Murmeln, sprudeln, Wellen schlagen: Um die ungezähmten Flüsse in Österreich wurde es leise. Sie sind in der deutlichen Minderheit. Nur 15 % der Fließstrecke der Alpenbäche sind naturbelassen. Der Rest wurde begradigt, Ufer betoniert und für die Energiewirtschaft aufgestaut.
Rund zwei drittel der österreichischen Flüsse kommen daher ihrer ökologischen Funktion nicht mehr nach. Im Wasser selbst und an den einstigen Flussarmen und Auen ist es grau und ruhig geworden.
Zum heutigen Tag des Wassers haben wir Luis Töchterle, Naturschützer und Geschäftsführer der Fischereigesellschaft Innsbruck, interviewt. Gemeinsam mit Blühendes Österreich ist er bei der Renaturierung des Inns beteiligt.
Kannst du dich an den Schlüsselmoment erinnern, der die Liebe zu den Fischen entfachte?
Mein geliebtes Gegenüber ist vor allem der Fluss, nicht ein bestimmter Fisch. In einem Bach oder Fluss, dem es gut geht, leben auch viele Fische. Frühe Kindheitserinnerungen dazu kann ich wie einen Film ablaufen lassen. Wie ich schon vor vier Uhr früh ungeduldig wach gelegen habe, bis mich mein Vater endlich zum Fischen „wecken“ kam; wie es klang und roch, als wir am Ufer ankamen; und natürlich, wie ich meine erste Bachforelle mit der Angel gefangen habe. „Bald werde ich denken wie ein Fisch“, lässt Norman Maclean seinen Bruder Paul im Fliegenfischer-Epos „And a river runs through it“ („Aus der Mitte entspringt ein Fluss“) sagen: Er will möglichst erfolgreich fischen lernen. Ich möchte eher denken wie ein Fluss.
Kannst du dich an die Tiroler Flüsse deiner Kindheit erinnern? Wie waren sie? Welche Flussbebauungen hast du miterlebt?
Ich bin im Stubaital aufgewachsen, und die Ruetz ist daher mein Urbild für einen Fluss. Und der Schlicker Bach, an und in dem wir uns zuerst nasse, kleine Füße geholt haben. Oder der Zirkenbach mit frühen Schwarzfischer-Erinnerungen. Überall Schotterbänke, Naturufer, Platz für Feuchtlebensräume. Allein diese drei Beispiele zeigen schmerzlich klar, wie unsere Fließgewässer in meiner Lebenszeit geschunden und zerstört worden sind: Brutale Wildbachverbauungen aus Beton, massive Kraftwerkseingriffe, der Missbrauch von Bächen als Müllabfuhr, aber auch dumme Besatzaktionen durch Fischer. Ein alter Fischer hat mir erzählt, dass er damals in der Ruetz noch Äschen mit der Fliege gefangen hat.
Welche Erfolge kannst du als „Anwalt der Fische und wilden Bäche" verzeichnen? Welche Hürden möchtest du als nächstes für ein barrierefreies Fischleben aus dem Weg räumen?
Mein wichtigstes Projekt ist der Stubaier WildeWasserWeg, ein ehrgeiziger Versuch für eine behutsame touristische Nutzung anstatt der Gewässerzerstörung durch ein Kraftwerk. Mit meinem ehrenamtlichen Pensionsjob bei der Fischereigesellschaft Innsbruck sehe ich die bedrohliche Lage für die Innfische. Der Schwallbetrieb infolge der Speicherkraftwerke tötet jedes Jahr unerbittlich alle Brutfische, die Propaganda von einer „sauberen Wasserkraft“ ist eine zynische Lüge. Eine schwache Hoffnung auf das Überleben von ein paar Jungfischen hege ich mit dem Schaffen von Laichplätzen im Unterlauf mancher Seitenbäche. Dank der Unterstützung von „Blühendes Österreich“ konnten wir zwei kleine Verbesserungen bei Hatting im Oberinntal realisieren. Weitere Maßnahmen sind bei Völs, an der Sill, der Ruetz und der Melach im Gespräch. Mit dem WWF gibt es hier einen engagierten Partner. Leider lässt der politische Wille und damit das „amtliche Engagement“ zu wünschen übrig, die ehrgeizige EU-Wasserrahmenrichtlinie wird immer mehr ausgehöhlt.
Wie siehst du die Wertschätzung zu den Flüssen in Österreich? Erkennst du einen Bewusstseinswandel?
Ein Silberstreif am Horizont zeigt sich manchmal nach großen Hochwasserschäden, da tauchen Forderungen nach mehr Raum für die Fließgewässer auf. Meist dauert es aber nicht lange, bis solche Ansätze im Genehmigungssumpf versinken. Leider hört auch für viele Naturschützer die Welt an der Wasseroberfläche auf, obwohl sich darunter die Mutter aller Lebensräume verbirgt. Der Mainstream unserer städtischen Gesellschaft begreift den Wert wilder Natur nicht mehr, es braucht sehr viel Kraft, gegen diesen Strom anzuschwimmen.
Welcher wilde Bach in Österreich bietet dir das authentischste Naturerlebnis?
Mir geht das Herz auf, wenn ich an bestimmten Strecken der Steyr, der Salza oder der Pielach unterwegs bin. In meiner Nähe gilt das noch am ehesten für den Gschnitzbach, dem aber auch schon eine Regulierung droht. „Ich gehe Fliegenfischen“ dient mir als plausible Begründung, dass ich als Erwachsener tagelang an einem Flussufer entlangstreune.
Welchen Fisch willst du besonders nicht mehr aus den heimischen Gewässern vermissen?
Hier in Tirol gilt mein besonderer Einsatz der Äsche. Sie hat am Inn eine eigene Linie entwickelt, großwüchsig, gedrungen, mit ganz besonderer Färbung. An der Ruetz haben wir einen Bestand an Innäschen aufgebaut, der sich bereits selber vermehrt hat. Vor einem Jahr wurde er durch eine unglaubliche Schlamperei beinahe vernichtet. Nur der große Einsatz vieler engagierter Fischer hat vermutlich ihr Vorkommen bis heute gerettet.