Dass die Region Neusiedler See - Leithagebirge zu einer der vielseitigsten Regionen in ganz Österreich gehört, wissen die TeilnehmerInnen der Weinbergwanderung “Kirschen und Wein” nun ganz bestimmt, denn Johann Egermann führte uns durch Geschichte, Geologie und Brauchtum! Erfahre hier, wie Kirschen und Wein harmonieren:
“Wir Purbacher sind ganz besonders offene Menschen”, begann Johann Egermann zu erzählen, als wir kurz nach dem Start der Wanderung am Friedhof vorbei gingen. Deshalb ist Purbach auch ein Zuzugsgebiet, was sowohl Vor- als auch Nachteile bringt.
Was sich in Purbach - und der ganzen Region - aber seit Jahrhunderten nicht geändert hat, das ist der Fokus auf den Weinbau, wie wir während der ganzen Führung immer wieder erzählt bekommen, aber auch hautnah sehen können.
Die Geologie des Leithagebirges
Damals, als das Burgenland noch am Urmeer lag, war alles anders. Das Leithagebirge ragte nur als kleine Inseln aus dem Wasser hervor und an den Küsten entstand Leithakalk.
Nach dem Verschwinden des Urmeeres liegt dieser Leithakalk nun auf dem Kern des Leithabergs, welcher aus Silikaten (Gneis und Glimmerschiefer) besteht, berichtet uns Herr Egermann.
Gerade diese Mischung trage zu den hervorragenden Aromen der burgenländischen Weine bei und der mineralische Geschmack sei im Abgang klar erkennbar, klärt uns der Fachmann auf, während wir bei der kleinen Kapelle “Maria Hilf” Halt machen.
Auch das Klima spielt eine große Rolle im Weinbau. Das pannonische Klima macht die Region mit einem Temperaturmittel von 10°C und überdurchschnittlich vielen Sommertagen, das sind Tage mit Temperaturen über 25°C, zur wärmsten Region Österreichs.
Die Sommermonate sind heiß und trocken, was in Kombination mit geringem Niederschlag zu savannen-artigen Bedingungen führt. Genau diese führen zum Vorkommen von Wärme und Trockenheit liebender Tierarten wie zum Beispiel dem Wiedehopf, dem Wendehals oder auch der östliche Smaragdeidechse.
Doch das Klima, speziell der Klimawandel, können auch negative Auswirkungen auf den Weinbau haben: Klimawandel wirkt sich auf den Weinbau aus
Die Besonderheiten der Natur
Dass die Region Neusiedler See - Leithagebirge auch mit vielen Besonderheiten der Natur auftrumpft, bleibt niemandem auf der Wanderung verborgen.
Die Hänge vom Leithaberg hinunter zum Neusiedlersee sind voller Weingärten, durchzogen von Kirschbäumen und sehr schönen Trockenrasenflächen, die einzigartige Schönheiten wie die Zwergschwertlilie aufweisen.
Die stark gefährdete Zwergschwertlilie existiert in zwei Varianten, nämlich in den Farbvarianten gelb und violettblau.
Hinter der verschiedenen Färbung vermuten Forscher eine kluge Strategie der Natur: Durch die zwei verschiedenen Farben täuscht die Blume Bestäuber. Dadurch, dass die Zwergschwertlilie, anders als andere Pflanzen, keinen Nektar für ihre Bestäuber anbietet, musste sie sich etwas anderes einfallen lassen.
Die bestäubenden Insekten, hier meist Hummeln, fliegen zu den gelben Blüten und erkennen, dass hier kein Nektar zu holen ist. Sie fliegen, in der Annahme es handle sich um eine andere Pflanze, weiter zu den violettblauen Blüten und bestäubt sie. So “erschwindelt” sich die Zwergschwertlilie ihre Bestäubung.
Mittlerweile sind wir am höchsten Punkt unserer Wanderung angekommen und sehen mit einem Blick zum See hinunter den beeindruckenden Schilfgürtel, welcher sich am Ufer des Neusiedlersees ausbreitet. Dieser Schilfgürtel ist der zweitgrößte Europas und Lebensraum für verschiedene Vogelarten.
Wir erfahren aber auch, wie sich der Wein von dem Burgenland aus in verschiedene Regionen Österreichs und Ungarns verbreitet hat und dass das ein Schlückchen Wein so manchem Zöllner in der Vergangenheit dazu gebracht hat ein Auge zuzudrücken, wenn es um die Ausfuhr-Kontrolle der gebrandmarkten Weinfässer und ihrer Zollpapiere ging.
Der Verlust der Bio-Diversität und der Weg zurück
Auf unserem Weg zurück, vorbei an Weingärten, erzählt uns Johann Egermann von der Bedrohung der Reblaus, welche ab 1872 die Weinkulturen in Österreich weitestgehend zerstört.
Rettung versprach die Veredelung mit amerikanischen Unterlagsreben, welche reblaustolerant waren. Durch die Veredelung auf dieser Unterlagsreben konnte der Weinbau gerettet werden, was jedoch auf Kosten der Vielfalt alter Weinsorten ging.
Heute werden in Purbach zwischen 320-350 ha Weinbauflächen bewirtschaftet und rund 20 Weinbaubetriebe können davon leben.
Auch alte Weinsorten wie der Furmint werden wiederentdeckt und der Anbau wurde vereinzelt wieder aufgenommen.
Mehr zum Thema Diversität in Bezug auf Wein kannst du auch hier erfahren: Erstaunliche Fakten über Wein
Kirschen & Wein - ein perfektes Paar
Wie Kirschen und Wein zusammenhängen, auch das erklärt uns Johann Egermann: Während der Herbst typische Weinzeit ist und die Weinbauern dort ihr Haupteinkommen generieren, war das Jahr bis dorthin eher fruchtlos an Einnahmen.
Dies änderte sich durch die Kombination von Kirschen und Wein: Während der Wein eben im Herbst die Einnahmequelle ist, sind es im Frühsommer die Kirschen.
“Besonders schön sei der Anblick der weiß-blühenden Bäume im Frühjahr”, meint Herr Egermann, zu Essen gibt es die Kirschen dann im Juni bis Juli.
Im Leithagebirge daheim ist übrigens die Leithaberger Edelkirsche, für die die Region mittlerweile ebenso bekannt ist, wie für den Wein.
Die Geschichte der Leithaberger Edelkirsche lässt sich über mehrere Jahrhunderte zurückverfolgen und ihr Geheimnis ist das Klima des Neusiedlersees, welcher wie ein riesiger Wärmespeicher wirkt.
Mehr als 15 verschiedene Kirschensorten sind übrigens rund um die Region Leithaberg zu finden und die Nachpflanzung speziell dieser Sorten wird in der Region speziell gefördert, um die Erhaltung dieser zahlreichen, speziellen Kirschensorten zu sichern.
Lesetipp: 10 Gründe weshalb dir Kirschen den Sommer versüßen
Doch nicht nur uns, auch zahlreichen Vögel- und Insektenarten dienen die Kirschen als Nahrungsquelle und Rückzugsort. Insekten halten sich in der Baumkrone auf und kleine Krabbeltierchen machen es sich unter der Rinde und bei den Wurzeln bequem. Abgefallene, reife Kirschen sind auch besonders beliebt bei Fuchs, Dachs und Marder.
Die Geschichte von Wein und Kellergassen
Zum Abschluss der Wanderung machen wir in der Kellergasse Halt, welche eine lange Tradition hat.
Da die früheren Keller der Weinbauern immer wieder vom Grundwasser überschwemmt wurden, begann man 1873 höher gelegene Weinkeller zu errichten.
So entstanden zwischen 1873 und 1900 sechs parallele Kellergassen, von denen heute noch etwa 80 Keller erhalten sind.
Viele dieser 80 Keller wurden als Heurigenkeller oder Verkostungsräume umgebaut und so kann man jeden ersten Samstag im Monat noch heute Schmankerl und Weine aus der Region in der Kellergasse verkosten. (Autorin Jules Moody)
Die nächste “Kirschen und Wein” Weinbergwanderung findet am 02. November 2018 statt, hier findest du alle weiteren Infos und noch mehr Veranstaltungen in der Natur!
Blühendes Österreich für mehr Artenvielfalt im Seewinkel & Waasen
Gottes Gnadenkraut, Gottesanbeterin oder Großtrappe: Um den Neusiedler See verbergen sich Schätze der Vielfalt, die es aufgrund ihres Lebensraumverlusts zu bewahren gilt. Mit dem Naturschutzprogramm FLORA (Förderung von LandwirtInnen und Organisationen zur Rettung unserer Artenvielfalt) von Blühendes Österreich werden seit 2015 Ackerbrachen und Wiesen sowie aufgelassene Weingärten mit reicher Biodiversität wachgeküsst.
Insgesamt soll ein Mosaik an “Ökowertflächen” im Ausmaß von 31 Hektar revitalisiert werden. Finanziert wird dieses Vorhaben durch den Kauf von Produkten der Marken „Da komm’ ich her!“, „MERKUR Immer grün", „Ich bin Österreich“, „bi good“ oder "Wegenstein". Ein Cent fließt direkt in die regionalen Naturschutz-Projekte von Blühendes Österreich.