Zweimal im Jahr herrscht ein Kommen und Gehen und die Karten in der heimischen Vogelwelt werden neu gemischt. Im Hinblick auf das gängige europäische Vogelsterben beobachten Ornithologen den Wechsel auch heuer ganz genau, um bei Unregelmäßigkeiten Alarm zu schlagen.
Doch was genau steckt hinter diesem Phänomen? Wer fliegt fort, wer bleibt, wer kommt? Was sind Langstreckenzieher und Teilzieher, welche Vögel kommen, um zu überwintern? Blühendes Österreich gibt dir einen Überblick zum Vogelzug im Herbst:
Weshalb zieht es einige Vogelarten in die Ferne? Sie tun das, um das Nahrungsangebot verschiedener Klimazonen zu nutzen. Gerade die meisten Insektenfresser unter unseren heimischen Vögeln würden im winterlichen Mitteleuropa einfach verhungern. Umgekehrt zieht es sie im Frühling wieder zu uns, wo die milde Jahreszeit angenehmer ist als die heißen Tropen. Hier lässt es sich gut balzen, Nester bauen und Junge aufziehen, bevor es, mehr oder minder gut gemästet, wieder zurück in den Süden geht.
Wer fliegt fort? Unsere Langstreckenzieher fliegen auf Afrika
Größer als eine Schwalbe, laut und pfeilschnell ist der elegante Flieger ein bekannter Gast in unseren Städten: der Mauersegler. Ursprünglich brütete er an Felswänden, doch wie bei vielen anderen Tieren bieten ihm die Dächer und Mauern ein perfektes Ersatzquartier. Der Mauersegler kommt im Frühling meist als Letzter nach Österreich und fliegt als Erster wieder fort. Zwischen Anfang Mai und Juli zieht jedes Paar zwei bis drei Junge auf. An hochsommerlichen Abenden versammeln sich dann oft ganze Kolonien im Schwarm zu sogenannten „Screaming parties“, wo unzählige Alt- und Jungvögel über unseren Köpfen laut schreiend ihre waghalsigen Flugmanöver zeigen. Bereits Anfang August treten die Mauersegler wieder ihre weite Wanderung ins südliche Afrika an. Die langen Monate außerhalb der Brutzeit verbringen sie zu 99 % in der Luft. Mauersegler schlafen im Flug!
Wie geht es unseren Singvögeln? Jahr für Jahr werden die gefährdeten Zugvögel beringt, vermessen und wichtige Daten zur ihrer Bestandsentwicklung erhoben.
Unsere häufigsten Schwalben, die Mehl- und die Rauchschwalben, deren Bestand leider zurückgeht, sind übrigens etwas später dran. In den Wochen vor ihrem Aufbruch sieht man sie oft auf Stromleitungen sitzen. Ein untrügliches Zeichen, dass der Sommer seinem Ende zugeht. Weit diskreter ist zu dieser Jahreszeit der Kuckuck. Hat er im April noch lauthals den Frühling verkündet, so ist er im Sommer kaum noch zu sehen oder hören. Nach und nach verlassen die Altvögel ihre Reviere und ziehen einzeln in den Süden. Am ehesten lassen sich noch die von fremden Eltern aufgezogenen Jungkuckucke beobachten, zum Beispiel wenn sie auf Zaunpfählen auf Heuschrecken und andere große Insekten lauern und mit diesen Energiebomben Kraft für die lange Reise sammeln.
Mauersegler, Rauchschwalbe, Kuckuck, Weißstorch, Gartenrotschwanz, Nachtigall und viele andere… Sie alle sind Langstreckenzieher und überqueren Mittelmeer und Sahara, um im südlichen Afrika zu überwintern. Meist lösen die kürzer werdenden Tage ihren Abflug aus. Und um ihre Route zu finden, orientieren sich Zugvögel an der Sonne, den Sternen und dem Magnetfeld der Erde.
Nicht alle Zugvögel überfliegen das Meer
Andere Vögel fliegen kürzere Strecken und ziehen sich während der Wintermonate „nur“ an die Mittelmeerküste oder auch bloß aus dem Gebirge in die geschützten Täler zurück. Als solche Teilzieher gelten zum Beispiel Star, Rotkehlchen, Zilpzalp oder der weithin bekannte Hausrotschwanz.
Wer kommt? Buchfink und Saatkrähe im Anflug
Naturgemäß betrifft das Phänomen des Vogelzuges nicht nur die bei uns brütenden Vögel. Wenn es im nördlichen Europa und Asien kälter wird, ziehen viele, die den Sommer dort verbracht haben los und bereichern als Wintergäste die heimische Vogelwelt. So sieht man ab Herbst beispielsweise wesentlich mehr Buchfinken in den Wäldern und Parks. Auch Bergfinken und Zeisige lassen sich jetzt oft in größeren Schwärmen beobachten. Einer unserer bekanntesten Wintergäste ist die Saatkrähe. Vor langer Zeit wurde sie in Österreich als Brutvogel ausgerottet, nun kommt sie nur noch im Winter in Scharen aus Russland zu uns. Wenn ihre Schwärme abends laut krähend zu ihren Schlafplätzen fliegen, dann wissen wir: Nun ist der Winter nicht weit!
Durchzügler rasten oft am Wasser: Vogelparadies Zuckerfabrik Hohenau
Neben den echten Wintergästen schließen aber auch durchziehende Vögel die Lücke, die unsere Sommergäste hinterlassen haben. Diese „Durchzügler“ rasten besonders gerne an Gewässern und in Feuchtgebieten, wo auch im Herbst das Nahrungsangebot noch groß ist. So auch in den alten Wasserbecken der stillgelegten Zuckerfabrik in Hohenau, die sich zu einem einmaligen Rückzugsort für tausende Vögel entwickelt haben. Der jährliche Anflug der Durchzügler, wie jener der Graugänse oder Limikolen im Herbst beispielsweise, wenn im übrigen Bereich der March-Thaya-Auen die Nahrungshabitate fehlen, lässt die Herzen von Vogelliebhabern höher schlagen. Der Naturschutzverein Auring, den Blühendes Österreich unterstützt, betreut dieses einzigartige Refugium und leitet eine bedeutende Vogel-Beringungsstation.
Der grandiose Gänsestrich am Neusiedlersee
Auch an den Lacken des Neusiedlersees finden sich im November alljährlich an die 35.000 Bläss- und Graugänse ein, um oft mehrere Wochen zu bleiben. Wer das Naturschauspiel am Gänsestrich einmal erlebt hat, wird es sein Leben lang nicht vergessen!
Wer bleibt? Standvögel, die treuen Seelen
Vogelarten, die das ganze Jahr in ihrer Region bleiben, bezeichnet man übrigens als Standvögel. Als solche gelten bei uns beispielsweise Kohlmeise, Haussperling und auch viele Greifvögel wie Turmfalke oder Habicht.
Exkurs: Der Klimawandel verändert auch den Vogelzug
Vor allem unter den Kurzstrecken- und Teilziehern sorgt der Klimawandel seit einigen Jahren für neue Verhältnisse.
In milden Wintern, und gerade in den Städten und Dörfern, kann man heute Arten beobachten, die früher als klassische Zugvögel galten wie zum Beispiel die Mönchsgrasmücke. Allgemein ziehen viele mitteleuropäische Vögel mittlerweile später fort und kehren früher an ihre Brutplätze zurück. Was dies hinsichtlich der Reviere, Nistmöglichkeiten und der Nahrungskonkurrenz bedeutet, beschäftigt die Forschung im immer größeren Maße.