocknet sie und schickt sie an die Ages zur Analyse (Spargelfeldstraße 191, 1220 Wien). Das Projekt läuft bis 30. Jänner 2017.
3Die Igel sind los
Igel stehen in Österreich auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere. Sie leben häufig in Siedlungen und lieben naturnah gestaltete Gärten. Die Universität für Bodenkultur Wien erforscht die „nachtaktiven Punks“, um sie zu schützen, und ruft Personen zum Mithelfen auf. Anhand eines Datensatzes pro heimischem, untersuchtem Garten werden dann Zusammenhänge zwischen Igelvorkommen und Gartenstrukturen sowie -bewirtschaftung und umgebenden Landschaftsstrukturen erstellt. Im ersten Projektjahr wurden bereits 89 Igelerhebungen aus Gärten gemeldet und das Igelvorkommen durchwegs als stabil erkannt. Wer also einen Garten oder Zugang zu einem solchen hat, sollte unbedingt zu zählen beginnen! Ein Igel, zwei Igel,...
4Landschafts- und Klimaveränderungen
Nachhaltige Städteplanung, Landwirtschaftspolitik und die Erhaltung der landwirtschaftlichen Vielfalt sind Ziele dieses Citizen Science-Projektes. Mit der FotoQuest Austria-App des Forschungsinstitutes IIASA gehen Smartphone-Besitzer dafür seit etwa einem Jahr auf Entdeckungstour durch die österreichische Landschaft. Per GPS werden die Teilnehmer an bestimmte Orte navigiert, wo sie Fragen etwa zur Beschaffung des Bodens oder der Landnutzung beantworten. Es sind Orte, die die EU in den Vorjahren ebenfalls fotografiert hat. Durch den Vergleich der Punkte mit den neuen Daten werden Landschafts- und Klimaveränderungen ersichtlich.
5Gesunde Bäche, sauberes Wasser
Das Young Citizen Science-Projekt Wasser schafft des WasserClusters Lunz setzt sich für bessere Grundlagen im Bachmanagement ein. Vor allem Schulen sollen bei diesem Projekt aktiv mitmachen, indem sie einen Bach in ihrer Nähe adaptieren und über einen längeren Zeitraum Bachgestalt, Sediment und Wasserqualität beobachten. Wozu? Ist ein Bach gesund und unverändert, reinigt er sich selbst. Durch Landnutzung und Hochwasserschutz wurden jedoch viele Bäche begradigt – sie können sich nicht mehr selbst säubern. Bei diesem Projekt braucht man Basiswissen über Wasserqualität und eine Basislaborausrüstung zur Bestimmung derselben.
6Pilze suchen
Das Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien untersucht Vorkommen und Verbreitung von Pilzen in ganz Österreich. Damit will man den behördlichen Naturschutz unterstützen und den Gefährdungsgrad der Pilze laufend bewerten. Citizen Sientists melden für das Projekt Mykodata Pilzfunde auf der Homepage. Aktuell sind 370.000 Funde in 12.000 Orten gemeldet. Gesammelt werden unter anderem Informationen zu Lebensraum und Bodenbeschaffenheit. Die Auswertungen informieren über einzelne Pilzarten oder ihre räumlichen Verteilungen.
7Klimaveränderungen im Jahreskreis
Wann startet die Honigbiene ihren ersten Sammelflug? Wann blüht der erste Apfelbaum? Wann fliegt der erste Zitronenfalter? Teilnehmer von PhenoWatch der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik halten die Entwicklung von insgesamt 40 verschiedenen Pflanzen- und Tierarten fest. Im Idealfall dokumentieren sie über eine ganze Vegetationsperiode dieselbe Art am selben Standort. Aus den phänologischen Daten kann man dann Veränderungen im Verhalten und in der Entwicklung – und damit des Klimas – ableiten. Schon jetzt steht fest: Der Frühling verschiebt sich Richtung Jahresbeginn, der Herbst mehr in den Winter.
8Tiere und Pflanzen zählen
Österreichs Artenvielfalt ist bedroht! Der Naturschutzbund dokumentiert deshalb seit zehn Jahren mit dem Projekt Naturbeobachtung häufige, seltene und bedrohte Tiere und Pflanzen im ganzen Land. Insgesamt geht es um 130 Arten mit vier Schwerpunkten – Falter, Amphibien, Hummeln und Vögel. Das Projekt des Österreichischen Alpenvereins ist ähnlich angelegt und läuft vorerst bis Ende 2017. 17 Tier- und Pflanzenarten über der Waldgrenze – etwa das Schneehuhn und der Schneefink – stehen bei Vielfalt bewegt! Alpenverein unter Beobachtung. Die Naturschutzorganisation entwickelt daraus geeignete Maßnahmen und Strategien zu entwickeln, um den Lebensraum der Arten zu verbessern und ihren Rückgang zu verringern.
9Tiere in der Stadt beobachten
Die Veterinärmedizinische Universität Wien spürt gemeinsam mit Stadtbewohnern seit 2015 wilde Tiere in Wien auf. Zum Beispiel Hasen oder Füchse. Die Stadtforscher melden ihre Sichtungen auf der Website stadtwildtiere.at. Damit helfen sie hilflosen Wildtieren und verbessern die Datengrundlage zu Wildtieren in der Stadt. Auch Spuren von Pfotenabdrücken oder Kot können gemeldet werden. Denn: Viele Citizen Scientists sehen mehr als ein paar Forscher. Außerdem ist der Zugang zu manchen Flächen für Wissenschaftler eingeschränkt – etwa in Privatgärten – und die herkömmliche Methode der Wildtierforschung schwer umzusetzen.
10Citizen Science im Winter
Über unsere Vögel im Winter gibt es bislang wenig wissenschaftliche Erkenntnisse. Wie passen sie sich an die kalte und futterarme Jahreszeit an? Welche Vögel werden durch Winterfütterung gefördert, welche nicht? Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Vögel im Winter aus? Zur kalten Jahreszeit ruft die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich alljährlich zur Stunde der Wintervögel. Dabei zählen Interessierte eine Stunde lang alle gesichteten Vögel an einem frei wählbaren Ort. Die Ergebnisse bringen Aufschlüsse über die Herkunft der Tiere, ihr Häufigkeit und über den Klimawandel. Der Wintersterblichkeit von Bienenvölkern widmet sich wiederum das interaktive Projekt Bienenstand der Karl-Franzens-Universität in Graz. Anhand der Angaben von Imkern und der öffentlich zugänglichen Datenbank können die Nutzer erfolgreiche Strategien zum Überwintern der Tiere einsehen und die Zahl verlorener Bienenvölker reduzieren.
Österreich forscht ist die österreichische Plattform für Citizen-Science-Projekte des Citizen Science Network Austria. Du findest dort Projekte von unterschiedlichsten Institutionen (z.B. Hochschulen, Vereinen, NGOs), verschiedenen Disziplinen (z.B. Biologie, Geschichte, Sozialwissenschaften) und auch von Bürger*innen selbst aus ganz Österreich.