Der Internationale Frauentag feiert einerseits das Frauenwahlrecht, andererseits rückt er das Thema Gewalt, Chancengleichheit und Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau in ein (dunkles) Licht.
Blühendes Österreich präsentiert mit der Serie "Frauen im Naturschutz" die engagierten Komplizinnen von Mutter Erde. Was ist ihr Antrieb? Mit welchen Herausforderungen werden sie konfrontiert?
Wir haben Katharina Varadi-Dianat, Obfrau der ARGE Streuobst, die mit Blühendes Österreich die "Schönsten Streuobstwiesen Österreichs"prämiert hat, zum Interview gebeten:
Naturschützerinnen vor den Vorhang: Interview mit Katharina Varadi-Dianat
Der internationale Frauentag mobilisiert weltweit Frauen und Männer für mehr Gleichberechtigung und das Sichtbarmachen von Geschlechterfragen. Wie bringst du deine Frauenpower im Naturschutz ein?
Schon während meiner Schul- und Studienzeit an der Universität für Bodenkultur habe ich mich immer für "Umwelt- und Naturschutz" interessiert, auch wenn das damals (Anfang der 1980-iger) noch gar kein "Thema" war. Im Laufe der Jahre habe ich aber gemerkt, dass mit Mülltrennen und "Bewußt leben" alleine noch nicht genug verändert werden kann und habe deshalb angefangen mich auch gesellschaftspolitisch zu engagieren. Heute bin ich Obfrau einer Organisation zur Erhaltung der Streuobstwiesen und Obstsortenvielfalt. Genau wie in der Natur hängt auch im Naturschutz vieles mit vielem zusammen, auch wenn das am ersten Blick gar nicht erkennbar ist. Deshalb ist es wichtig im Naturschutz vernetzt zu denken und über den eigenen Tellerand zu blicken.
Was ist deine Vision für eine blühende Vielfalt?
Meine Vision ist, dass wir als Gesellschaft soweit kommen, dass Vielfalt als Bereicherung und nicht als Bedrohung angesehen wird. Brennnesseln und Gänseblümchen, "Unordnung" und "wilde Ecken im Garten", Klatschmohn und Kornblumen am Feld, all das was wir im Geiste mit "der guten alten Zeit verbinden" in der "die Umwelt noch in Ordnung war", wird nur erhalten werden können, wenn wir unser Denken und Handeln ganz allgemein soweit verändern, dass wir klar erkennen, wer das Desaster verursacht und das Ganze sieht. Ein kritisches Hinterfragen ist hier wichtig, sowie die richtigen Schlussfolgerungen!
Kannst du dich an Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen in deiner Kindheit erinnern?
Ich bin glücklicherweise in einer Familie aufgewachsen, in der die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen schon seit 2 Generationen vorher eine Selbstverständlichkeit war. Natürlich habe ich gemerkt, dass Mädchen mit Puppen spielen sollten und Buben immer Autos geschenkt bekamen. Aber ich hab das für mich nicht als ungerecht empfunden, sondern die Puppen meinem Bruder gegeben und mir selbst seine Autos zum Spielen ausgeborgt.
Was bedeutet es für dich speziell als Frau, im Naturschutz in der Landwirtschaft wirksam zu sein?
Einen aufmerksamen Blick zu haben und meinen Kindern (und meinen Enkelkindern) den Blick für die Schönheit des Lebens zu öffnen. Ganz falsch kann ich nicht gelegen sein. Alle haben einen Beruf gewählt der mit dem Wechselspiel zwischen Mensch und Natur zu tun hat. Naturschutz ist auch Menschenschutz, das versuche ich zu vermitteln und danach zu handeln.
Frauen, die Mutter Erde zu einem besseren Ort machen: Welche Pionierinnen oder Aktivistinnen inspirieren dich?
Es gibt viele Frauen, die mich inspirieren! Natürlich meine Mutter und Großmutter - großartige Frauen, die mir die Liebe und Nähe zum Garten und dem Leben darin mitgegegeben haben. Im Umwelt- und Naturschutz sicher Jane Goodall, die mit ihrer Radikalität vielleicht so manche vor den Kopf gestoßen hat. Ihr Wahlspruch "Vieles scheint unmöglich, bis eine kommt und es tut!" finde ich super. Im allgemeinpolitischen Zusammenhang würde ich Rosa Luxemburg und Clara Zetkin nennen, beide werden ja öfters im Zusammenhang mit dem Frauenwahlrecht genannt. Frauenpolitik ist immer auch gesellschaftskritisch, muss sie sein, denn jedes gesellschaftspolitische Problem, egal ob in der Frauenpolitik oder im Umweltschutz hat Ursachen. Wer die erkennt und benennt, der oder die verändert.
Frauen in der Region: Wie unterstützt ihr euch gegenseitig? Gibt es Netzwerke oder Kooperationen hinsichtlich des Naturschutzes?
In der Region Leoben gibt es zahlreiche Frauen, die sich gegenseitig unterstützen. Wir haben einen Gartenstammtisch, der sich unter anderem mit Ernährungssouveränität und Saatgutvielfalt beschäftigt. Er wurde von zwei Frauen ins Leben gerufen. Wir haben aber auch eine Vermarkter:inneninitiative, deren Obfrau eine sehr starke Frau ist. Wir sind viele, die das Thema beschäftigt und viele davon sind Frauen.
Naturschutz in der Praxis: Kommst du eher mit Frauen oder Männern in Kontakt, wenn es um die Abwicklung eines Projekts geht? In welchen Bereichen werden Frauen sichtbar oder auch unsichtbar? In welchen Bereichen Männer?
Vielleicht ist diese Frage anders zu beantworten: Ich habe 1985 zu studieren begonnen und in meinem Jahrgang waren die Hälfte Frauen. Als ich fertig war (übrigens wegen der Kinder, die zwischendurch geboren wurden und weil ich schon damals politisch aktiv war, viel später als meine männlichen Studienkollegen), verschwanden beinahe alle Frauen aus meinem Blickfeld. Wenn ich jetzt Bilanz ziehe, dann blieben viele Männer im Beruf, den sie gelernt haben. Fast alle Frauen aber verschwanden und kamen erst später wieder - wenn sie überhaupt zurück kamen. Viele haben auch den Beruf gewechselt. Im Großen gesehen ist es also so, dass die Frauen die harte Basisprojektarbeit machen, in der Entscheidungsebene finden sich aber fast nur Männer. Die "gläserne Decke" gibt es, das steht fest. Sie zu durchbrechen wird noch lange dauern.
Im zweiten Teil unserer Serie haben wir Ilse Gumprecht vom Ziegenhof in Hundsheim (NÖ) getroffen. Sie erzählt, was sie mit Ziegen und Schmetterlingen vorhat.
Das Frauen-Spezial im Naturkalender:
Naturfotografie im Gesäuse Ladies Weekend, vom 29. bis 30. Juni 2019 im Nationalpark Gesäuse.