Greifvögel hatten es bei uns lange Zeit nicht leicht: Seeadler, Kaiseradler und Co. waren defacto ausgerottet. Nun kehren sie langsam zurück. Doch mit etwas Gegenwind: Obwohl einerseits als Wappentiere geadelt, sind sie für andere bloß „Raubzeugs“ - und werden illegal getötet. Wie erkennst du einen auch für den Menschen und Hunden hoch toxischen Giftköder? Wo kannst du die majestätischen Vögel beobachten? Matthias Schickhofer hat nachgeforscht …

Hainburg an der Donau an einem nebeligen Jännermorgen. In der Nacht gab es gefrierenden Regen, sodass die Wege zur Donau mit Eis glasiert sind. Der Nationalpark Donauauen lädt heute zu einer Art „Greifvogel-Show“. Doch das hat nichts mit den Flugshows abgerichteter Vögel in Gefangenschaft zu tun. Vielmehr tummeln sich hier die stolzen Federtiere in völliger Freiheit über den Wipfeln des Auwaldes. An die 30 Vogelinteressierte haben sich an den Gestaden der Donau eingefunden. Die beiden Ranger Norbert Teufelbauer und Heinz Frötscher begrüßen die leicht fröstelnde Schar.

Pünktlich zum Auftakt taucht überraschend ein ausgewachsener Seeadler aus den Nebelschwaden über der Donau auf und dreht eine Erkundungsrunde. „Der schaut mal nach, was sich hier tut,“ erklärt  Norbert Teufelbauer, der auch als Vogelkundler bei BirdLife Österreich tätig ist. „Das ist ein besonderes Glück,“ verrät er, „normalerweise warten die Vögel auf Bäumen sitzend ab, bis sich die Luft im Lauf des Tages erwärmt und sie einen besseren Auftrieb haben.“

Der Adler ist nicht weit weg. Seine charakteristischen weißen Schwanzfedern sind gut zu erkennen (im Englischen ruft man ihn deswegen auch “White tailed eagle “).

Riesenvogel und Wappentier

Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,4 Metern sind Seeadler sind ziemlich imposante Kreaturen - und die größten Adler unserer Breiten. Mit ihren breiten Schwingen können sie anstrengungsarm mit der Thermik segeln. Unter den heimischen Greifen werden Seeadler nur vom Bartgeier - bis zu 2,9 Meter Flügelmaß - übertroffen.

Die majestätischen Adler galten schon im Altertum als „königlich“ und waren ein Sinnbild der Macht. Österreichs Wappen, der „Bundesadler“, zeigt einen stilisierten Seeadler. Unsere Ahnen waren allerdings weniger freundlich zu unserem Wappentier: Der Seeadler war jahrzehntelang aus unseren Breiten verschwunden. Nach internationalen Artenschutzbemühungen ist er wieder als Brutvogel nach Niederösterreich, ins Burgenland sowie in die Steiermark zurückgekehrt (35 Brutpaare) - und steht unter strengem Schutz.

Donau-Nationalpark: Paradies für Greife

„Wir haben mittlerweile bis zu sechs Brutpaare ganzjährig fix im Nationalpark. In der kalten Jahreszeit kommen noch einige Wintergäste dazu. Außerdem leben im Nationalpark Kaiseradler (2 Brutpaare) sowie Mäuse- und Wespenbussard, Habicht, Rot- und Schwarz-Milan, Rohrweihe, Sperber, und verschiedene Falken (unter anderen Baumfalken, Sakerfalken, Turmfalken). Als Durchzügler haben wir Fischadler oder Merlin. Sehr selten auch Schreiadler, Schlangenadler, Wanderfalke und auch Wiesenweiheund im Winter Raufußbussard,“ erläutert Norbert die beeindruckende, örtliche Greifvogel-Besiedelung.

Die Exkursion führt nun am eisglatten Wanderweg die Donau entlang zur Ruine Röthelstein. Der Morgennebel lichtet sich allmählich und der Blick auf das gegenüberliegende Ufer mit dem wilden Auwald wird frei. In den Pausen werden Ferngläser und Tele-Objektive in Richtung Fluss ausgerichtet, wo sich Lachmöwen, Sturmmöwen, Mittelmeermöwen, Kormorane, Graureiher, Gänsesäger oder Zwergtaucher die Ehre geben.

Als die Sonne durch den Nebel dringt, wird es wärmer und die Aufwinde kommen in Fahrt. Das ist gewissermaßen der Startschuss für die Greifvogel-Auftritte über dem wilden Auwald.

Die Adler-Flugshow

Zunächst tauchen Kaiseradler auf. Die majestätischen Geschöpfe waren lange Zeit nur mehr in Osteuropa anzutreffen. Nun gibt es wieder 20 Brutpaare im Land. Sie erreichen eine Flügelspannweite von gut zwei Metern - wobei die Männchen im Schnitt etwa 17% kleiner sind. Drei Kaiseradler kreisen über dem Baumkronen, dann taucht ein vierter auf. Ihren Suchflug unterbrechen sie mitunter, um kleinere Scharmützel auszutragen. „Die Scheinkämpfe sind Balzverhalten“, erklärt Norbert.

Nach etwa einer Stunde schwingt sich dann auch ein großer Seeadler in die Lüfte und landet auf einer großen Pappel. „Der wartet noch auf bessere Thermik“, sagt der Ranger. Der gelbe Schnabel ist deutlich auszumachen. Dann breitet er die Flügel aus, und fliegt nach Westen. Noch lange ist der Riesenvogel am Horizont zu sehen.

Seeadler

Wappentier mit Trauerflor: Tu infelix Greifvogel

Im Nationalpark sind die Greifvögel sicher und werden gut behütet. Aber nur, solange sie das Schutzgebiet nicht verlassen. Im restlichen Österreich sind sie mannigfaltigen Gefahren ausgesetzt. Der WWF übermittelt eine deprimierend lange Liste:

  • Illegale Verfolgung
  • Kollisionen mit Windkraftanlagen und Stromtod an ungeschützten Hochspannungsleitungen
  • Lebensraumverlust und Störungen am Brutplatz
  • Bleivergiftungen (wegen bleihältiger Jagd-Munition)
  • Verknappung der Beutetiere (z.B. Insekten oder Kleinvögel durch Pestizideinsatz in der Landwirtschaft)
  • Anreicherung von Umweltgiften in der Nahrungskette

Am stärksten bedroht sind: Bartgeier, Sakerfalke, Rotfußfalke, Rotmilan, Wiesenweihe, und Kaiseradler. Besonders für Empörung sorgen immer wieder Fälle von illegalen Abschüssen und vorsätzlichem Mord an dem „Raubzeug“ (das sind jägersprachlich Tiere, die angeblich dem Wild schaden) durch vergiftete Köder.

Giftattacken gegen das „Raubzeugs“

Die Übeltäter bestreuen Fleischköder mit einem tödlichen Nervengift, etwa Carbofuran, und legen diese im Freien aus. Von den heimtückischen Giftattacken sind aber nicht nur Greifvögel sondern auch andere Tiere wie Füchse, Marder ,Krähen oder Hunde und Katzen betroffen: sie erleiden einen langsamen qualvollen Tod durch Ersticken.

Warnung: Wilderer-Gift auch für Menschen gefährlich!

Das (EU-weit verbotene) Gift ist auch für Menschen gefährlich. Die Eulen- und Greifvogelstation Haringsee, die verletzte Wildtiere rettet (Schwerpunkt: Wildvögel sowie Eulen- und Greifvögel) warnt daher auch Menschen eindringlich: "Finden sie Fleischstücke, Wurst, Wildaufbruch oder Eier, die mit einer körnigen Substanz und mit einer blauen, roten oder violetten Warnfarbe bestreut sind, ist höchste Vorsicht geboten. Berühren sie den Köder keinesfalls, auch für Menschen ist Carbofuran hochgiftig! Melden sie den Fund sofort bei der Gifthotline (s.u.) und bei der zuständigen Polizeidienststelle."

Wer steckt hinter den Gift-Anschlägen?

Die Übeltäter sind in den meisten Fällen wohl entweder krankhafte Hunde- und Katzenhasser oder schwarze Schafe aus den Reihen der Jägerschaft. Der Vergiftungs-Hotspot liegt in Ostösterreich und hier vor allem im Weinviertel. Auch im Burgenland gab es Fälle.

„Vergiftungsfälle aber auch illegale Abschüsse kommen vor allem in Niederwildrevieren vor. Ein Grund für die Verfolgung ist vermutlich die Sorge, dass Greifvögel für den Rückgang von Niederwild verantwortlich sind,“

erklärt Christina Wolf-Petre, Artenschutzexpertin des WWF.

Doch das entspricht nicht den Tatsachen, wie die Artenschutzexpertin ausführt: „Auf das Niederwild wirken viele Faktoren wie Lebensraumverlust und -zerschneidung oder das Fehlen der Nahrungsbasis durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft.“

Greifvögel unterliegen dem Schutz der EU Vogelschutzrichtlinie. Doch das schreckt offenbar einige kriminelle Irrläufer nicht ab.

„Die Ausforschung von Tätern ist schwierig. Bei den uns bekannten Fällen kommen die Täter aber leider aus den Reihen der Jägerschaft. Zuletzt wurde ein Jagdaufseher erstmals wegen Verletzung der Aufsichtspflicht verurteilt“, sagt sie.

Wie reagiert die Jägerschaft auf die illegalen Praktiken?

„Die Jagdverbände lehnen den Einsatz von Gift sowie die illegale Verfolgung geschützter Greifvögel klar ab und arbeiten gemeinsam mit uns daran, Fälle illegaler Verfolgung aufzuklären und zu verfolgen,“ betont die WWF-Mitarbeiterin. Norbert Teufelbauer von BirdLife bestätigt das. Jedoch: Es wird auch immer wieder - teils sogar öffentlich - gegen Greifvögel gewettert und auch eine Legalisierung der Verfolgung gefordert.

Vergiftungsfälle bitte melden! Meldeplattform kaiseradler.at und Hotline +43 660 869 2327

Im Rahmen des internationalen pannonEagle LIFE Projekts setzen der WWF und BirdLife Österreich einen Schwerpunkt zur Bekämpfung der illegalen Greifvogelverfolgung. Finanziell unterstützt wird das EU-geförderte Projekt auch vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus.

„Solltest du tote oder verletzte Greifvögel finden, bitten wir um Meldung! Entweder über unsere Meldeplattform kaiseradler.at, die APP birdcrime oder die birdcrime Hotline +43 660 869 2327!“ appelliert WWF Projektleiterin Christina Wolf-Petre an die Bevölkerung. Dank der Hotline soll die Aufklärungsrate bei Abschüssen und Vergiftungen durch Hinweise aus der Bevölkerung erhöht werden.

Wo lassen sich unsere Greifvögel am besten beobachten?

BirdLife-Ornithologe Norbert Teufelbauer: In den Nationalparks Donau-Auen oder Neusiedler See – Seewinkel gibt es viele Möglichkeiten. Seeadler sind im Winter an den großen Fließgewässern in Ostösterreich, Steinadler wiederum in den Nationalparks Kalkalpen, Gesäuse oder Hohe Tauern anzutreffen. Über letzterem ziehen auch die sehr seltenen Bartgeier ihre Kreise.

Was Birdwatcher unbedingt beachten müssen…

Norbert Teufelbauer rät: „Die Tiere nicht stören und Abstand halten. Fernglas/Fernrohr verwenden. Nicht annähern für ein gutes Foto, das endet nämlich fast immer mit dem Verscheuchen der Vögel. Wenn man mal zufällig einen Horst findet: unbedingt Abstand halten – die Vögel sind zur Brutzeit besonders sensibel. Ein Fotograf unter einem Horst, der auf einen guten Schuss wartet, kann den Verlust der Brut bedeuten…“

Autor: Matthias Schickhofer

 

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