Allgemein:
Herkunft:
Das Hausrind hat sich vor rd. 10.000 Jahren entwickelt, als der Mensch im Zuge des Sesshaft-Werdens den wilden Auerochsen zähmte und fortan als Nutztier hielt. Erstmals stattgefunden hat dies vermutlich im Nahen Osten und in Anatolien (heutige Türkei). Der Auerochse selbst ist hingegen ausgestorben.
Rind, Kuh, Stier, Ochse, Kalb & Co:
Rind ist der Oberbegriff für alle männlichen und weiblichen Tiere jeden Alters. In manchen Regionen Österreichs verwendet man statt „Rinder“ dagegen „Kühe“ als Sammelbegriff.
Je nach Alter und Geschlecht bestehen noch zusätzliche Bezeichnungen:
- Kalb:
Jungtier bis etwa zum siebenten Monat, männlich oder weiblich - Jungrind:
Jungtier zwischen ca. acht und zwölf Monaten alt, männlich oder weiblich - Kalbin (Färse):
Weibliches Jungrind, das noch keine Nachkommen geboren hat. - Jungstier (Jungbulle):
Geschlechtsreifes, aber noch junges männliches Rind (bis max. zwei Jahre alt) - Jungvieh:
Sammelbegriff für Kälber, Jungrinder, Kalbinnen und Jungstiere. - Galtvieh:
Jungvieh, das noch keine Milch gibt; im weiteren Sinne inklusive Mutterkühen, die vorübergehend keine Milch geben („Trockensteher“) - Kuh:
Erwachsenes weibliches Rind, das schon Nachwuchs hatte. - Stier (Bulle):
Geschlechtsreifes, erwachsenes männliches Hausrind. - Ochse:
Kastriertes männliches Rind jeglichen Alters.
Züchtung, Rinderrassen:
Durch gezielte Züchtung entstanden viele verschiedene Rinderrassen. Sie unterscheiden sich im Aussehen (Körperbau, Färbung), in der Anpassung an ein bestimmtes Klima und im Verwendungszweck: Manche Rinder dienen vorwiegend der Milchproduktion (→ siehe Stichwörter „Milch“ & „Melken“), andere als Fleischlieferant. Sogenannte „Zweinutzungsrassen“ liefern beides möglichst ausgewogen: Milch als auch Fleisch – aber mit geringerem Ertrag als die spezialisierten Rassen. Manch alte, weniger leistungsfähige Rassen sind heutzutage selten oder gar vom Aussterben bedroht. Einige Bäuerinnen und Bauern züchten sie daher gezielt. Details: siehe Stichwort „Rinderrassen“
Nutzung:
Rinder liefern dem Menschen u. a.:
- Milch, Käse, Butter, etc.
- Fleisch & Innereien (vorwiegend von männlichen Rindern)
- Leder
- Fell
- Dünger (siehe auch Mist)
- Arbeitskraft (z. B. Zugtiere)
- Landschaftspflege (auf Weiden, z. B. Almen)
Anatomie & Körperbau:
- Hufe:
Rinder sind Paarhufer. Beim Auftreten am Boden spreizen sich die beiden Hauptzehen etwas auseinander. So sinkt das Tier auf weichem Boden weniger ein. - Hörner:
Bei den meisten Rassen haben beide Geschlechter Hörner. In der intensiven Viehhaltung Mitteleuropas werden sie jedoch großteils nachträglich entfernt.
Fortpflanzung:
Eine Kuh hat keine bestimmte Paarungszeit, sie kann grundsätzlich jederzeit trächtig werden. Heutzutage erfolgt dies meist durch künstliche Befruchtung. Die Entwicklung des Embryos dauert ca. neun Monate (Tragzeit). Danach wird meist nur ein Kalb geboren. Das erste Kalb bekommt eine Kuh meist im Alter von rund zwei Jahren.
Verdauung:
Kühe wiegen etwa 500 bis 800 kg, Bullen 1.000 bis 1.200 kg. Um diese enorme Körpermasse aufzubauen und aufrecht zu erhalten, brauchen Rinder viel Futter und müssen es unglaublich effizient verwerten. Denn Gräser oder Kräuter sind vergleichsweise energiearm und schwer zu verdauen.
Daher haben Rinder ein hochspezialisiertes Verdauungssystem entwickelt:
- Einerseits sind Rinder – wie auch Schafe oder Ziegen – Wiederkäuer. Das heißt, sie würgen bereits geschluckte und „vorverdaute“ Nahrung wieder hoch und kauen sie erneut. Der dadurch fein zerkleinerte Nahrungsbrei bietet eine größere Angriffsfläche für jene Mikroorganismen im Verdauungstrakt, die dem Rind bei der Verdauung helfen.
- Andererseits durchläuft die Rindernahrung insgesamt vier Mägen: Im Pansen (Fassungsvermögen: 100 Liter!) und im Netzmagen wird die Nahrung vorverdaut. Milliarden von Bakterien verwerten hier die Rohfasern der Pflanzen (Zellulose). Ohne diese mikroskopischen Helfer wären sie für das Rind unverdaulich. Anschließend wird im Blättermagen v. a. Wasser entzogen, bevor die eigentliche Verdauung im Labmagen und im Darm erfolgt.
Futter
Die „angestammte“ Nahrung für Rinder ist Grünfutter. Also jene Gräser, Kräuter oder Kleearten, die sie auf einer Weide finden. Im Stall jedoch werden heutzutage viele Rinder mit proteinreichem „Kraftfutter“ gefüttert. Darunter versteht man u. a. Mais, Weizen oder Soja. Sie steigern zwar die Leistung der Rinder, stellen aber keine artgerechte Ernährung dar. Denn die Rinder können zwar Gras und Heu optimal verwerten. Mit Kraftfutter dagegen können die Mikroorganismen in Mägen und Darm nicht so gut umgehen. So kann das komplexe Zusammenspiel zwischen Rind und Verdauungsbakterien aus dem Gleichgewicht geraten. Verdauungsbeschwerden können auftreten und die Rinder anfälliger für Krankheiten werden. Immerhin sind diese Mikroorganismen ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems – wie auch beim Menschen. Treten Rinderkrankheiten auf, kommen oft Antibiotika zum Einsatz, die die aber Verdauungsbakterien zusätzlich schwächen.
Lebensweise & Haltungsformen:
Rinder leben auf einer Weide in Herden mit strenger Ranghierarchie – wenn man sie lässt. Die Mehrheit der mitteleuropäischen Rinder verbringt den Großteil ihres Lebens jedoch im Stall. Am häufigsten handelt es sich dabei um einen Laufstall, der freies Bewegen ermöglicht. Anbindehaltung in nur noch in Ausnahmefällen erlaubt.
Zur Mutterkuhhaltung siehe hier.
Die natürliche Lebenserwartung eines Rinds beträgt maximal 20 Jahre. Dieses Alter erreichen die meisten Rinder auf Bauernhöfen jedoch nicht. Im Normalfall werden sie vorher geschlachtet (meist mit rd. fünf Jahren), weil danach Milchleistung und Fleischqualität nachlassen.
Verhalten gegenüber Weiderindern:
Als Herdentiere können Rinder auf der Weide dem Menschen gefährlich werden – speziell Mutterkühe, wenn sie ihren Nachwuchs verteidigen. Als Mensch sollte man sich daher vorausschauend und zurückhaltend verhalten. Empfehlungen für den Umgang mit Weiderindern findest du in dieser Broschüre und in diesem Video.
Zahlen & Fakten
Weltweit gibt es etwa 1,4 Milliarden Rinder. Auf Österreichs Bauernhöfen gab es 2019 rd. 1,88 Mio. Rinder. Davon waren etwa 200.000 Mutterkühe (entspricht knapp 38 % der Kühe) und rd. 530.000 Milchkühe. Die restlichen Rinder sind Stiere und Jungvieh. Sie wurden auf 56.400 Betrieben gehalten. Das ergibt im Durchschnitt rd. 33 Tiere pro Bauernhof. Die meisten Rinder gibt es in Oberösterreich (rd. 541.000), gefolgt von Niederösterreich (rd. 420.000) und der Steiermark (rd. 316.000).
Im Jahr 2018 lieferten 639.000 in Österreich geschlachtete Rinder 228.000 Tonnen Rindfleisch und 5.600 Tonnen Kalbfleisch. Herr und Frau Österreicher verzehren knapp 12 Kilogramm Rind- und Kalbfleisch pro Jahr.
Bei den österreichischen Rindern betrug der Bio-Anteil im Jahr 2018 rd. 22 % (38 % der Mutterkühe, 20 % der Milchkühe). Bio-Milch machte rd. 19 % der Gesamt-Milchmenge aus.
Pro Tag benötigt ein Rind bis zu 80 Liter Wasser und etwa 16 bis 20 Kilogramm Futter. Um letzteres zu verarbeiten, kaut ein Rind etwa 30.000-mal täglich und produziert dabei bis zu 150 Liter Speichel.