Die Alpine Pearls haben sich dem sanften Tourismus verschrieben. Fünf Orte in Österreichs Alpen, die ihren Fokus auf umweltverträgliche Mobilität legen. Dahinter steckt aber noch mehr. Peter Brandauer, Präsident der Tourismuskooperation und Bürgermeister von Werfenweng, im Gespräch mit Maria Schoiswohl.
Was bedeutet sanfter Tourismus bei den Alpine Pearls?
Grundsätzlich geht es um umweltverträgliche Mobilität. Das Thema Anreise in den Urlaub ist ganz wichtig, deshalb haben wir ein gutes Angebot für die Bahn- und Busanreise. Gleichzeitig bieten wir eine Mobilitätsgarantie vor Ort. Wer ohne Auto anreist, kann etwa mittels Elektroshuttle zum Restaurant, zur Sehenswürdigkeit oder zum Ausgangspunkt der Wanderung. Auch da achten wir auf die Umweltverträglichkeit in der Mobilität.
Sie sagen "grundsätzlich" geht es um umweltverträgliche Mobilität. Heißt das "ausschließlich"?
Nein, sanfter Tourismus geht darüber hinaus und berührt auch ganz andere Bereiche: Woher kommt die Energie für unsere Elektrofahrzeuge? Da ist das Thema erneuerbare Energie ganz wichtig. Und auch der Naturschutz spielt eine Rolle: Wie erhalten wir die Natur in unseren Urlaubsgebieten? Die sanfte Mobilität trägt zur Reduktion der CO2-Emissionen bei und zum Klimaschutz, sie ist aber nicht alles.
Sie haben 2006 die Alpine Pearls mitgegründet. Heute zählen 25 Gemeinden in sechs Ländern dazu, davon fünf in Österreich. Wie wurde die Idee konkret in Werfenweng umgesetzt?
Wer einen autofreien Urlaub bei uns genießt, wird belohnt. Wir haben dafür die Samo-Card eingeführt. Jene Gäste, die per Bus oder Bahn anreisen, oder ihr Auto bei uns im Urlaub stehen lassen, bekommen diese Karte für eine Verwaltungsgebühr von zehn Euro. Sie inkludiert die erwähnte Mobilitätsgarantie im Ort – mit dem E-Lois, unserem E-Shuttle, mit dem Nachtmobil, das im Sommer bis 2 Uhr nachts fährt, mit der Pferdekutsche oder mit dem E-Mobil zum Ausborgen. Zusätzlich haben wir die so genannte Spaßmobilität im Sommer – per Segway, Funrider, E-Bike, Fahrrad kann man durch die Gegend fahren. Im Winter kann man auch kostenlos mit dem Pferdeschlitten fahren oder sich die Langlaufrüstung gratis ausleihen.
Warum setzt ein Ort wie Werfenweng gerade auf das Thema "sanfter Tourismus"?
Der Ursprung liegt hier in den 90er-Jahren. Damals gingen die Gästezahlen zurück und 1994 erstellte man aufgrund dessen ein Ortsleitbild. Da hielt man erstmals fest, dass man ein autofreier Ort werden möchte – wie Zermatt etwa. 1996 gab es dann ein Projekt vom Umweltministerium zum Thema "sanfte Mobilität/autofreier Tourismus" an dem wir teilgenommen haben. Es folgte die Konzeptphase, die Ideenfindung und es gab viele Bürgerversammlungen. Da haben wir gelernt – wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder wir machen es ganz radikal und sagen: Wir sind ab sofort autofrei. Oder wir wählen den Weg der 1.000 kleinen Schritte. Die radikale Idee war politisch nicht durchsetzbar. Somit wählten wir den zweiten Weg – sich gemeinsam mit Bürgern, Gästen, Experten auf das Ziel „autofreier Urlaubsort“ zubewegen. Auf diesem Weg sind wir nach wie vor.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie bei diesem Projekt?
Die Bevölkerung ist dem Thema zu Beginn sehr kritisch gegenüber gestanden. Immerhin kommt der Großteil unserer Gäste aus Deutschland und reist mit dem Auto an. Für die Akzeptanz in der Bevölkerung war es deshalb extrem wichtig, einen wirtschaftlichen Erfolg vorzuweisen. In den ersten vier Jahren der Samo-Card haben wir uns von 162.000 Nächtigungen pro Jahr auf 212.000 gesteigert. Das Projekt hat auch zu einer neuen Betriebsansiedelung geführt und aktuell halten wir bei 270.000 Nächtigungen im Jahr. Gleichzeitig haben wir eine Samo-Card für Einheimische entwickelt, die verschiedene Zielgruppen – etwa Pendler oder Familien – belohnt, wenn sie das Auto weniger nutzen.
Wie viel haben Sie in die Umsetzung des Projekts bereits investiert?
So konkret kann man das nicht sagen, aber die jährlichen Kosten, die die Samo-Card finanzieren, liegen bei 300.000 Euro. Diesen Betrag bringen die Betriebe alljährlich auf, um diese Art von Tourismus in Werfenweng zu ermöglichen. Wir zählen rund 50.000 Gäste und verkaufen rund 10.000 Samo-Cards pro Jahr.
Die Alpine Pearls sind ein länderübergreifendes Projekt. Wie ist der Vergleich der österreichischen Orte zu den anderen?
Man profitiert vom Erfahrungsaustausch der anderen immens. Das ist ja auch der Nutzen einer solchen Kooperation. Aber es ist nicht direkt vergleichbar, da jedes Land andere Startvoraussetzungen hat. In der Schweiz etwa ist das öffentliche Verkehrsnetz viel besser ausgebaut als bei uns oder in Frankreich. Man kann aber innerhalb Österreichs feststellen, dass dieser sanfte Tourismus eine Art Wettbewerb zwischen den einzelnen Orten auslöst. Es gibt sehr aktive Gemeinden wie etwa Weissensee, die sich sehr engagieren. Sie fordern sich gegenseitig heraus und tun etwas, um mitzuhalten. Das Programm ist sicherlich noch ausbaufähig, aber uns geht es vor allem um Qualität statt um Quantität.
Welche weiteren Maßnahmen setzen Sie für einen sanften Tourismus in der Region?
Aktuell sind wir dabei uns der dritten großen Zielgruppe zuzuwenden: den Tagesbesuchern, die ja doch primär mit dem Auto kommen. An einer eigenen Karte für Tagesgäste arbeiten wir gerade. Dann wollen wir noch mehr die autolosen Haushalte ansprechen und den Anteil der Bahnfahrer erhöhen. Aktuell liegen wir bei 20–25 Prozent, vor Projektstart waren es 6 Prozent. Ferner wollen wir uns vermehrt in Richtung Ganzjahresdestination entwickeln.
Warum Ganzjahresdestination?
Sommer und Wintertourismus halten sich bei uns aktuell die Waage, doch der Sommertourismus gewinnt zunehmend an Attraktivität. Das hängt unter anderem mit dem Klimawandel zusammen. Deshalb setzten wir im Moment auch ein ganz anderes Projekt um: den Spazierhimmel auf der Hochebene. Hier errichten wir Spazierwege in guter Qualität mit attraktiven Rastmöglichkeiten ohne Beschilderung und Zeitdruck. Spazieren ist eine Ganzjahresangelegenheit: der Morgenspaziergang, der Verdauungsspaziergang, der Regenspaziergang, der Liebesspaziergang – spazieren kann man immer.
Hintergrund
Zu den Alpine Pearls zählen 25 Gemeinden in Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien, Slowenien und der Schweiz. In Österreich gehören neben Werfenweng auch die Orte Neukirchen in Salzburg und Hinterstoder in Oberösterreich sowie Mallnitz und Weissensee in Kärnten dazu. Sie legen ihren touristischen Schwerpunkt auf einen nachhaltigen und klimaschonenden Tourismus in den Alpen. Peter Brandauer ist Präsident der Tourismuskooperation und Bürgermeister von Werfenweng.