In Österreich existieren durchschnittlich alle 700 Meter und insgesamt rund 71.000 Querbauwerke in Flüssen und Bächen, die seit Jahrzehnten die natürlichen Wasserläufe zerschneiden. Diese Bauwerke, darunter Wehre, Dämme und Sohlschwellen, wurden ursprünglich für verschiedene Zwecke wie Hochwasserschutz, Wasserversorgung oder Energieerzeugung errichtet. Viele dieser Strukturen erfüllen auch heute noch unverzichtbare Funktionen. Doch ein erheblicher Teil dieser Bauwerke ist mittlerweile obsolet. Diese ungenutzten Barrieren stammen aus Zeiten, als Mühlen oder kleinere Wasserkraftwerke das Wasser nutzten, und haben ihren ursprünglichen Zweck verloren. Dennoch sind sie immer noch vorhanden und beeinträchtigen die aquatischen Ökosysteme erheblich.
Sichtbare Hindernisse, unsichtbare Schäden
Für viele Fischarten sind diese Hindernisse ein gravierendes Problem. Die Barrieren trennen Flussabschnitte voneinander, unterbrechen Laichwanderungen und verhindern den genetischen Austausch zwischen den Populationen. Damit trägt diese „Zerstückelung“ der Flüsse zum Rückgang gefährdeter Fischbestände bei. „Für den Normalverbraucher sieht das Wasser oft klar und gesund aus, aber das täuscht. Unsere Flüsse haben zwar eine gute Wasserqualität, jedoch nicht die notwendige ökologische Qualität. Viele Gewässer, so um die 60 Prozent, sind nicht in einem guten ökologischen Zustand, da Querbauwerke und Verbauungen die Flüsse fragmentieren und den natürlichen Lebensraum der Fische beeinträchtigen“, bestätigt Gewässerexperte Clemens Gumpinger. „Dam Removal“ – die gezielte Entfernung veralteter Dämme und Wehre – hat sich international als effektive Methode zur Wiederherstellung von Flussökosystemen etabliert. Dabei werden gezielt Querbauwerke, die ihren ursprünglichen Zweck verloren haben und weder zur Energieerzeugung noch zum Hochwasserschutz beitragen, entfernt. In den USA begann die „Dam Removal“-Bewegung bereits in den 1970er-Jahren, in Europa hat die Bewegung erst in den letzten 20 Jahren Fahrt aufgenommen.
Ausgewogener Rückbau an der Maltsch
Auch in Österreich gewinnt der Rückbau an Bedeutung. Am Grenzfluss Maltsch – zwischen Österreich und Tschechien – wurden 2022 insgesamt zehn veraltete Querbauwerke entfernt, um die ökologische Durchgängigkeit wiederherzustellen. „Das waren Relikte von zum Beispiel alten Mühlenwehren, die man einfach nicht mehr brauchte. Man darf aber nicht vergessen, dass gerade in der Maltsch, einem geschichtsträchtigen Fluss, auch andere Interessen bestehen, beispielsweise die Erhaltung dieser historischen Gedenken. Wir haben deswegen einen Teil des Querbauwerks stehen gelassen, um daran zu erinnern, dass hier einmal eine Mühle war, und die andere Hälfte entfernt und für die Fischfauna passierbar gemacht“, erklärt Gumpinger. Das Beispiel an der Maltsch zeigt, dass Renaturierungsmaßnahmen sorgfältig und unter Einbeziehung verschiedener Interessen durchgeführt werden können, um einerseits ökologische Ziele zu erreichen und andererseits kulturelle und historische Werte zu wahren. Die im August 2024 in Kraft getretene EU-Renaturierungsverordnung unterstützt genau solche Bestrebungen. Sie fordert von den Mitgliedsstaaten, bis 2030 mindestens 25.000 Kilometer Flussstrecken in Europa wieder durchgängig zu machen und so den natürlichen Zustand der Gewässer zu fördern. Dabei liegt der Fokus auf der Entfernung von genau solchen obsoleten Bauwerken, die keinen funktionalen Nutzen mehr haben, aber ökologischen Schaden anrichten. Bauwerke, die weiterhin zum Hochwasserschutz oder zur Energieerzeugung benötigt werden, bleiben bestehen und werden gegebenenfalls mit Fischaufstiegshilfen ausgestattet, um die ökologische Durchgängigkeit bestmöglich zu gewährleisten. Für Österreich stellt die Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung einen wichtigen Schritt dar, um seine Flüsse und Bäche langfristig in einen „guten ökologischen Zustand“ zu versetzen.