Inselhüpfen im Gebirge
Der Nationalpark Kalkalpen ist für seine ausgedehnten alten Wälder bekannt. Zwischen Buchen, Zirben und Fichten flattern Spechte und Eulen. Hier streift der Luchs und röhrt das Rotwild.
Im Schatten der Urwaldriesen stehen in dieser wundervollen Bergwelt hingegen die Almen und Wiesen!
Wie überall in den Alpen verbergen sich auch hier die Reste jahrhundertelang genutzter Kulturlandschaft. Alte Luftbilder zeigen offene Weidegebiete. Flurnamen, verfallene Heustadln und Lichtungen deuten auf unzählige Mähwiesen hin, die vor nicht allzu langer Zeit noch bewirtschaftet wurden.
Wie Inseln leuchten die letzten Bergwiesen aus dem tiefgrünen Meer aus Wald. Eine einzigartige Rettungsaktion versucht zu verhindern, dass sie mitsamt ihren Naturschätzen gänzlich versinken.
Herrn Hatzenbichlers Hang zum Heuen
Christian Hatzenbichler ist Obmann des Landschaftspflegevereins Bergwiesn. Der Mann hat Wurzeln und Träume. Wenn er von Steilhängen erzählt, die einst sein Opa mähte und die nun wieder bestes Bergwiesenheu produzieren, leuchten seine Augen.
„Je steiler, desto geiler!“
Über 40 Hektar Wiesen hat der Verein seit fünf Jahren bereits geschwendet und gemäht. Die Knochenarbeit erfordert nicht nur den Einsatz von Steigeisen und Handmähern, sondern vor allem auch die Anstrengungen vieler freiwilliger Helfer.
Der Österreichische Alpenverein und Blühendes Österreich unterstützt das Projekt im Rahmen von Umweltbaustellen. Über 100 junge Helferinnen und Helfer haben in den letzten Jahren bereits zur Landschaftspflege in den Bergen der Nationalparkgemeinde Molln beigetragen.
Gemeinsam Sensen schwingen
Im Juli und August ziehen Gruppen motivierter Jugendlicher nun zum „Heign“ in die Berge. Sie stehen in den Hängen wie Schifahrer in schwarzen Pisten. Man sägt und zwickt und mäht und schiebt. In den bis zu 60 Grad steilen Wiesen gestaltet sich die Arbeit des Heuens nicht viel anders vor 100 Jahren.
Die jungen Volunteers bilden eine Reihe und rechen das trockene Gras Meter für Meter talwärts, stundenlang. Die Füße brennen und allen steht der Schweiß auf der Stirn. Droht ein Gewitter, muss die Arbeit noch schneller gehen!
Wer tut sich das an?
Alex sagt: „Mit der Hand mähen ist besser, als ins Fitnesscenter zu gehen.“
Paulina meint: „Für solch ein Naturerlebnis muss man woanders bezahlen!“
Endlich ist die Menschenkette mit den langen Rechen am Fuß des Hangs angelangt. Alle bewundern die nun blitzsaubere „Leitn“. Viele lassen sich erschöpft in das nach Kräutern duftende Bergwiesenheu fallen.
Das haben wir gemeinsam geschafft.
Die gemeinsame harte Arbeit in der Natur wird niemand so schnell vergessen. Während der wildromantischen Heimfahrt auf dem Traktoranhänger lässt man den Tag schon wieder Revue passieren.
Die Gipfel der Kalkalpen leuchten in der Abendsonne und durch das Spätsommeridyll zieht ein Schwarm Mehlschwalben.
Biodiversität im Bergwiesenheu
Neben dem Alpenverein greifen auch Blühendes Österreich und die Institution Ashoka dem Verein Bergwiesn unter die fleißigen Arme und unterstützen die Initiative durch das Naturschutzprogramm FLORA.
Die Pflege und Neubewirtschaftung von Bergwiesen stellt einen unschätzbar wertvollen Beitrag zum Erhalt von Kulturgut und der Biodiversität dar. Magere Bergmähwiesen zählen zu den artenreichsten, mittlerweile leider aber auch zu den meistgefährdeten Lebensräumen.
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Geballtes Bergwiesenwissen:
- Auf 25 m2 Bergwiese kann man bis zu 75 Pflanzenarten finden. Viele davon sind heute selten und wahre Naturschätze.
- Kräuter- und blütenreiche Wiesen sollten nicht öfter als zweimal im Jahr gemäht werden. Je später, desto besser!
- Die Wildblumen, Gräser und Kräuter bieten unzähligen Insekten Unterschlupf und Nahrung in Form von Nektar, Pollen und Samen.
- Wiesenbrüter und andere Vögel sind auf die raren Bergmähder angewiesen. Braunkehlchen ziehen hier ihre Jungen auf, Neuntöter jagen Großinsekten und Greifvögel unvorsichtige Nagetiere.
- Und wusstest du, dass Mähwiesen mehr CO2 binden können als Wälder?
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Lohn aller Mühen & Erntedank
Die extensive Bewirtschaftung magerer Wiesen ist in vielen Teilen Europas so gut wie ausgestorben. In den Tälern werden solche Flächen gedüngt und bis zu sechs Mal im Jahr gemäht. Oder gleich geackert! Das wirkt sich auch auf die Schmetterlingspopulationen in den Tälern aus. Wo es nicht zu steil ist, grasen Milchkühe und Schafe.
Dass die Bergwiesen im Mittelgebirge bei Molln heute ein kleines Revival erleben, ist dem Idealismus weniger und dem Einsatz vieler zu verdanken!
Christian fasst noch einmal den Output seines Projektes in vier Säulen zusammen:
- Die Pflege von Kulturlandschaft, bäuerlichen Traditionen und Arbeitsmethoden
- Der Erhalt von biologischer Vielfalt und Rettung bedrohter Tier- und Pflanzenarten
- Die Aneignung von Wissen und Bewusstseinsbildung bei Freiwilligen, LandwirtInnen und GrundbesitzerInnen
- Der Ertrag an feinstem Bergwiesenheu: die Heuernte!
Den besten Hängen ringt der Verein in guten Jahren knapp eine Tonne Heu pro Hektar ab. Meistens ist es weit weniger. Im Winter wird es das Rotwild des Nationalparks fit machen.
Doch man muss schon dabei gewesen sein und das Bergwiesenheu gerochen haben, um zu wissen, welcher Schatz hier geborgen wurde!
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Du möchtest selbst an wertvollen Einsätzen zur Landschaftspflege teilnehmen? Die Partner von Blühendes Österreich bieten das ganze Jahr über Veranstaltungen im ganzen Land an und freuen sich auf deine Hilfe!