Fast überall droht verwelkten Balkonblumen dasselbe Schicksal. Sind sie nicht mehr bunt, werden sie achtlos weggeworfen und durch saftige Stauden aus dem Großhandel ersetzt. Genau so hat das auch Johann Kimberger, Gründer und Obmann des Wiesenblumenvereins St. Ulrich jahrelang praktiziert. Kimberger hatte immer schon eine große Leidenschaft für Blumen und die Natur, aber wenig über ihren Kreislauf nachgedacht. Eine Gartensendung über nachhaltige Blühpflanzen hat ihn 2019 wachgerüttelt.
„Mir ist plötzlich bewusst geworden, wie blödsinnig es ist, ständig irgendwelche Balkonpflanzen zu kaufen und sie dann wieder wegzuwerfen.“
In der Sendung erfuhr er, dass 70 Prozent der heimischen Wildblumen und Insektenbestände bedroht sind. „Das hat mich damals so schockiert, dass ich sofort etwas dagegen unternehmen wollte“, erinnert sich Kimberger. Er begab sich intensiv auf die Suche nach Informationen über Wiesenblumen und Wildblumensaatgut und besuchte schließlich ein Wildblumenseminar in Niederösterreich. „Nach der Teilnahme war für mich klar, dass ich bei uns im Ort etwas auf die Beine stellen will.“ Gesagt, getan begann er zu Hause Ideen zu schmieden, wie er dieses wichtige Thema unter die Leute bringen kann. Wie viel Begeisterung seine Ideen in der Gemeinde auslösen würden, bescherte ihm eine unverhoffte Überraschung.
Wildblumensamen für alle
Je mehr Kimberger über Wiesenblumen in Erfahrung bringen konnte, desto mehr wuchs in ihm das Bedürfnis in seinem Heimatort heimische Wildblumen auszusäen. Seine Vision war klar: Möglichst viele Menschen zur Anlage einer Wilden Ecke in ihren Gärten zu begeistern. Um seine Idee so rasch wie möglich in die Tat umzusetzen, besorgte er sich einen Sack voll Wildblumensaatgut, füllte kleine Briefchen für jeweils zehn, bzw. zwanzig Quadratmeter ab und beschriftete sie mit den darin enthaltenen Arten. „Menschen zu finden, die mitmachen würden, war im Endeffekt leichter als gedacht. Als ehemaliger Briefträger und langjähriges Mitglied im Sport- und Musikverein kenne ich sehr viele Leute. Da ich selbst gerne helfe, wo ich kann, konnten mir die Leute meinen Wunsch nur schwer ausschlagen“ schmunzelt Kimberger und erinnert sich:
„Es war sehr schön zu sehen, wie groß das Interesse für Wiesenblumen in der Bevölkerung ist. Ich bin sogar bei allen, die Hilfe benötigten, persönlich vorbeigefahren und habe ihnen Tipps für die Aussaat und Auswahl des richtigen Standortes gegeben“.
4,5 Hektar Starthilfe
Dass aus seinem Engagement irgendwann ein Verein entstehen würde, hätte Kimberger anfangs nicht gedacht. Ein Gespräch mit dem Wirt, Christian Mayr, brachte das Ganze schließlich ins Rollen.
„Christian sagte mir, dass er 4,5 Hektar Wiese an jemanden verpachtet hat, der mit der Bewirtschaftung aufhört“ erzählt Kimberger. Im Gespräch stelle sich dann heraus, dass die Flächen sehr steil sind und auch einige Obstbäume dort stehen. Das Interesse der Bauernschaft sie zu pachten war daher sehr gering. „Ich habe Christian spontan gefragt, ob nicht ich das in Zukunft für ihn übernehmen könnte“, erzählt Kimberger und kann sich noch sehr gut an die hocherfreute Reaktion des Wirts erinnern. Bald stand zwischen den beiden ein neuer Pachtvertrag. Kimberger war aber schnell klar, dass er die Bewirtschaftung allein nicht bewältigen kann. Er machte sich erneut auf die Suche nach helfenden Händen und wurde abermals rasch fündig: „Jeder, dem ich meine Idee vorgestellt habe, hat sofort zugesagt und wollte mitmachen. Wir haben uns dann dazu entschlossen gemeinsam einen Verein zu gründen“. Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen und jeden Sommer werden die Wiesen vom Wiesenblumenverein St. Ulrich geheut. Die Vereinsmitglieder sind sehr stolz darauf, zur Förderung der Biodiversität in St. Ulrich beizutragen. Die eigens angefertigte Vereinsplakette ziert bereits zahlreiche Gärten und es ist unschwer zu erkennen mit wie viel Leidenschaft die Menschen dabei sind.
Mit Glück zum Lehrpfad
Im Entstehungsprozess des Vereins waren viele Zufälle und eine große Portion Glück im Spiel. „Seit wir im Ort aktiv sind, passieren so viele schöne Dinge, ich kann es manchmal kaum glauben“, erzählt Kimberger. „Unsere Vereinshütte zum Beispiel wurde uns einfach so geschenkt. Ebenso waren unsere Vereins-T-Shirts aus hochwertiger Alpakawolle eine großzügige Spende und es gibt noch viele weitere Dinge, die einfach so zu uns gefunden haben.“ Der Verein tut aber auch einiges für sein Glück. Auf den angelegten Lehrpfad rund um ihre Vereinshütte sind die Mitglieder besonders stolz. Hier wachsen viele verschiedene Blumen und Sträucher, alle mit selbst kreierten Schildern beschriftet. Auch für Vögel, Säugetiere und Insekten werden zahlreiche Beispiele als Inspiration für die Bevölkerung präsentiert. Speziell die junge Bevölkerung ist dem Verein ein ganz besonderes Anliegen und es wurden bereits einige Aktivitäten mit und für Kinder umgesetzt. Sowohl die örtliche Schule als auch die Gemeinde sind vom Engagement des Vereins begeistert und möchten die Zusammenarbeit zukünftig fortsetzen.