Otto Feldner, einem Schmetterlingsenthusiast. Er hält dort die Fahne für seltene Arten und ihren Lebensraum hoch. Land und die LandwirtInnen helfen mit. „Ist das ein Apollo?“, fragt Otto Feldner. Der Falter fliegt meterweit entfernt über die Büsche. Der 64jährige Schmetterlingsexperte hechtet los, den Weg entlang, doch der Falter ist flotter. Feldner ist im Stoissengraben im Saalachtal unterwegs, etwas nördlich von Saalfelden in Salzburg. In der Hand das Schmetterlingsnetz, um die Schulter die grüne Tasche mit der Sammelerlaubnis für Schmetterlinge. Am Wegesrand blühen Margeriten, Disteln und Bibernellen. Der Buchweißbach rauscht im Schotterbett und der Wind bläst sanft durch die Baumkronen. In der Ferne erheben sich die Berge, das Steinerne Meer.
An diesem sonnigen Vormittag im Juni ist Otto Feldner ausgerückt, um nach den Schmetterlingen im Stoissengraben zu sehen.
„Das erste Mal im Jahr komme ich im März hierher, wenn noch Schnee liegt. Ich schaue, wie es den Futterpflanzen für den Apollofalter geht.“ 2010 initiierte der Hobbyentomologe im Stoissengraben ein Wiederansiedelungsprojekt für den Roten Apollofalter. Der Schmetterling braucht sonnigen Pionierrasen, felsige Hänge, die Fetthenne als Futterpflanze für die Raupe. „Der Rote Apollofalter ist im Stoissengraben Ende der 80er ausgestorben. In Weißenbach bei Lofer und in Unken sind die Populationen vor 30 bis 40 Jahren verschwunden.“ In Österreich ist der Falter – je nach Region – als gefährdet, teilweise sogar als ausgestorben eingestuft.
Seit 1973 führt Otto Feldner eine eigene Chronik über die Schmetterlinge im Saalachtal.
Akribisch notiert er jede Sichtung, das Wetter, die Temperatur, die landwirtschaftliche Tätigkeit. Er trägt Aufzeichnungen von Touristen, von Besuchern, von den Bewohnern des Tals zusammen. Sie erzählen ihm von ihren Beobachtungen und Funden: „Im Mai 1914 gab es in Weißbach so viele schwarze Apollofalter, dass die Menschen dachten, es schneit. Alles war wie weiß. Dieser außergewöhnliche Massenflug vermittelte ein erdrückendes Gefühl. Im Juli begann dann der Erste Weltkrieg. Damals sah man die Schmetterlinge als schlechtes Omen“, erzählt er etwa. Das Tal birgt auch zwei eigene Subspezies des Apollofalters, die Unterart „loferensis“ – sie wurde 1920 entdeckt und kommt noch heute bei Lofer vor –, und die Subspezie „bartholomaeus“, die im Saalachtal vorherrscht.
„Da drüben fliegt ein Aurorafalter. Da hinten, das ist ein Mauerfuchsfalter“, sagt Feldner.
Blitzschnell bewegt er sein Netz und fängt den Falter, nimmt ihn behutsam in die Hand und betrachtet ihn. Die Wiederansiedelung des Roten Apollos im Stoissengraben hat auch andere Falter zurückgebracht. Rund 25 Tagfalterarten und mehrere hundert Nachtfalterarten flattern in dem kleinen Seitental des Saalachtals. Der Stoissengraben ist nur eines von vielen Schmetterlingsprojekten, die Otto Feldner angestoßen hat. Das Haus der Natur in Salzburg versorgt er seit Jahren mit Daten über die Schmetterlingsvorkommen im Pinzgau und Pongau, in Uttendorf hat er einen Schmetterlingslehrpfad angelegt und ganz aktuell arbeitet er mit dem Land Salzburg an dem überregionalen Projekt „Wild und Kultiviert“. Es geht darum, Wildbestäuber, unter anderem den Schwarzen Apollofalter, zu schützen und natürliches Saatgut von den heimischen Wiesen der Landwirte zu bewahren.
Für die einzelnen Schutzprojekte arbeitet Otto Feldner immer wieder mit dem Land Salzburg und den Landwirten der Region zusammen. Das Areal im Stoissengraben – rund 15.000 Quadratmeter – hat etwa das Land vom Grundbesitzer abgelost. Die Hänge wurden von einem regionalen Forstbetrieb entbuscht und mit Futter- und Nektarpflanzen für die Tiere bepflanzt. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern setzte Feldner, der selbst Schmetterlinge züchtet, Raupen und erwachsene Tiere aus. Rund 16.000 Euro investierte das Land Salzburg in die Renaturierung für den Schmetterling im Stoissengraben – seitdem fliegt der Rote Apollo dort wieder.
Insgesamt bevölkern das Saalachtal rund 2.000 Schmetterlingsarten.
Sie flattern vom Talboden bis in die Almen. Sie profitieren von der verstreuten, geringen Besiedelung, der mäßigen Beleuchtung und der kleinstrukturierten Landwirtschaft. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der über 680 landwirtschaftlichen Betriebe hier kaum verändert, 50 Prozent der Betriebe betreiben Biolandwirtschaft, im Schnitt mähen sie ihre Wiesen dreimal im Jahr. „Wir haben von der Hutweide bis zu Vier-Schnittwiesen alles in der Region“, sagt Hubert Lohfeyer, Leiter der Bezirksbauernkammer Zell am See. „Einige Betriebe mit Pferden mähen bewusst nur zweimal im Jahr.“
Dennoch sind gewisse Schmetterlingsvorkommen in der Region zurückgegangen. „Auch wenn die Landschaft einen extensiv bewirtschafteten Eindruck macht, wurden in den vergangenen Jahren die Schnittzeiten immer weiter vorgezogen“, sagt Günther Jaritz von der Naturschutzabteilung des Landes Salzburg. „Nun wird genau in der Phase gemäht, in der der Schwarze Apollo zu fliegen beginnt.“ Diese Apolloart lebt, im Gegensatz zum Roten Apollo, auf mäßig extensiv bewirtschaftetem Grünland, braucht den Lerchensporn als Futter-, rote und blaue Kornblütler als Saugpflanzen. Nur eine späte Mahd sichert dem Tier das Überleben.
Auf einer Fläche vor einem Wald in Kehlbach in Saalfelden hat Otto Feldner ein natürliches Vorkommen des Schwarzen Apollos gefunden. Jetzt stehen Gespräche mit den Bauern an, um die Fläche für den Schmetterling zu erhalten. Die mehreren tausend Quadratmetern gehören einer Genossenschaft, aktuell wird die Fläche teilweise zur Holzlagerung genutzt, bis in die 70er Jahre wurde sie beweidet „Wenn es von öffentlichem Interesse ist, den Lebensraum dieses Schmetterlings zu schützen, dann ist das natürlich eine gute Idee“, sagt Robert Mitteregger, Landwirt und Genossenschaftsmitglied. Bei der nächsten Obmannsitzung will man über den Verbleib der Fläche entscheiden.
Der Rote und Schwarze Apollofalter liegen Otto Feldner besonders am Herzen.
Seit seinem zwölften Lebensjahr beschäftigt er sich mit Schmetterlingen. Als Schüler fing er in Lienz in Osttirol, wo er aufwuchs, seine ersten Trauermäntel. Untertags legte er sich auf die Lauer, um Schwalbenschwänze zu finden, in der Nacht leuchtete er mit einem Freund in den Himmel, um Nachtfalter zu beobachten. „Ich wusste zu der Zeit bereits mehr über Schmetterlinge als unser Lehrer.“ Mit seinem ersten Kosmos-Bestimmungsbuch eignete er sich ein umfangreiches Wissen rund um die Tiere an. Er sammelte, etikettierte, arbeitete bereits als junger Mann wissenschaftlich. Nach dem Bundesheer kam der gelernte Schriftsetzer nach Zell am See. Die Liebe brachte ihn nach Weißbach und schließlich nach Saalfelden, wo er heute in seinem Garten Schmetterlinge züchtet.
„Du musst die Botanik kennen, die Gesteinszonen, den Lebenszyklus der Tiere“,
sagt Otto Feldner über die Schmetterlingszucht. Im Feldner’schen Garten, umrahmt von blühenden Büschen und Bäumen, sprießen in ungemähten Ecken Nelken, Weinraute und die seltene Osterluzei. In Kübeln gedeihen Fetthennen und Futterpflanzen für Raupen. An der Nordwand des Hauses stapeln sich kleine Dosen mit Schmetterlingseiern; Boxen mit Raupen, Puppen und fertigen Faltern stehen in der Laube. Otto Feldner tauscht Eier und Wissen mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt – „ein Ei kostet mitunter zwischen 50 Cent und zwei Euro, das ist Verhandlungssache“ – seine Kontakte reichen von Japan und die Philippinen über Russland und Nordkorea bis nach Kanada und in die USA. Ein deutscher Entomologe, ein Experte für Schwärmer aus aller Welt, hat gar eine Schwärmerart nach ihm benannt: Covelliana ottofeldneri fliegt in Ruanda.
Feldners Fokus liegt aber auch in der Zucht auf den Apollofaltern.
„Für den Apollofalter habe ich einfach das Feeling.“ Über 80 Subspezies hat er von der Falterart bereits gezüchtet, aktuell etwa aus Tadschikistan, und erst kürzlich hat er mit einem Bekannten in der Türkei eine neue Apolloart entdeckt. Seine Begeisterung teilt er auch mit den Kindern an der örtlichen Schule. In Workshops erklärt er ihnen die Welt der Schmetterlinge. „Das Überraschendste für die Kinder ist, dass sie die Tiere auch angreifen können.“
„Ich habe ja für das Saalachtal die Vision des größten zusammenhängenden Apollofaltergebietes in Mitteleuropa",
sagt Otto Feldner. Gleichzeitig möchte er einen internationalen Zuchtzirkel einführen, um illegales Schmetterlingssammeln zu unterbinden. „Es wird ja trotz Verbot immer wieder gesammelt. Stattdessen sollten ausgewählte Züchter weltweit den Apollo züchten und mit den Eiern handeln dürfen. Der ABC – Apollo Breeding Circle – als zentrale Verteilerstelle“, erklärt Feldner seine Idee. „Otto Feldner ist so etwas wie eine lokale NGO für den Schmetterling“, sagt Günther Jaritz von der Naturschutzabteilung des Landes Salzburg. Ohne Feldners Engagement würden wohl nur halb so viele Schmetterlingsarten im Stoissengraben und durchs Saalachtal fliegen. „Da sitzt eine Apolloraupe“, sagt Feldner und zeigt auf die schwarze Raupe mit roten Punkten, die sich an einer Fetthenne labt. Das Apollovorkommen im Stoissengraben ist gesichert.
Zusatzwissen: Woher kommt der Name Schmetterling? Diese Fliege mag Butter
Seine Vorliebe für Butter und Rahm hat dem Schmetterling seinen Namen eingebracht. Die wissenschaftliche Bezeichnung – Lepidoptera – heißt übersetzt Schuppenflügler.
Er nascht gern vom Rahm und zeigt sich, wenn die Sennerin die Butter schlägt. Der Schmetterling. Dieser kulinarische Animo ist Ursprung für den Namen des feinen, flatternden Falters. Das Wort Schmetten stammt vom slawischen Smetana ab und das bedeutet wiederum Rahm.
Anfang des 16. Jahrhunderts taucht die Bezeichnung „Schmetterling“ erstmals auf. Damals dachten Abergläubische auch, Schmetterlinge seien kleine Hexen in Tiergestalt, die dem Bauern an die Butter wollen. Im Englischen hat sich die Idee gehalten – dort wird der Schmetterling Butterfly genannt. Das heißt übersetzt Butterfliege. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert setzt sich im Deutschen das Wort „Schmetterling“ für die zierlichen Tiere durch. Zuvor teilt man sie zusätzlich auch in Tag- oder Nachtvögel.
In der Wissenschaft verwenden Insektenkundler und Experten das Wort Lepidoptera für Schmetterlinge. Es ist auf die griechischen Worte Lepís (Schuppe) und Pterón (Flügel) zurückzuführen und bedeutet schlicht Schuppenflügler. Eine mystische Bezeichnung für den Schmetterling stammt aus dem Altgriechischen: Dort nutzte man das Wort Psyche (Atem, Seele), vor allem für Nachtfalter. Man war der Ansicht, sie würden die menschliche Seele verkörpern.