Wenn sich Stadtkinder auf die Reise zu den Wurzeln ihres Essens machen, gibt es ordentlich was zu erleben. Bei einer Landpartie ins Waldviertel zum „AfterWork am Bauernhof“ erfahren wir, warum die Geflügelbäuerin Nachtschichten schiebt, wir graben Gemüseraritäten aus der Erde und lernen vom Bioweinbauern, was es mit dem Donauveltliner auf sich hat.

Doris Gschladt steht in gelben Gummistiefeln auf ihrer Weide inmitten der sanften Weinviertler Hügellandschaft. Am Horizont sind gerade noch die Hochhäuser der Wiener Donauplatte zu erkennen, unmittelbar hinter der Landwirtin watscheln 200 Weidegänse aufgeregt schnatternd auf und ab – so viel Besuch hat man schließlich nicht alle Tage.

Dafür, dass rund 40 Stadtmenschen hier auf der Kleegrasweide stehen und die Gänse mindestens ebenso neugierig beäugen, wie das Federvieh die Fremden, ist Kornelia Zipper verantwortlich. Sie organisiert die Landpartien „AfterWork am Bauernhof“ und ermöglicht es Interessierten damit, zu den Wurzeln unseres Essens zu reisen und Landwirtinnen und Landwirte samt ihrer Freuden und Sorgen persönlich kennenzulernen.

Mit von der heutigen Partie ins Waldviertel ist auch Reinhard Geßl vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau – und der hat nichts Gutes zu berichten:

162.000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es in Österreich. Davon sperren täglich sechs zu. Für immer. 

Grund dafür sind fehlende Nachfolger und eine schwierige Einkommenssituation. Auch Doris Gschladt und ihr Mann betreiben ihre Landwirtschaft mit Bio-Weidegänsen und Bio-Wiesenhühnern im Nebenerwerb – so wie 50 % der heimischen Betriebe.

Gans gesund dank Brennnessel, Kamillentee und viel Platz

Vor mittlerweile acht Jahren sind die Gschladts auf die Gans gekommen. Auf insgesamt 50 Hektar tummeln sich 400 Gänse. Geschützt werden sie dabei einzig durch den Elektrozaun – der Waldesrand liegt nicht weit entfernt und damit bekommt das Federvieh immer wieder Besuch von Füchsen. Ansonsten sind sie aber echte Outdoorgänse und bei Wind und Wetter draußen. „Wir bekommen die Küken mit einem Tag“, erzählt Doris Gschladt, „und sorgen ab dann dafür, dass sie ordentlich etwas aushalten. Sie bekommen Kamillentee und Brennnessel für die Darmflora – das macht sie widerstandsfähig.“ Die Gesundheit der Weidegänse wird aber auch durch eine andere Tatsache gefördert: „Je mehr Platz die Tiere haben, desto gesünder sind sie“, sagt die Landwirtin. Krankheiten könnten sich dadurch kaum ausbreiten.

Nachtschicht auf der Weide

Der kalte Oktoberwind weht uns um die Ohren und erinnert an das Unvermeidliche: Demnächst schlägt den Gänsen das letzte Stündlein. Zwischen Oktober und November schlachten die Gschladts innerhalb von rund vier Wochen ihre 400 Weidegänse. Keine davon umsonst, die Kundinnen und Kunden bestellen direkt am Hof. Um das ganze so stressfrei wie nur möglich für die Gänse zu machen, legen die Landwirte Nachtschichten ein: „Um Mitternacht stehen wir auf, holen die Gänse von der Weide und bringen sie in den nahegelegenen Schlachtraum“, erzählt Doris Gschladt. Dort werden die Tiere betäubt, geschlachtet, gerupft und ausgenommen – alles von Hand. In den frühen Morgenstunden ist dann alles vorüber. Warum das alles in der Nacht passiert?

In der Dunkelheit sind die Gänse viel ruhiger und haben weniger Stress als tagsüber.

Und damit die Gänse auch ihre letzten Tage ganz in Ruhe verbringen können, verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg zur nächsten Station.

Von der Gans zum Gemüse

  • 670.000 Tonnen Gemüse (ohne Erdäpfel) wurden 2018 in Österreich produziert
  • Pro Kopf lassen wir uns  jährlich rund 115 kg Gemüse – exklusive Erdäpfel – schmecken. Zum Vergleich: 65 kg Fleisch und 22 kg Geflügel sind es pro Kopf und Jahr
  • Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 58 %

Zwar stammen diese Gemüseberge natürlich nicht zur Gänze aus biologischer Landwirtschaft – genau deswegen aber besuchen wir heute einen Hof, auf dem von der Artischocke bis zum Zuckerhut, von der Erdmandel bis zur Pastinake alles biologisch und überwiegend von Hand angebaut wird.

Ein Leben für Gemüseraritäten

Am Biohof zum Grünen Baum wartet Marion Aigner-Filz schon auf uns. Sechzig verschiedene Gemüsesorten baut sie hier an und zur Begrüßung servieren ihre Töchter gleich köstliche Grünkohlchips. Die Mädchen sind die jüngsten Mitarbeiterinnen hier am „Weiberhof“, wie Marion ihre kleine aber feine Biolandwirtschaft nennt. Die älteste helfende Hand ist 80 Jahre alt – Marions Mutter. Hier geht es um das Leben des Ackers und die lockere Erde mit vielen Lebewesen. Dabei stehen Gemüseraritäten, Obst und Kräuter im Mittelpunkt, die gut ins heimische Klima passen. Gemeinsam machen wir uns auf zu einem Rundgang durch den Betrieb. Wir holen Ingwer- und Kurkumawurzeln aus der schwarzen Erde, in der sie gerade noch gut zugedeckt mit Kompost und Schafswolle ruhten. Wir wandern durch den Kräutergarten, einen Mini-Wald aus Grünkohl, pflücken die letzten reifen Paradeiser von der Staude und graben Süßkartoffeln aus der Erde – wie das auf einem Biohof eben so ist, haben sich über die ein oder andere schon Mäuse hergemacht.

Landwirtschaft am Stadtrand

Die letzte Station führt uns zurück an den Stadtrand Wiens. Kaum wo liegen Landwirtschaft und Stadtraum so nah zusammen, wie hier in Grinzing: Die Zeilen der Weinstöcke gehen über in die lauschigen Gärten der Heurigen und Buschenschanken, und während man sein Achterl Gemischten Satz genießt, reifen unter einem im Weinkeller schon die nächsten Jahrgänge.

Ein Bio-Achterl in Ehren

So ist es auch beim Bioweinbau Obermann. Seit 150 Jahren ist dieses Fleckchen Erde in Familienbesitz, in fünfter Generation führt Martin Obermann den Betrieb, seit zwölf Jahren als Bioweinbauer. Bioweinbau bedeutet zum Beispiel, dass er seine Pflanzen gegen Krankheiten und Pilzbefall nur mittels „äußerer Kontaktmittel“ schützen darf – nichts darf in den Saftstrom der Pflanze gelangen. „In Kombination sind aber auch Schmierseife, Schachtelhalmextrakt und Backpulver durchaus sehr wirksam“, erklärt der Bioweinbauer.

Eher problematisch sei hier in Grinzing die räumliche Nähe zwischen konventionellem und biologischem Weinbau. Österreichische Bioweinbauern dürfen im Kampf gegen Pilze nur 3 kg Kupfersulfat pro Hektar und Jahr einsetzen. Also macht man sich auf die Suche nach umweltfreundlichen Alternativen – und zwar in Form von neuen, resistenteren Sorten. Vielversprechend sind hier zum Beispiel der Donauveltliner oder der Donauriesling. „Wenn man herkömmliche Rebsorten rund acht Mal pro Jahr mit biologischen Pflanzenschutzmitteln behandeln muss, sind es mit diesen neuen Sorten nur rund drei Mal pro Jahr“, erklärt Martin Obermann. Na dann: Prost. Solche Bio-Achterl sind wirklich zu ehren.

Veranstaltungstipp

Wer auf den Geschmack gekommen ist und nun auch etwas Landluft schnuppern möchte - am 18. Oktober findet die nächste Landpartie statt: "Von gutem Korn und freiem Wild".

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