Zerynthia polyxena ist der wissenschaftliche Name des Osterluzeifalters, welcher ebenso wie z.B. der vielen bekannte Schwalbenschwanz zur Familie der Ritterfalter (Papilionidae) gehört. Wie andere Ritterfalter ist der Osterluzeifalter eine sehr attraktive Tagfalterart.
Die Flügelspannweite beträgt durchschnittlich 5,5 cm. Auffällig ist die unverwechselbare Flügelzeichnung. Der Grundton der Flügel ist gelblich, der Flügelrand wird kontrastreich von einem schwarzen Wellen-/Zackenmuster geziert. Die Oberseite der Hinterflügel zeigt runde, rote und teils blaue Ornamente. Auch die Flügelunterseite ist mit einem auffälligen schwarzen Binden- und Zackenmuster und roten Zacken und Punkten akzentuiert.
In Österreich flattert die Schönheit, je nach Temperatur und Wetterlage, zwischen März und Ende Juni umher.
Der Name des Falters ist Programm, denn seine einzige Raupenfutterpflanze in Österreich ist die Gewöhnliche bzw. Aufrechte Osterluzei (Aristolochia clematitis). Diese für Österreich gesamt betrachtet seltene Pflanzenart findet sich vor allem in lichten Auwäldern mit Wiesen und Trockenrasen sowie an sonnigen Hängen mit Gebüschen, wärmebegünstigten Randbereichen an Dämmen und Böschungen, Bächen, Flüssen, Gräben, Kanälen, Straßen- und Wegrändern, Bahnlinien und (aufgelassenen) Weingärten. An geeigneten Standorten kann der Bestand der Pflanze dann durchaus üppig sein. Und wo die Osterluzei gedeiht, ist auch der wunderschöne Falter meist nicht weit…
Warum ist der Osterluzeifalter nun eine seltene Schönheit des Ostens?
Der Falter kommt in Österreich nur in den Bundesländern Wien, Niederösterreich, Burgenland und Steiermark vor – eben dort wo auch die Raupenfutterpflanzen wachsen. Aufgrund der ausgeprägten Abhängigkeit von der Raupenfutterpflanze und der kurzen Lebensdauer der erwachsenen Tiere (durchschnittlich 4 bis 6 Tage) gilt die Schmetterlingsart nach aktuellen Erkenntnissen als sehr standorttreu.
Der Osterluzeifalter gilt in Niederösterreich und Wien als stark gefährdet, im Burgenland und der Steiermark als vom Aussterben bedroht und ist laut EU-Richtlinie streng geschützt. Das Gesamtverbreitungsgebiet dieser Schmetterlingsart erstreckt sich von Südfrankreich und Norditalien über den Balkan hinweg bis nach Südwestrussland. Die aktuelle Nordgrenze des natürlichen Vorkommens reicht in Mitteleuropa bis ins südliche Tschechien, womit Österreich als Randposten eine wichtige Position im Ausbreitungsareal des Osterluzeifalters in Europa einnimmt.
Osterluzeifalter-Raupen: ausgesprochene Gourmets
In der Fachsprache wird die Spezialisierung auf eine einzige Nahrungspflanze als Monophagie (aus dem Griechischen ‚monos‘ - einzig/allein und ‚phagein‘ - fressen) bezeichnet. Die Raupen müssen „ihr“ Osterluzei-Buffet so zwar nicht mit anderen Schmetterlingsarten teilen, doch dieser Vorteil ist auch ihre Achillesferse. Ohne geeignete Vorkommen der Futterpflanze, gibt es schlichtweg auch keinen Osterluzeifalter. Darüber hinaus sind die Falter-Mütter bei der Eiablage auch noch wählerisch: dichte Bestände mit hochwüchsigen Pflanzen, großen Blättern und reichem Blütenangebot in sonniger Lage werden zur Eiablage bevorzugt.
Die „Immobiliensuche“ für die Kinder des Osterluzeifalters ist also wirklich nicht leicht.
Wenn Österreich Heimat dieser seltenen Schönheiten bleiben soll, dann ist der Schutz der Gewöhnlichen Osterluzei an geeigneten Standorten für das Überleben des Falters unverzichtbar.
Ein Falterleben beginnt…
Nach der Paarung legt das Weibchen die winzigen, wie schimmernde, weiße Perlen aussehenden Eier einzeln oder in kleinen, losen Gruppen meist an der Blattunterseite der Osterluzei ab. Nach etwa einer Woche schlüpfen die kleinen Raupen, die zunächst schwarz gefärbt sind und gelbe Höcker mit Borsten tragen, direkt im Schlaraffenland.
Sie wachsen in den folgenden 4 bis 5 Wochen bis zu einer Länge von 35 mm und verändern dabei ihr Aussehen. Je nach Entwicklungsstadium variiert die Farbe zunächst von hellbraun, gelblichweiß oder gelblichgrau mit schwarzen Punkten. Im fortgeschrittenen Stadium haben sie einen hellen Grundton mit sechs Reihen orangener, von Borsten besetzter Hautzapfen mit schwarzen Spitzen.
Warum aber dieses skurrile Aussehen als Raupe und die auffällige Zeichnung des Falters – das müsste doch einem jeden Fressfeind sofort ins Auge stechen?
Gift-Räupchen - Fressen, um nicht gefressen zu werden
Zu Beginn ihres Lebens fressen die Räupchen vor allem an zarten Pflanzenteilen sowie an den Blüten der Osterluzei. Erst nach der zweiten Häutung wird auch gröberes Blattmaterial verspeist. Die Pflanze wehrt sich mit Giftstoffen (Aristolochiasäuren) gegen das Gefressenwerden. Das beeindruckt die Osterluzei-Raupen überhaupt nicht, für Wirbeltiere – und damit übrigens auch für uns Menschen – ist die Pflanze aber sehr giftig.
Die Raupen nehmen den Giftstoff während des Fressens auf und lagern ihn im Körper ein, damit ist später sogar auch der Falter „verseucht“. Diese Schmetterlingsart erhält also durch ihre Futterpflanze Superkräfte und zeigt ihren Wirbeltier-Widersachern auch ganz keck: Hey, lass mich lieber in Ruhe, ich bin giftig und mich zu fressen kann ganz schön übel für dich ausgehen!
In der Fachsprache wird eine solch auffällige „Warnfärbung“, die potenziellen Fressfeinden Ungenießbarkeit bzw. Wehrhaftigkeit anzeigt, als Aposematismus bezeichnet. Die gegensätzliche Strategie dazu im Tierreich ist die Tarnung.
Vier bis fünf Wochen nach dem Schlupf verpuppen sich die Raupen an den Blattunterseiten der Osterluzei, aber auch an Zweigen oder anderen pflanzlichen Strukturen oder sogar an Steinen in der nahen Umgebung der Raupenfutterpflanze. Raupen kann man daher nur etwa bis Anfang Juli beobachten.
In Form einer gut getarnten, bräunlichen/gelb-grauen Gürtelpuppe ruhen sie dann etwa 10 Monate bis zum Schlupf. Je nach Temperatur und Wetterlage sind dann wieder die Falter zwischen März und Ende Juni unterwegs.
Da sich bei dieser Schmetterlingsart nur eine Generation pro Jahr entwickelt, wirkt sich die nicht fachgerechte Mahd von Raupenfutterpflanzen besonders fatal aus. Wird die Osterluzei mit den Eiern bzw. Raupen entfernt oder nahe der Futterpflanze wachsende Strauchgruppen mit dort ruhenden Puppen geschnitten, dann fällt der Nachwuchs in diesem Jahr vollständig aus. Solches Wissen ist im Hinblick auf Schutzmaßnahmen für den seltenen Falter sehr wichtig.
Über die Nahrung der erwachsenen Falter in Österreich ist kaum etwas bekannt. Die Osterluzei ist eine Pflanze mit sehr speziellen Blüten und bietet den Schmetterlingen sicherlich keinen Nektar. In der Fachliteratur beschriebene Beobachtungen dokumentieren, dass die im Durchschnitt nur etwa 4 bis 6 Tage lebenden Falter keine Nahrung zu sich nehmen, obwohl sie anatomisch dazu in der Lage wären. (Es gibt auch Schmetterlingsarten, die als Falter gar keine Nahrung aufnehmen können. Dazu zählt z.B. das Wiener Nachtpfauenauge, die Handflächen groß ist und damit als größte Nachtfalterart Europas gilt. Sie hat im Falterstadium gar keine funktionsfähigen Mundwerkzeuge und kann deshalb auch nichts fressen.).
Wer also Osterluzeifalter fördern will, der muss vor allem den Raupen bieten, was ihr Herz begehrt.
Jede Menge Osterluzeien für den Osterluzei-Falter
Für das Überleben des Osterluzeifalters ist die Förderung der Aufrechten Osterluzei das Um und Auf.
- Sollten Mäharbeiten im Gemeindebereich unumgänglich sein, so sollten sie erst nach der Verpuppung stattfinden („Für Wien ist eine Mahd von Osterluzei-Beständen daher ab Ende Juli möglich, sofern es sich um Saumbereiche von offen zu haltendem Grasland handelt.“ Masterarbeit Stefanie Jirout, BEd; 2021; Universität Wien).
- Wesentlich sinnvoller ist der Schutz vorhandener Bestände durch zum Beispiel das Aussparen sonnig stehender Osterluzeien bei Mäharbeiten, möglich sind auch gezielte Pflanzungen. In mancher Staudengärtnerei findet sich Aristolochia clematitis zum Kauf als Gartenpflanze. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass die Wirtspflanzen im Sinn eines entsprechenden Besiedelungserfolgs des Falters in ausreichender Anzahl vorhanden sein, über reichlich Blätter und Blüten verfügen und sonnig bis halbschattig (Süd/Süd-Ost Ausrichtung) stehen sollten. Damit die Pflanzung also für den Osterluzeifalter auch sinnvoll ist, muss sie eine gewisse Bestandsgröße und Lage sowie eine fortgeschrittenen Entwicklungsstadium der Pflanzen aufweisen. Die obig genannte Studie (Masterarbeit Stefanie Jirout, BEd; 2021; Universität Wien) gibt z.B. eine Mindestgröße von 10 m2 Pflanzenbestand für den Großraum Wien an. In solchen neu gepflanzten, geeigneten Beständen können Osterluzeifalter-Raupen durch Nachzucht von Spezialistinnen und Spezialisten auch gezielt wieder angesiedelt werden. Damit sich eine Population aber auch langfristig halten kann, braucht es mehrere, nahe beieinander liegende „Inseln“ von solchen geeigneten Osterluzeibeständen.
- Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sollte in der nahen Umgebung von Raupenfutterpflanzen selbstverständlich unbedingt vermieden werden.
- Wichtig ist außerdem, dass etablierte Osterluzei-Bestände nicht „unnatürlich“ rasch von der benachbarten Vegetation überwachsen werden. Insbesondere invasive Neophyten, wie etwa die Riesen-Goldrute (Solidago gigantea) oder das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera), können solide Osterluzei-Bestände nämlich rasch verdrängen. Gezieltes Neophyten-Management (jährlich zwei- bis dreimalige Mahd) zählt deshalb ebenso zu einer wichtigen Maßnahme zur Bestandssicherung vorhandener Vorkommen der Aufrechten Osterluzei.
- Regelmäßige Überprüfung und Erhebungen der Situation des Osterluzeifalters und seiner Raupenfutterpflanze runden das Schutzpaket für den wunderschönen Falter ab.
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Spannende Anekdoten: Ein Ausflug in den Süden – Wo Osterluzei nicht gleich Osterluzei ist
Es geht bei der Spezialisierung des Osterluzeifalters in Bezug auf seine Raupenfutterpflanze sogar noch spezieller als speziell. In Oberitalien (Piemont) gibt es drei unterschiedliche Osterluzei-Arten: die auch in Österreich wachsende Gewöhnliche Osterluzei (Aristolochia clematitis), die Rundknollige Osterluzei (Aristolochia rotunda) und die Bleiche Osterluzei (Aristolochia pallida). Die Osterluzeifalter-Raupen (Zerynthia polyxena) dort entwickeln sich nur vollständig, wenn sie sich von der Bleichen Osterluzei ernähren. Fressen die Raupen hingegen an den anderen beiden Osterluzei-Arten, dann entwickeln sie sich zuerst ganz normal bis zum 3. Larvenstadium, schaffen es aber nicht bis zum Puppenstadium. Dieses Wissen ist für den Schutz des Falters für sein dortiges Vorkommen sehr wichtig, denn für den Oberitaliener-Osterluzeifalter ist Osterluzei eben nicht gleich Osterluzei – der mag es noch spezieller als speziell.
Zum Abschluss: Ein Spezialbeitrag für Botanik-Begeisterte
Hereingeflattert in die Pflanzenwelt - Die Gewöhnliche Osterluzei/Aufrechte Osterluzei (Aristolochia clematitis)
In Schmetterlingsportraits ist die Beschreibung der Raupen-Nahrungspflanze meist kurzgehalten. Wichtig für den Schutz und die Förderung der Schmetterlingsart sind ja vor allem Kenntnisse über Verbreitung und Standortbedürfnisse der Nahrungspflanzen – diese Information haben wir in der Einleitung schon beschrieben.
Einen detaillierteren Blick auf die Gewöhnliche Osterluzei oder Aufrechte Osterluzei (Aristolochia clematitis) möchten wir allen Botanik-Begeisterten aber nicht vorenthalten. Die Pflanze wurde in Mitteleuropa im Mittelalter als eine der ältesten bekannten Heilpflanzen eingebürgert und in Klostergärten kultiviert. Sie galt als geburtsfördern, woher auch ihr Name stammt (griech. aristos = der Beste, locheia = Geburt) und wurde zudem zur Therapie von Schlangenbissen verwendet. Heute ist ihre Anwendung verboten, da ihr Pflanzengift - die Aristolochiasäure - unter anderem als nierenschädigend und krebserregend gilt.
So gewöhnlich ihr Name auch klingt, so ungewöhnlich ist sie im Hinblick auf ihre Bestäubungsökologie. Die Vermehrung der Gewöhnlichen Osterluzei, die bis zu einem Meter hoch werden kann, erfolgt in unseren Breitengraden eher unspektakulär überwiegend über unterirdisch gelegene, verdickte Sprossachsen – das sogenannte Rhizom (also ohne Bestäubung).
Exkurs für besonders Wissbegierige Gartenfans: Die Sprossachse – je nach Form auch Stängel, Stamm, Halm, usw. genannt - ist normalerweise jener Teil von Pflanzen, der die Laubblätter und Blüten trägt. Sie verbindet die Blätter und Wurzeln miteinander und sorgt für den Stofftransport zwischen ihnen. Die Gewöhnliche Osterluzei, aber z.B. auch Giersch, Schwertlilien oder Ingwer haben ein meist unterirdisch gelegenes, spezialisiertes Sprossachsensystem – das sogenannte Rhizom. Es ist eine dicke, in der Regel verzweigte Struktur, die horizontal im Boden wächst. Rhizome dienen der Pflanze zu verschiedenen Zwecken, wie der Speicherung von Nährstoffen und Wasser, der geschützten Überwinterung und der Vermehrung der Pflanze. Das können wir uns im Garten zunutze machen, indem Teile des Rhizoms glatt und sauber abgetrennt, und an anderer Stelle wieder eingepflanzt werden. Schwertlilien lassen sich so, am besten im August, sehr einfach vermehren: www.naturimgarten.at/gartenwissen/videotipps/tipp/schwertlilien-teilen.html
Das gilt aber nur für Bestände in Privatgärten - Die Osterluzei ist in ihren natürlichen Vorkommen in den Kärntner Bergen, im Rheintal und im nördlichen Alpenvorland als gefährdet eingestuft und steht unter Naturschutz!
Im mediterranen Raum bildet die Osterluzei aber auch Samenstände aus, und dazu müssen die Blüten vorher bestäubt werden – und hier wird’s richtig interessant. Die ungewöhnlichen, gelblichen, länglichen Röhrenblüten bilden (vom Prinzip ähnlich wie z.B. die fleischfressenden Kannenpflanzen) eine sogenannte Kesselfalle. Kleine Fliegen, die vom herben Blütengeruch angelockt werden und in die Blüte hineinkriechen, können sie aufgrund nach innen gerichteten Haaren zunächst nicht wieder verlassen. Sie werden von der Pflanze aber nicht „gefressen“. Die Bestäuber werden stattdessen mit Nektar versorgt. Erst nach etwa zwei Tagen erschlafft sie und die Fliege, welche voll mit Pollen ist, wird in die Freiheit entlassen in der Hoffnung, dass diese die nächste Blüte besucht und es somit zu einer Befruchtung kommt.
Die Natur ist eben erfinderisch - Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht – wir wünschen jedenfalls viel Freude beim (Weiter-)staunen!