Wenn Siegfried Ernst-Dürrer in sein Paradies aus Obstbäumen und Sträuchern blickt, gerät er ins Schwärmen: "Wir haben aufgehört zu zählen – mittlerweile sind es mehr als 320 Sorten. Ich habe einfach ausprobiert, was gedeiht und was nicht, und so ist nach und nach ein artenreicher Obstgarten entstanden", erzählt Siegfried Ernst-Dürrer über seinen Schatz der Artenvielfalt. Gemeinsam mit seiner Schwester Kerstin Maria Szeikovich setzt er sich dafür ein, die alten Obstsorten der Region zu erhalten. Dass der eingeschlagene Weg der richtige ist, zeigt eine besondere Anerkennung: Die Wiese von WIESENENGEL wurde als zweitschönste Streuobstwiese des Burgenlandes ausgezeichnet. "Eine wunderbare Bestätigung unserer Arbeit", freut sich das Geschwisterpaar. Aber bei einer Arche für die Vielfalt sollte es nicht bleiben.
Der Schlüsselmoment für den Erhalt alter Obstsorten
"Beim Durchblättern einer Gartenzeitschrift aus den 1940er-Jahren habe ich entdeckt, wie viele Obstsorten es damals gab – und wie wenig heute noch erhältlich sind. Das hat mich motiviert, nach diesen alten Sorten zu suchen und sie zu erhalten", so Ernst-Dürrer. Der Wunsch wurde immer lauter, noch mehr alte Sorten zu erhalten. Eine weitere Streuobstwiese mit alten, traditionellen Sorten soll angelegt werden. Da kam der #streuobst-Call gerade zur richtigen Zeit, um Sorten-Raritäten vor dem Vergessen zu retten. Schließlich stirbt nicht nur der Geschmack der Früchte, sondern auch ein ganzer Lebensraum für bedrohte Tiere und Pflanzen.
Die neue Streuobstwiese erstreckt sich über 4.570 m² in der sanft hügeligen Landschaft des Südburgenlands. Ein besonders herausfordernder Aspekt des Projekts ist die Bodenbeschaffenheit. Die Fläche war zuvor ein konventionell bewirtschafteter Acker, dessen Boden verdichtet und überdüngt war. "Durch gezielte Mahd und das Entfernen des Schnittguts wird der Boden langsam abgemagert und das Bodenleben aktiviert", erklärt Ernst-Dürrer. Erste Erfolge sind bereits sichtbar: Kräuter und Wildblumen beginnen zu wachsen, die Erde wird lockerer – ideale Bedingungen für die jungen Obstbäume.
Neben dem "Blutapfel" werden dort weitere seltene Obstsorten Wurzeln schlagen. Heimisches Gehölz gibt einen weiteren, artenreichen Anstrich: Bienenhecken wie Kornelkirsche, Schlehdorn und roter Hartriegel locken Wildbienen und Schmetterlinge. Auch Lebensräume für Reptilien und kleine Säugetiere entstehen: Ein extra angelegter Totholzhaufen dient als Unterschlupf für Rosenkäfer, Igel, Mauswiesel oder Gartenspitzmäuse, die neue Zufluchtsorte im Obstgarten finden. In den alten Bäumen nisten später Grünspechte, Eulen, Fledermäuse oder Wiedehopfe. Selbst Amphibien wie die Erdkröte oder Reptilien wie die Blindschleiche finden auf der Wiese ein neues Zuhause.
Der Blutapfel: Symbol für das Burgenland
Der "Blutapfel" mit seiner üppigen Apfelblüte steht im Mittelpunkt der Streuobstwiese. "Der Blutapfel ist für mich ein Symbol – 100 Jahre Burgenland, 100 Sorten. Mein Ziel ist es, ihn an mehreren Standorten zu etablieren und zu erhalten. Wenn die Bäume tragen, wollen wir Edelreiser abgeben, damit auch andere ihn veredeln können", erklärt Ernst-Dürrer. Bis es soweit ist, braucht es Geduld. "Der Blutapfel wächst auf Hochstämmen – wir werden erst in zehn Jahren wissen, wie er schmeckt. Es bleibt spannend!", so Ernst-Dürrer.
Der Betrieb WIESENENGEL verfolgt das Prinzip "Erhaltung durch Nutzung". Die Bewahrung der alten Obstsorten soll nicht nur ideell, sondern auch wirtschaftlich nachhaltig sein. Durch die Verarbeitung zu Apfelsaft, Apfelchips und anderen Spezialitäten wird die Vielfalt der Streuobstwiesen für Konsument:innen erlebbar gemacht.
Ein fruchtbares Netzwerk für die Zukunft
Das Projekt profitiert von einer starken Gemeinschaft. Dank der Unterstützung von "Blühendes Österreich" durch die #streuobst Initiative konnten die finanziellen Herausforderungen bewältigt werden. "Die Zusammenarbeit mit Blühendes Österreich war sensationell! Beim Workshop im Stift Seitenstetten konnten wir uns Streuobst-Liebhaber:innen ungezwungen vernetzen – ich bin heute noch mit dem Naturpark Rosalia-Kogelberg in Kontakt", berichtet Ernst-Dürrer.
Die Zukunft des Projekts ist klar umrissen: In sechs bis sieben Jahren sollen die ersten Blutäpfel geerntet werden. "Dann gibt es vielleicht Saft oder Apfelringe. Unser Wunsch ist es, die alte Sorte bekannter zu machen. Natürlich wird der Blutapfel auch einen festen Platz beim Apfelkulinarium z.B. auf Burg Forchtenstein bekommen – dort können Interessierte ihn kosten und Stecklinge mit nach Hause nehmen."
Mit der neuen Streuobstwiese setzen die Initiator:innen ein starkes Zeichen für den Erhalt der Sortenvielfalt im Burgenland – und schaffen gleichzeitig einen Ort, der Menschen, bedrohten Tieren und Pflanzen eine Zukunft bietet.
Über #streuobst
Die BILLA-Stiftung Blühendes Österreich, die ARGE Streuobst Österreich und BILLA Regioscouts haben den Call #streuobst ins Leben gerufen, um dieses wertvolle Naturerbe in letzter Minute zu bewahren. Denn es ist höchste Zeit, diesen artenreichen Lebensraum zu schützen!
Seit 1965 sind bis zu 80 Prozent der Streuobstwiesen in Mitteleuropa verschwunden. Der #streuobst-Bewerb setzt sich daher aktiv für den Erhalt dieser nachhaltigen Anbauweise ein, die bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten beherbergt.
Eine Streuobstwiese ist ein von Menschen geschaffener Biodiversitäts-Hotspot, der Obstanbau und Naturschutz in Einklang bringt und unzähligen gefährdeten Arten ein wichtiges Refugium bietet.
Aus 44 eingereichten Projekten wurden 13 herausragende Vorhaben ausgewählt, die mit insgesamt 100.000 Euro gefördert werden. Dadurch können Projekte im Gesamtwert von 200.000 Euro realisiert werden, die kleinstrukturierte bäuerliche Betriebe unterstützen, die Biodiversität erhalten und die Produktion hochwertiger Lebensmittel aus Streuobst sichern.