Der Waldviertler Biobauer Gottfried Neuwirth im Interview darüber, warum uns die Ressource Boden in Zukunft stark beschäftigen wird, warum er Probleme mit den Bienen hatte – und warum es ihn nicht juckt, dass er anfangs als Spinner galt.
Gottfried Neuwirth war in seinem früheren Leben Elektriker. Er war auch Marathonläufer und bekam bei seinen Trainingsläufen neben den Feldern oft Fieberblasen, wenn ihm der Wind eine frische Spritzmittelwolke ins Gesicht blies. Ihm war klar, dass das Gift somit auch mit Lebensmitteln in Berührung kam. Das wollte er nicht mehr akzeptieren und kaufte ein Stück Land, um sein eigenes Gemüse anzubauen.
Heute haben er und seine Frau rund 50 Schafe und Ziegen und bewirtschaften einige Hektar Ackerland in Wanzenau bei Gars am Kamp (NÖ). Seit vielen Jahren leben die beiden nun schon einzig von den Erträgen, die Ihre landwirtschaftliche Arbeit einbringt – ganz biologisch, ganz ohne Pestizide.
Sie und Ihre Frau sind überzeugte Biobauern. Was ist Ihr erster Anspruch an die Arbeit und Ihre Produkte?
Gottfried Neuwirth: Ich möchte kein Gift in den Lebensmitteln. Das war von Anfang an die Grundmotivation. Dass das möglich ist, beweisen viele Biobauern. Zu sagen, dass es nicht geht, stimmt nicht. Es ist vielleicht nicht so einfach, aber es geht. Obwohl die biologische Landwirtschaft in Österreich flächenmäßig mittlerweile einen Anteil von 25 % hat, steigt der Spritzmittelverbrauch trotzdem stetig an. Allein von 2015 auf 2016 um 15 % (Anm.: Quelle: Johann G. Zaller, „Unser täglich Gift“, 2018). Damit landet nicht nur Gift in unseren Lebensmitteln, sondern auch in unseren Böden. Das Bodenleben, also die Kleinlebewesen, die die Pflanzen ernähren, werden durch einen Cocktail aus Fungiziden, Herbiziden und Insektiziden stetig reduziert. Wir verwüsten uns selber.
Stichwort Insektizide. Sie sind seit über 30 Jahren in der Landwirtschaft tätig und seit 28 Jahren Imker. Was haben Sie in puncto Insektensterben beobachtet?
Gottfried Neuwirth: Hier in Wanzenau haben wir das Glück, dass im Grunde keine Kommassierung, also keine Grundzusammenlegungen, passiert sind. Die Landschaft ist dadurch sehr strukturiert und es gibt viele Wiesen. Das ist für Insekten ideal. Was ich aber schon massiv beobachtet habe: Seit dem Aufkommen der Neonicotinoide als Beizmittel für Saatgut bei Wintergetreide, habe ich schlagartig Probleme mit meinen Bienen bekommen. Außerdem sind irrsinnig viele Amphibien aus den Stauwasserwiesen und Teichen verschwunden.
Neben dem Halten von glücklichen Ziegen und Schafen betreiben Sie auch Ackerbau auf insgesamt rund 7 Hektar Land. Was ist dabei Ihr Ansatz?
Gottfried Neuwirth: Ich baue Dinkel, Roggen und Hafer an. Der Ansatz beim biologischen Landbau ist es ja, den Boden und das Bodenleben in Form von Regenwürmern, Mikroben und vielen weiteren Lebewesen, vital zu halten. Und zwar ohne Gift.
„Wenn der Boden in gutem Zustand ist, ist auch die Pflanze gesund. Dann haben es Schädlinge schwer.“Blattläuse gehen zum Beispiel nur auf Pflanzen, bei denen die Säfte nicht im Gleichgewicht sind. Die Grundphilosophie des biologischen Landbaus ist es ja, sich zu fragen: Wie stärken wir das Bodenleben und die Pflanzen so, dass wir keine Hilfsmittel brauchen? Dabei geht es auch stark um die Fruchtbarkeit unserer Böden. Denn nur ein gesunder, humusreicher Boden ist auch ein fruchtbarer. Wir sind jetzt in einer Phase angekommen, wo es wirklich eng wird. Weil uns die humusbildenden Kleinlebewesen verloren gehen, und teilweise auch auf Grund der massiven Trockenheit.
„Ich denke, dass uns das Thema um die Ressource Boden in Zukunft stark beschäftigen wird.“Konventionell bewirtschaftete Ackerböden haben teilweise nur noch einen Humusgehalt von unter 3 %. Ein gesunder Ackerboden in unserer Klimazone sollte ungefähr 5 bis 6 % haben. Wir müssen dem Boden wieder mehr Wert geben. Aber hier muss man aber auch erwähnen, dass laut Untersuchungen der AGES die Humusgehalte in den letzten Jahren wieder leicht ansteigen, da die EU-Maßnahme „Begrünung von Ackerböden“ langsam greift.
Auf den österreichischen Feldern landen jährlich trotzdem etliche Tonnen Pestizide. 2016 waren es laut Johann G. Zallers Buch „Unser täglich Gift“ 12.915 Tonnen. Was ist Ihrer Einschätzung nach der Grund dafür?
Gottfried Neuwirth: Grundsätzlich ist ja immer ein riesiger Kapitaleinsatz da, allein von den Maschinen. Das macht Druck, die Rendite muss stimmen. Der Boden ist meistens gepachtet, die Pachtpreise gehen stetig in die Höhe. Und dann kommt eben der Druck, das anzubauen, was am Markt gefragt ist – hauptsächlich Weizen, Mais und Raps in Monokulturen. Und damit rückt die ökologische Sache total in den Hintergrund.
Was kann jede und jeder Einzelne tun, um die Lage zu verbessern?
Gottfried Neuwirth: Ich hab’ so das Gefühl, dass die Leute reif sind für eine Veränderung, für große Entscheidungen. Vor allem die junge Generation will anpacken. Oft werde ich gefragt, was man denn tun kann. Meine Philosophie ist es, dass nichts so klein ist, als dass es nicht einen Sinn hätte. Wenn sich jemand einen Garten anlegt, ist das ein erster Schritt. Man hat damit ja auch eine gewisse Vorbildfunktion. Bei mir hat es auch so begonnen. Zuerst habe ich mir einen Garten angelegt, um mein eigenes Gemüse anzubauen. Dann kamen Hasen dazu, dann Hühner. Seit 1992 können meine Frau und ich nun einzig von unserer Landwirtschaft leben. Dabei haben sich am Anfang im Dorf wohl viele gefragt, was das für ein Spinner ist, der glaubt, er kann ein Bauer sein. Heute leben in Wanzenau auf mehreren Höfen Schafe, und alle bei Biobauern. Die Menschen haben gesehen, dass es funktioniert. Wichtig ist eben, dass man mit etwas anfängt.
Den Film "Die Tage wie das Jahr" kannst du an folgenden Terminen ansehen:
Wien
Filmhaus
ab 5. April, 18.30 Uhr
Filmcasino
14. April, 11.00 Uhr, Matinee Film & Lesung mit Bodo Hell
Salzburg
ab 2. April, Das Kino Salzburg
Niederösterreich
ab 28. März, Stadtkino Horn
ab 3. April, St.Pölten Cinema Paradiso
ab 8. April, Zwettl Waldviertler Kino
13., 25., 26. April, Kesselhaus Krems
Tirol
ab 4. April, Innsbruck Leokino
Steiermark
ab 5. April, Graz Rechbauerkino
Kärnten
ab 11. April, Villach Stadtkino
ab 29. März, Volkskino Klagenfurt
Vorarlberg
ab 11. April, Spielboden Dornbirn (ohne Regisseur)
Was können die Konsumenten Ihrer Meinung nach zum Wandel beitragen?
Wenn jetzt junge Bauern in der Nähe die Landwirtschaft ihrer Eltern übernehmen und auf Bio umstellen, dann macht mir das wirklich Hoffnung. Da ist natürlich auch der Konsument gefragt, der sich bewusst ist, was er mit seiner Kaufentscheidung unterstützt. Es muss jeder und jedem klar sein: Auch sie oder er lebt von einem Stück Erde. Und das ist in dem Zustand, den wir bereit sind, für dessen Pflege zu zahlen.
Im aktuellen Kinofilm „Die Tage wie das Jahr“ von Othmar Schmiderer kann man Ihnen und Ihrer Frau sozusagen ein Jahr lang bei der Arbeit zusehen. Dabei bekommt man mitunter den Eindruck, dass das Leben als Biobauer besonders arbeitsreich ist. Wie sehen Sie das?
Auch konventionelle Bauern arbeiten hart. Ich persönlich würde es sofort wieder so machen. Die Arbeit macht Spaß. Es ist ein wunderbarer Job, er ist irrsinnig befriedigend! Wir sind viel in der Natur, arbeiten immer mit Lebewesen, wir lernen so viele Kreisläufe kennen, die noch gar nicht erforscht sind. Es ist ein ständiges Lernen und sich selber entwickeln. Natürlich lassen sich manche Arbeiten, wie zum Beispiel das Melken der Ziegen und Schafe, nicht aufschieben. Aber es gibt auch vieles, was wir uns frei einteilen können. Am Liebsten ist mir das freie Hüten, wenn ich mit den Schafen Naturschutzflächen beweide – da kommt so viel zurück. Das ist so entspannend, das kann ich Ihnen gar nicht sagen.