Auwälder sind ständig in Bewegung, vielgestaltig und artenreich. Wald und Wasser bilden hier wilde Wege, die uns Menschen meist verschlossen bleiben. Im Nationalpark Donau-Auen kannst du die bewegte Natur aber hautnah erleben. Besonders stimmungsvoll ist das Schauspiel der Au auf einem Holz-Schiff der habsburgischen Donauflotte – mit dem Röhren vom König des Waldes inklusive.

 

Ein Hauch von k. u. k. und der Geist von ´84

Seine BesucherInnen empfängt der Nationalpark Donau-Auen im altehrwürdigen Schloss Orth. In Niederösterreich, an der Donau. Als ich den Hof an diesem Spätsommerabend betrete, blickt auch gleich ein Weißstorch recht adelig auf mich herab. Die liebevoll gestaltete Schlossinsel gibt tiefe Einblicke in die Natur und Lebensräume der Donau-Auen. Hier sonnen sich Sumpfschildkröten, dort tummeln sich Ziesel. Sogar eine Unterwasserstation gibt es, in der man Hechte und andere Donau-Fische beobachten kann.

Dass europäische Sumpfschildkröten, Biber, Seeadler und an die 200 andere Wirbel-Tierarten heute noch in den Donau-Auen leben können, ist nicht nur ein Verdienst des Nationalparks oder der Au-BesetzerInnen von 1984. Unverbaut blieben die ausgedehnten Wälder am Strom über lange Jahrhunderte, weil die hohen Herren des Hauses Habsburg, allen voran Kaiser Karl, der VI., hier der Jagd frönten. Erst die großen Flussregulierungen des 19. und 20. Jahrhunderts veränderten das Antlitz der gewaltigen Naturlandschaft nachhaltig. Als 1984 ein Kraftwerksbau den letzten frei fließenden Abschnitt der Donau östlich von Wien bedrohte, veränderten schließlich besorgte BürgerInnen den Lauf der Geschichte und bahnten der Errichtung eines Nationalparks den Weg.

Rothirsch

Auhirsche am Rande der Großstadt

„Der Storch vom Schlossturm bleibt im Winter übrigens hier“, sagt Manfred, seines Zeichens Ranger im Park. Er möchte den Gästen heute einen Weg durch die Donau-Auen weisen. Mit etwas Glück können wir dabei Hirsche röhren hören. Der legendäre „Auhirsch“ ist zwar keine eigene Art, aber eine besonders große und starke Variante des europäischen Rothirsches. Heute leben mehrere hundert Stück Rotwild in den Wäldern des Nationalparks Donau-Auen. Und in der Lobau röhrt der Auhirsch keine 10 Kilometer von der Wiener Innenstadt entfernt!

Für Hirsche und viele andere Tiere stellen die Donau-Auen aber nicht nur potenziellen Lebensraum dar. Als Teil des großen Alpen-Karpaten-Korridors verbinden sie auch die wildesten Wald- und Gebirgsregionen Mitteleuropas. Die Auen von Donau, March und Leitha sind Schauplatz vieler Wanderungen und ermöglichen den oft notwendigen Austausch zwischen Populationen großer Wildtiere im flachen, von Siedlungen und Autobahnen zerschnittenen Osten Österreichs.

Im Holz-Schiff auf der Donau

Es wird langsam dunkel, als unsere Gruppe unter Manfreds Leitung beim berühmten Orther Uferhaus endlich zum großen Strom vorstößt. Um Eindrücke von der Hirschbrunft zu bekommen, wollen wir heute Abend Wasserwege befahren, dann und wann ankern und in den Auwald hineinlauschen. Am Ufer eines kleinen Seitenarms wartet auch schon die „Tschaike“. Das knapp 20 Meter lange, ruder- und segelbare Boot aus Holz ist ein Nachbau von Kriegsschiffen der habsburgischen Donauflotte. Rudern müssen wir nicht, ein kleiner Motor schiebt die Tschaike bald flussaufwärts durch die träge Strömung.

Kormorane ziehen vorüber, Reiher schreien, Flussuferläufer schießen am Ufer entlang. Die Donau ist tatsächlich ein zentraler Verkehrsweg. Das beweisen uns nicht nur die vielen Vögel, sondern auch große Fracht- und Kreuzfahrtschiffe, die wie leuchtende Glaspaläste aus dem Dunkel auftauchen. Doch unser Kapitän kennt die Fahrpläne genau und folgt geschickt seinem eigenen kleinen Korridor. An manchen Stellen scheint der Wald ins Wasser zu ragen. An anderen tauchen kiesige Landzungen und Inseln auf. „Uferrückbau“, sagt der Nationalpark-Ranger.

Vor einer schönen Schotterbank rasselt die Ankerkette, dann stellt sich Ruhe ein. Im dämmrigen Licht einer kleinen Lampe und in Decken gehüllt, lauscht die ganze Besatzung nun aufmerksam in die Nacht. Die Hirschrudel stehen heute zwar tief im Wald, doch hören wir das Röhren der Männchen auch hier. Jedem Laut, ob von Hirsch, Wildschwein oder einem plätschernden Fisch, folgt ein Raunen an Bord. Auf der Tschaike schaukelt man friedlich im Rhythmus der mächtigen Donau, genießt die Stille und erlebt die Natur der Donau-Auen auf ganz besonders stimmungsvolle Art.

Zurück nach Orth, den Strom bergab, lässt man sich einfach treiben. Manch einer steuert noch das Uferhaus an. Das lockt mit traditionellen Fischgerichten und Weinen. Ich blicke eher sehnsüchtig weiter nach Osten und denke daran, eines Tages einfach die ganze Donau hinunter zu schippern, bis in ihr wildes Delta. Sicher ist: Eine Boots- oder Schifffahrt ist ein guter Weg, um die Donau-Auen zu entdecken.  (Text: Stefan Agnezy)

Neugierig geworden? Im Nationalpark Donau-Auen kann man zu jeder Jahreszeit auf Entdeckungsreise gehen. Zu Land und zu Wasser!

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