Eigentlich hätten wir uns ja schon Freitag Früh in Tulln versammeln sollen. Eigentlich. Doch im Moment ist nichts wie noch vor ein paar Wochen – auch nicht, wenn es um neues Wissen rund um Pflanzen und Garten geht. Stattdessen erhalte ich eine Mail:
„Herzlichen Glückwunsch! Du hast dich erfolgreich registriert!“
Darunter ein Link zum Webinar: Gemüsevorzucht – Frucht& Wurzelgemüse. Ein Onlinekurs statt praktischer Hands-on Erfahrung, das klingt vorerst etwas umständlich, doch der Frühling lässt sich nicht aufhalten: Sobald die Temperaturen steigen wird es auch Zeit gekaufte oder gesammelte Samen langsam vorzubereiten, um sie dann rechtzeitig nach draußen zu verpflanzen.
Die frühen Zweifel verfliegen schnell. Die Teilnahme am Webinar ist unkompliziert, ein Klick katapultiert mich direkt in den Online-Workshop. Dort wartet bereits Stefan Streicher, der mich und die anderen TeilnehmerInnen jedoch nicht sieht. Als Moderator gibt er uns eine kurze Einleitung zum Veranstalter „Natur im Garten“, eine Aktion des Landes Niederösterreich. Seit 1999 vermitteln Experten und Expertinnen Wissen, um Garten und Grünflächen ökologisch wertvoll zu gestalten. Das Ziel? Lebensraum für die Tierwelt schaffen und so Artenvielfalt zu steigern.
Erster Schritt zur Gemüsevorzucht
Ab jetzt übernimmt die Gartenexpertin und Webinar-Leiterin Margit Benes-Oeller. Auf der Seite des Bildschirmes ist ein kleines Chatfenster eingerichtet. Es dauert keine Minute bis die ersten Fragen aufpoppen, doch bevor diese beantwortet werden, geht es gleich zur Sache. Erster Punkt auf der Agenda: die Frage "Samen oder Jungpflanzen". Natürlich könne man auch zu vorgezogenen Setzlingen greifen, doch das sei teurer und besonders im Moment etwas schwierig, meint Margit. Außerdem seien diese Sorten oft standardisiert.
Samen sind in den meisten Supermärkten oder online erhältlich. Durch das Ziehen von Samen könne man außerdem alte Sorten erhalten. Dadurch steigert man die Resilienz, wenn es zu Änderungen in der Umwelt kommt. Weiters verweist Margit noch auf die Bezeichnung „F1 Hybridsaatgut“ – keine Empfehlung der Garten-Aktion: „Die Besonderheiten einer Sorte werden hier zwar rausgekitzelt, oft kann man sich dann aber im zweiten Jahr nicht mehr auf das Saatgut verlassen“, erklärt sie.
Hat man sich einmal für die Samen entschieden, heißt es eine weitere Entscheidung zu treffen: Direktsaat oder Vorzucht. Die Vorzucht führt zwar verlässlicher zu positiven Ergebnissen, bedeutet aber gleichzeitig auch mehr Aufwand.
Das brauchst du für die Vorzucht:
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Aussaaterde: Natur im Garten empfiehlt eine Mischung aus je einem Teil Gartenerde (Kompost), Quarzsand und Kokosfasern. So magert man die Erde etwas ab
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Ein Brett zum Ausdrücken der Erde
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Samen
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Aussaatgefäße
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Stift
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Etiketten
Das richtige Gefäß
Wer denkt, dass das Webinar nur eine digitale Powerpoint-Präsentation ist, liegt falsch. Gerade bei den Anzuchtgefäßen gibt es unendlich Auswahl und viel herzuzeigen. Margit platziert die einzelnen Optionen vor der Kamera:
Neben den im Geschäft erhältlichen Alternativen aus Karton, Kokosfasern oder Kautschuk, empfiehlt sie vor allem selbstgemachte Versionen aus recyceltem Material. Dafür nimmt sie einen Holzstempel in die Hand und umwickelt ihn mit einigen Lagen an Zeitungspapier. Die sogenannte „Zigarre“ ist bereit mit Erde befüllt und mit Samen bestückt zu werden. Auch Joghurtbecher, Klopapierrollen (die zur Zeit vermutlich ausreichend vorhanden sind) oder Eierkartons eignen sich hervorragend. Letztere zwei können als Ganzes nach außen versetzt werden. Wichtig ist ein Loch am Boden, damit überschüssiges Wasser austreten kann.
Saatgut oder -schlecht
Nun zu den Samen: Auch hier gibt es Kriterien für Qualität, die zu beachten sind. Denn auch Saatgut kann bei zu langer oder zu heißer Lagerung schlecht werden. Bei Bohnen merkt man das zum Beispiel, wenn man sie in ein Glas Wasser gibt: Die schlechten schwimmen auf.
„Aschenbrödel hätte sich hier viel Arbeit ersparen können“, scherzt Margit.
Das Lachen der anderen höre ich leider nicht. Generell gilt, dass sich alle Samen in einem Erdriss verankern. Das heißt, die Erde sollte nicht zu fest aber auch nicht zu locker sein. Wie tief sie in die Erde sollen, kommt ganz auf die Sorte an. Meist stehen diese Infos aber auf der Packung genau beschrieben.
Streicheln bis zur Aussaat
In der Zwischenzeit wird im Chat heftig weiterdiskutiert. Zum Beispiel darüber, welcher Sand am besten sei und wo man diesen in der Quarantäne bekommt. Doch noch geht es im Webinar um die Aussaat, bei der einiges zu beachten ist:
- Sauber arbeiten!
- Erde ausdrücken
- Saatrille ziehen
- Aussäen
- Etwas Sand darüber
- Und zu guter Letzt: Gießen. Am besten, indem man den Brausekopf nach oben richtet, um die Samen nicht auszuschwemmen.
Dann platziert man sein Gefäß nahe am Fenster, jedoch nicht in der direkten Sonne. Sobald die kleinen Pflanzen gekeimt sind und drei bis vier Blätter aufweisen, wird ein Pikierholz (ein Bleistift tut’s auch, meint Margit augenzwinkernd) genommen, ein Loch in einen größeren Aussaattopf gemacht und der Setzling transplantiert. Dafür drückt man das Hölzchen so in die Erde, dass die Pflanze darauf liegen bleibt und samt Wurzel sicher aus der Erde gehoben werden kann.
Währen das Internet mancher Teilnehmer schon überlastet gibt, hat Margit für die hartnäckigen Zuschauer noch ein paar zusätzliche Tipps: Zum Gießen sollte man etwa immer nur lauwarmes, leicht abgestandenes Wasser verwenden. Die kleinen Pflanzen könne man auch ab und zu Streicheln (kein Witz), das helfe bei der Zellstärkung. Und wenn man die Pflanzen schließlich nach draußen verpflanzen will, muss man sie zuerst ein wenig abhärten. Das heißt, nicht gleich direkt in die Sonne stellen, in der Nacht vielleicht doch noch zu sich ins warme Haus holen. Denn nach so aufwendiger Arbeit, können sie einem schon etwas ans Herz wachsen.
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