Ob auf Gewerbebauten, Wohnhäusern oder Bushaltestellen – Dachbegrünungen setzen sich immer stärker durch. In Wien gibt es aktuell rund 5.700 Hektar Dachfläche, etwa 300 Hektar sind begrünt. Die Potenziale sind also noch lange nicht ausgeschöpft. Mit ihrer vielfältigen Wirkung auf Mensch, Tier und Umwelt sind grüne Dächer ein zukunftsweisendes Konzept, das in Städten und Gemeinden eine immer größere Rolle spielen wird. Sie speichern Regenwasser, verbessern die Luftqualität und kühlen die Umgebung an heißen Tagen. Besonders in dicht bebauten Städten wirkt die Verdunstungskälte der Pflanzen der Überhitzung entgegen.
Klimaschutz über den Dächern
Jürgen Preiss, Landschaftsplaner und Experte für Bauwerksbegrünung in der Wiener Umweltschutzabteilung, betont die Bedeutung der Wasserhaltefähigkeit: „Intensive Dachbegrünungen können bis zu 100 % des Regenwassers zurückhalten, extensive Begrünungen immerhin bis zu 50 %. Dadurch wird das Kanalsystem entlastet und das Wasser versickert gefiltert durch das Substrat, ohne mit Schadstoffen wie Streusalz belastet zu werden.“ Darüber hinaus dämpft die Vegetation auf Dächern Lärm, bindet Feinstaub und schafft neue Lebensräume. Immer mehr Gemeinden erkennen diese Vorteile und fördern Dachbegrünungen aktiv, sowohl bei Neubauten als auch bei bestehenden Gebäuden. Bestehende Kiesdächer lassen sich mit überschaubarem Aufwand in begrünte Oasen verwandeln. Die meisten Dachbegrünungen gehören zur Kategorie der extensiven Begrünung, die mit einer etwa 8 bis 10 Zentimeter dicken Substratschicht auskommt. Intensive Dachbegrünungen hingegen benötigen im Durchschnitt mindestens 20 Zentimeter Substrat und eine Bewässerung, um eine vielfältigere Bepflanzung und Nutzung zu ermöglichen.
Die Haubenlerche zieht aufs Dach
Auch Vögel haben die Vorteile dieser grünen Oasen längst für sich entdeckt. Auf extensiv begrünten Dächern finden sie offene, trockene Flächen zum Brüten, während intensive Begrünungen mit dichter Vegetation Schutz und Nahrung bieten. „Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Dach des Postverteilerzentrums in Wien-Inzersdorf. Dort hat die Haubenlerche, eine streng geschützte Vogelart, nachweislich Brutmulden angelegt“, berichtet Preiss. Die Artenvielfalt auf begrünten Dächern ist oft überraschend groß. Je vielfältiger die Strukturen, desto mehr Tiere finden hier ein Zuhause – von Wildbienen, die heimische Blühpflanzen als Nahrungsquelle nutzen, bis hin zu Heuschrecken, die offene Sandflächen bevorzugen. Eine Kombination von Gründächern mit Photovoltaikanlagen bietet laut Preiss zusätzliche Vorteile: Die Solarmodule werden durch die Vegetation gekühlt und arbeiten dadurch effizienter. Gleichzeitig schaffen sie schattige Rückzugsorte für Tiere und können zum Beispiel der Haubenlerche auch Deckung vor Raubvögeln wie dem Turmfalken bieten.

Grüne Dachgärten zum Mitmachen
Neben ökologischen und klimatischen Vorteilen bieten intensiv begrünte Dächer auch neue Möglichkeiten für die Stadtbevölkerung. Gemeinschaftsgärten auf Dächern erfreuen sich wachsender Beliebtheit und Wohnanlagen mit Zugang zu begrünten Dachflächen sind besonders gefragt. „Einer der schönsten Vorteile ist, dass intensive Dachbegrünungen auch gärtnerisch genutzt werden können“, betont Preiss. Ein bekanntes Beispiel ist das begrünte Dach eines Möbelhauses am Wiener Westbahnhof, das öffentlich zugänglich ist und als beliebter Treffpunkt dient. „Es ist spannend, zu sehen, wie sehr das Thema Bauwerksbegrünung mittlerweile in die Architektur integriert wird“, sagt Preiss. In Österreich gibt es kein einheitliches Förderprogramm für Dachbegrünungen, doch zahlreiche regionale und nationale Initiativen unterstützen solche Projekte. Auch auf europäischer Ebene verstärkt sich der Austausch rund um das Thema Dachbegrünung kontinuierlich. „Dieser Austausch und die Innovationen in der Dachbegrünung sind enorm wichtig für die Stadtentwicklung.“
Was ein grünes Dach kostet
Jürgen Preiss, Experte für Bauwerksbegrünung in der Wiener Umweltschutzabteilung
„Ein extensives Gründach, das meist mit verschiedenen Sedumarten wie Fetthenne oder Mauerpfeffer bepflanzt wird, wenig Substrataufbau hat und im Allgemeinen sehr pflegeleicht ist, kostet etwa € 60 pro Quadratmeter. Bei Intensivbegrünungen gibt es kaum eine Grenze nach oben, aber ab circa € 2000 pro Quadratmeter ist auch hier etwas Vernünftiges möglich.“ Die Stadt Wien fördert die Anlage von Gründächern mit bis zu max. € 30.000 und bietet gemeinsam mit der Umweltberatung auch Beratung beim Planen an. Eine umfassende Übersicht über die verschiedenen Fördermöglichkeiten bietet die Plattform gruenstattgrau.at, eine österreichweite Kompetenzstelle für Bauwerksbegrünung. Sie fungiert zudem als Schnittstelle zwischen öffentlicher Hand, Wirtschaft und Forschung, um Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen Bereichen zu vernetzen.
