Allgemein
Vorkommen & Verwendung:
Gluten (bzw. das „Klebereiweiß“) sorgt für die gewünschten Backeigenschaften des Weizenmehls. Ohne Gluten kein „luftig-weiches“ Brot. Andere Getreide (z. B. Mais, Reis, Hirse) und Pseudogetreide (z. B. Buchweizen, Quinoa, Amarant) sind glutenfrei und eignen sich daher nicht zum Backen von Brotlaiben.
Das Klebereiweiß wird als Hilfs- bzw. Zusatzstoff aber auch in vielen anderen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion verwendet. Daher findet man Gluten nicht nur in Lebensmitteln, die unmittelbar aus glutenhaltigem Getreide hergestellt wurden. Sondern auch in Produkten, bei denen man nicht unbedingt damit rechnen würde (z. B. in manchen Käsen oder Schokoladen).
Glutensensitivität, Zöliakie, Weizenallergie:
Nach heutigem Wissensstand kann der (häufige) Verzehr von glutenhaltigen Nahrungsmitteln Gesundheitsbeschwerden beim Menschen begünstigen oder auslösen. Dabei muss man drei Erscheinungsformen unterscheiden, die unter Umständen schwer zu diagnostizieren sind:
- Glutensensitivität:
Gluten ist für den menschlichen Darm eine harte Nuss. Nach neuesten Forschungen kann kein Mensch Gluten wirklich vollständig verdauen. Stattdessen werden die Glutenproteine im Dünndarm jedes Menschen vermutlich als „feindliche Eindringlinge“ angesehen. Das Immunsystem (sprich: die Darmschleimhaut) reagiert entsprechend, u. a. mit einer Entzündung des entsprechenden Darmareals.
Nur: Manche Menschen tolerieren Gluten offenbar besser als andere. Bei ihnen dauert die Entzündung im Darm nur kurz, bleibt lokal begrenzt und wird im Normalfall gar nicht bemerkt. Bei anderen dagegen ist die Antwort des Immunsystems heftig bis „überzogen“. Sie bekommen Verdauungsbeschwerden. Bei längerem Verlauf können – nach momentanem Wissensstand – aber auch andere Organe und Körperregionen betroffen sein, z. B. in Form von chronischen Entzündungen. Es wird ebenso untersucht, inwieweit die dauernde Abwehrreaktion des Darmes auch Allergien, Migräne oder chronische Müdigkeit begünstigen kann. Manche KritikerInnen bestreiten dagegen, dass ein Krankheitsbild „Glutensensitivität“ überhaupt existiert. Oder sie sind der Ansicht, dass die Beschwerden ganz andere Ursachen haben.
- Zöliakie:
Dies ist sozusagen die „verschärfte Version“ der Glutenunverträglichkeit. Hier führt die Überempfindlichkeitsreaktion gegenüber Gluten zu einem chronisch entzündeten Dünndarm. Gegen Gluten werden Antikörper gebildet, die körpereigenes Darmgewebe zerstören. Selbst geringe Mengen an Gluten können z. T. schwere Symptome auslösen, allerdings mit sehr unterschiedlichem Krankheitsbild: z. B. Bauchschmerzen, Durchfall, Müdigkeit, Erbrechen. Zöliakie dürfte bis zu einem gewissen Grad auch auf genetischer Veranlagung beruhen. Einzige Behandlungsmöglichkeit ist strikt glutenfreie Ernährung. Und das lebenslang.
- Weizenallergie:
Kommt selten vor, kann aber zu schweren Symptomen führen. Hier ruft der Genuss des weizenhaltigen Lebensmittels meist rasch typische Allergieerscheinungen hervor, z. B. Erbrechen, Atemnot oder Rötungen der Haut. Andere Getreidearten werden dagegen meist recht gut vertragen.
Mögliche Ursachen:
In den letzten Jahren steigt die Zahl jener, die von Glutenunverträglichkeit betroffen sind. Zu möglichen Ursachen existieren unterschiedliche Erklärungen, die nicht immer auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Bei der Interpretation ist also Vorsicht geboten. Unter Umständen ist ein Teil der Zunahme mit mittlerweile besseren Diagnosemöglichkeiten und höherem Problembewusstsein zu erklären.
Eine Ursache könnte aber im zunehmenden Verzehr von Weizen bzw. glutenhaltigen Lebensmitteln liegen, insbesondere von stark raffiniertem Weißmehl. Solches Mehl enthält kaum mehr „Nahrung“ für die Darmbakterien des Menschen. Diese sind aber nicht nur für unsere Verdauung, sondern auch für das Immunsystem verantwortlich. Außerdem könnten diese Mikroorganismen z. B. durch Antibiotika oder Umweltgifte (z. B. Pestizide) zusätzlich geschädigt werden. Eine mögliche Quelle dafür ist die industrielle Landwirtschaft. Der Zusammenhang zwischen zunehmendem Verzehr von Gluten und entsprechenden Beschwerden ist noch nicht letztgültig erwiesen, die Verdachtslage erhärtet sich aber.
Auch könnte die Zunahme gesundheitlicher Beschwerden mit der veränderten Brotzubereitung zu tun haben: Früher ruhte Brotteig vor der Verarbeitung längere Zeit. Dabei reduzierten die enthaltenen Milchsäurebakterien und Hefepilze den Glutengehalt des Brotes entscheidend. Heute greifen die meisten Hersteller von Brot und Gebäck zu industriellen Fertigbackmischungen. Das spart Zeit bei der Teigzubereitung, es entfällt aber auch die Möglichkeit, dass Gluten schon im Teig abgebaut wird.
Alternativen:
Der Nahrungsmittelhandel bietet mittlerweile viele Produkte mit dem Zusatz „glutenfrei“ an, selbst bei solchen, die üblicherweise aus Weizen hergestellt werden (Brot, Nudeln, etc.). Sie sind oft nicht vollständig glutenfrei, bleiben aber unter einem bestimmten Gluten-Grenzwert.
Beim Brotkonsum könnten Betroffene auf täglich frische Backwaren ausweichen, die auf traditionelle Art aus Teig hergestellt werden. Sauerteigbrot z. B. wird in der Regel aus Roggenvollkornmehl produziert, enthält somit von Haus aus schon weniger Gluten als Weizenmehl. Vor allem aber wird beim langen „Ruhen“ des Teiges der Glutengehalt durch Mikroorganismen weiter abgebaut (siehe oben). KonsumentInnen sollten sich aber über eines bewusst sein: Durch den Mehraufwand muss Brot bei dieser Art der Herstellung mehr kosten. Und bei dieser Produktionsmethode kann nicht bis kurz vor Ladenschluss kurzfristig frisches Brot und Gebäck aus dem Ofen „gezaubert“ werden. Das funktioniert nur mit Fertigbackmischungen zum Aufbacken.
Daten & Fakten
ExpertInnen schätzen, dass in Österreich zwischen fünf und zehn Prozent der Bevölkerung an einer Glutensensitivität leiden. Bei etwa 0,5 bis 1 % der Menschen ist eine Zöliakie diagnostiziert. Die Dunkelziffer könnte bei bis zu 2,5 % liegen. An einer Weizenallergie leiden etwa 0,1 % der Bevölkerung.