Die Bergwaldprojekte des Österreichischen Alpenvereins gibt es schon seit dem Jahr 2002. Sie sind sehr erfolgreich, werden unglaublich gerne angenommen und von Blühendes Österreich direkt unterstützt. Was aber macht das Familien-Bergwaldprojekt in Obernberg so besonders?
Obernberg in Tirol - ein wunderschönes Seitental des Wipptales, dominiert vom Obernberger Tribulaun mit dem einzigartigen Obernberger See zu seinen Füßen, eingerahmt von den Lärchenwiesen des Nösslachjochs und des Eggerbergs, beschützt durch die Schutzwälder an den steilen Flanken von Lorenzenberg und Kreuzjoch. Naturlandschaft auf Kulturlandschaft greifen Hand in Hand.
Damit das aber so bleibt, Kulturland erhalten werden kann und die Schutzfunktion des Waldes aufrecht bleibt, bedarf es viel Arbeit und Pflege. „Wir sind oft in den Bergen auf Urlaub – jetzt möchten wir etwas zurückgeben. Und meine Kinder sollen lernen, dass die Alm oder der Wald nicht so aussehen würden wie sie es tun, wenn sich nicht jemand darum kümmert“, so Barbara aus Prag, die mit ihren beiden Töchtern am Familienbergwald-Projekt in Obernberg teilnimmt.
Alle dürfen mit anpacken
18 Kinder, 13 Erwachsene und 6 Betreuungspersonen sind im „Spot-Obernberg“, einem Seminarhaus des Alpenvereins, untergebracht. Und diese Projektwoche stellt etwas ganz besonders dar, denn weder in der Schweiz noch in Deutschland gibt es Bergwaldprojekte, wo die ganze Familie gemeinsam auf einer Fläche arbeitet. Bei den Familienprojekten des Österreichischen Alpenvereins können sich Familien mit ihren Kindern ab 6 Jahren anmelden – oder besser gesagt, bewerben, denn die Kinder sind aufgefordert, mittels Zeichnung darzustellen, wie sie sich im Bergwaldprojekt sehen. „Das generationsübergreifende Arbeiten gibt es in unserer Gesellschaft ja praktisch nicht mehr“, stellt Friederike Geppert, Projektleiterin, fest und sinniert weiter: „Sicher kann in den reinen Erwachsenenprojekten mehr umgesetzt werden, aber wir sind ja kein Arbeitslager. Spaß, Kreativität, das gemeinsame Erleben und die Vermittlung von Zusammenhängen im Ökosystem sollen bei uns im Zentrum stehen.“
Einsatz im Schutzwald
Grundthema der Bergwaldprojekte – daher auch der Name – ist immer der Bergwald. Ohne seine Schutzfunktion wären viele Täler der Alpen nicht besiedelbar und so kommt diesem Schutz- oder Bannwald ein ganz besonders hoher Stellenwert zu. In Obernberg arbeitet die Bergwaldgruppe auf einer Schlagfläche unterhalb der Allerleigrubenspitze. „Die Naturverjüngung ist hier zu langsam. Eine hohe Wilddichte und Waldweide lassen kaum etwas aufkommen.“ Förster Roland erklärt der Gruppe, um was es geht, um den Schutz vor Lawinen und Muren, um die Erhaltung eines intakten Ökosystems, das ausreichend Wasser aufnehmen kann und einen reich strukturierten Lebensraum bietet. Über 400 Fichten- und Lärchensetzlinge werden an diesem Tag gesetzt. Dabei arbeiten die Familien im Team, wie Thomas aus dem Tullnerfeld in Niederösterreich erläutert: „Ich bin für’s grobe zuständig – di
Aufräumen in den Lärchenwiesen
Auf der gegenüberliegenden Talseite leuchten im Herbst unzählige Lärchen goldgelb. Die Lärchenwiesen des Nösslachjoches und des Egger- und Leitnerberges gehen auf die Bewirtschaftung des 14. Jahrhunderts zurück, als die Talböden vor allem für Getreideanbau (z.B. Schwarzhafer) genutzt wurden. Die lichten Lärchen lassen genug Licht durch, sodass sich unter ihnen eine geschlossene Grasnarbe und damit Weideland für das Vieh entwickeln konnte. Auch heute noch werden die Lärchenwiesen, die hier eine tirolweit einzigartige Ausdehnung erreichen und Teil des Landschaftsschutzgebietes Nösslachjoch-Obernberger See-Tribulaune sind, traditionell bewirtschaftet.
Klaus Auffinger, Naturschutzbeauftragter des Landes Tirol, betreut die Gruppe in den Lärchenwiesen. Ausgestattet mit Zangen, Scheren und Sägen geht es los. „Wir schneiden die jungen Fichten heraus, solange sie nicht größer sind als ihr.“ Und dabei zeigt Klaus auf die jüngsten in der Gruppe, die Kinder von Matthias aus Deutschland. „Die Fichte würde rasch überhand nehmen und zu viel Schatten machen, sodass unter ihnen kein Gras mehr wachsen kann. Auch räumen wir auf: große, am Boden liegende Äste klauben wir zusammen und werfen sie auf Haufen unter den Bäumen.“
Begleitet von den neugierigen Kälbern, die hier grasen, wird gezwickt, gesägt, geschleppt. Bis mittags wird fleißig gearbeitet. Dann gibt es Gemüsesuppe und Brot. Im Schatten liegend wird gequatscht und diskutiert – zum Beispiel wie es wohl der dritten Gruppe beim „Schneeschimmelschneiden“ geht? Vermutlich ähnlich gut, schließlich zeigen die über Jahre kontinuierlich von den TeilnehmerInnen des Bergwaldprojektes gepflegten Zirbenbestände deutlich mehr Vitalität und Wachstum als auf anderen Flächen. Ein Erfolg, der ohne Freiwilligenarbeit undenkbar wäre, denn die Arbeitskraft wäre viel zu teuer.
Die Besonderheit der Bergwaldprojekte ist leicht erklärt: man arbeitet unentgeltlich für die Natur- und Kulturlandschaft. Das betrifft aber nicht nur die TeilnehmerInnen, sondern auch das Betreuungspersonal. Friederike Geppert fasst zusammen: „Sicher, ich muss mir freinehmen für diese Wochen, ich plane alles sehr genau im Vorfeld und hab mir mein Team handverlesen zusammengestellt. Aber wenn dann ein Kind zu mir sagt: ‚Ich hab gar nicht gewusst, dass Wald so viel Arbeit macht. Ich glaub, ich werde Förster’, dann rührt mich das zutiefst. Und aus diesem Grund freue ich mich ganz besonders, dass es bald ein drittes Familienprojekt geben wird.“
Und so geht ein Arbeitstag zu Ende – mit grillen und musizieren – Helmut, der Schneeschimmelexperte, ist auch Musiker und packt am Abend die Trommeln aus, und der Vorfreude auf den kommenden Wandertag zum Oberbernberger See. (Autorin: Christina Schwann)
Wenn auch du Lust hast, mit oder ohne Familie in deinem Urlaub die Arbeitshandschuhe anzuziehen, die Hacke zu schultern und gemeinsam mit Gleichgesinnten loszuziehen, um den Bauern, Waldarbeitern und Almbetreibern ernsthaft zu helfen, die Natur- und Kulturlandschaft funktionsfähig zu erhalten, dann melde dich beim Österreichischen Alpenverein für eines der kommenden Bergwaldprojekte an.