Nach dem Schlupf aus der Puppe werden die anfangs noch schrumpeligen, weichhäutigen Flügel durch Einpressen von Körperflüssigkeit (Hämolymphe) in die Flügeladern wie bei einem Ballon zu ihrer vollen Größe entfaltet. Ist dieser Vorgang abgeschlossen, wird die Flüssigkeit aus den Flügeladern zurückgezogen und füllen sich mit Luft. Die vorher noch weiche Flügelmembran erstarrt dabei und härtet aus. Außerdem besteht der Saugrüssel nach dem Schlupf zunächst noch aus zwei getrennten Halbrohren. Durch oftmaliges Aus- und Einrollen werden die beiden Teile fix miteinander „verklebt“. Der fertige Saugrüssel wird dann in Ruhestellung spiralig eingerollt. Erst jetzt ist der Falter bereit für seinen ersten Flug. Falter mit Rüssel können nur flüssige Nahrung zu sich nehmen und sind weitgehend auf Nektar angewiesen. Nektar eignet sich als „Treibstoff“ für die Flugmuskulatur, nicht jedoch zum Muskelaufbau und weitgehend auch nicht zur Eiproduktion. Die dafür nötigen Vorräte muss sich der Schmetterling also bereits im Entwicklungsstadium als Raupe anfressen.
Mit dem typischen Schmetterlingsbild im Kopf, ist es vielleicht nur schwer vorstellbar, dass es Schmetterlingsarten gibt, die keinen Rüssel besitzen. Die ursprünglichsten Falterfamilien haben noch keinen Rüssel, sondern beißend-kauende Mundwerkzeuge. In Mitteleuropa sind die bunten, aber nur wenige Millimeter großen Urmotten, die als Falter Pollen fressen, zu finden.
Unter den Nachtfaltern gibt es zudem viele Arten, deren Mundwerkzeuge stark rückgebildet sind. Diese Arten nehmen als erwachsene Falter keine Nahrung mehr zu sich, sondern zehren während ihres nur wenige Tage dauernden Lebens ausschließlich vom „Speck“, den sie sich als Raupe zugelegt haben. Ihr Leben besteht nur aus Luft und Liebe – sie pflanzen sich fort und sterben bald danach. Einer der bekanntesten dieser Falterarten ist das Wiener Nachtpfauenauge, welches mit einer Flügelspannweite von bis zu 16 cm der größte europäische Schmetterling ist. Die auffälligen Augenflecken auf den Vorder- und Hinterflügeln der imposanten Tiere dienen dazu, Fressfeinde abzuschrecken. Im Mai begeben sich die mit fächerartigen Fühlern ausgestatteten, männlichen Tiere nachts auf die Suche nach paarungsbereiten Weibchen. Meist reglos an Baumstämmen sitzend, geben diese Sexuallockstoffe (Pheromone) ab, die von den Männchen bis in 5 km Entfernung wahrgenommen werden können. Kurz nach der Paarung oder innerhalb der folgenden zwei Nächte werden die Eier bevorzugt an dünnen Ästen alter Obstbäume abgelegt und das Leben der erwachsenen Tiere endet.
Ein weiterer „untypischer“ Schmetterling ist der Frostspanner. Auch dieser besitzt als ausgewachsener Falter keinen Rüssel oder Mundwerkzeuge. Hinzu kommt bei Frostspannern, dass das Weibchen auch keine Flügel besitzt. Spät im Jahr und erst nach Frosteinwirkung, die den entsprechenden Entwicklungsanreiz setzt, klettern die Weibchen „per pedes“ den Baumstamm hinauf, werden von den flugfähigen Männchen aufgesucht und paaren sich. Die Eier werden dann in Rindenvertiefungen an der Baumkrone abgelegt, die erwachsenen Tiere sterben bald danach. Die im darauffolgenden Frühjahr schlüpfenden Raupen, welche durch ihre typische buckelartige Fortbewegung auffallend sind, lassen sich ab Mai mit einem Spinnfaden zu Boden herab. Dort verpuppen sie sich in etwa 10 cm Bodentiefe. Im Oktober schlüpfen nach Frosteinwirkung wieder die grau-braunen Falter und der Kreislauf beginnt von neuem.
Die Natur bietet stets Unglaubliches zu entdecken, das zu Erstaunen vermag – und so sind auch viele unserer heimischen Schmetterlingsarten ganz anders als zunächst gedacht!